zeigten sich die Vermittler (aus Zürich, Luzern, Zug, Freiburg, Solothurn, Biel und La Neuveville) gegenüber den Anliegen der Untertanen. Der Preis für die schnelle Einigung war hoch, was zeigt, wie schwierig die Lage für die Berner Obrigkeit geworden war. Nachdem die Stadt bereits am 1. Juli in einem Schreiben an die Landschaft ihren Willen bekräftigt hatte, gegen den freien Reislauf und die heimlichen Pensionen konsequent vorzugehen, sah sie sich am nächsten Tag zu weiteren Konzessionen genötigt.59 Der Berner Rat bekräftigte am 2. Juli nicht nur seine Bereitschaft, die Pensionenempfänger zu bestrafen, sondern sagte den Aufständischen auch die Übernahme der angefallenen Verpflegungskosten von 2000 Pfund sowie Straffreiheit zu. Der Stadt blieb lediglich das Recht, über die angeklagten Berner selbst zu richten. Gemäss der Einschätzung von Anshelm wäre dieser materielle Schaden allein noch zu verkraften gewesen, wenn nicht «einer loblichen und bisshar unverlezten stat Bern an ir hohen achtung und herlikeit ewiger und unwiderbringlicher schad da entsprungen wa(e)re.»60
Den Höhepunkt des Aufstands bildete der Auftritt von Stadtschreiber Schaller in Köniz. Dieser musste vor die Untertanen treten und diesen die Namen all jener Personen bekanntgeben, die französisches Geld von Löwenwirt Glaser und Grossrat Niklaus Huber, den beiden Pensionenverteilern im Dienste Frankreichs, erhalten hatten. Mit der theatralisch inszenierten Verlesung der Namen der Pensionenempfänger und des Kronenbetrags, den diese jeweils erhalten hatten, wurden die Verdächtigungen zur Gewissheit. Die Fäden zwischen der bernischen Elite und dem König von Frankreich verdichteten sich vor den zuhörenden Untertanen zu einem engmaschigen Beziehungsnetz.61 Die Liste führt über 160 Pensionäre auf, darunter 17 Kleinräte. Somit haben mehr als die Hälfte der insgesamt 27 Kleinräte französische Pensionen empfangen. Am 3. Juli wurden die öffentlich denunzierten Ratsmitglieder wegen ihres fehlbaren Verhaltens abgesetzt und zur Ablieferung der französischen Gelder an die Stadtkasse verurteilt, darunter auch die Venner Peter Dittlinger, Niklaus von Graffenried, Gilian Schöni und (ein paar Tage später) Rudolf Baumgartner. Die abgesetzten Räte hatten zusätzlich mit weiteren Strafen zu rechnen.62
Ebenfalls zu den abgesetzten Amtsträgern gehörte Altvenner Kaspar Hetzel. Für ihn hatte der leichtsinnige Auszug seines Sohnes tragische Folgen: Da er als Vermittler in Solothurn weilte, legte ihm Bern in einem Schreiben vom 4. Juli dringend nahe, mit einer allfälligen Rückkehr zuzuwarten. Der «vnwill» gegen ihn sei noch zu gross, warnte die Stadt.63 Die Räte befürchteten deshalb, dass sie ihn «nitt wol möchten schirmen».64 Als in Solothurn 500 aufgebrachte Solothurner und Berner Untertanen vor der Stadt Hetzels Hinrichtung forderten, verschlechterte sich dessen Lage dramatisch. Vorerst verweigerten sich die Solothurner Obrigkeiten allerdings, «den gu(o)ten herren vf den fleyschbank» zu geben.65 Weil eine Rückkehr nach Bern zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ausgeschlossen war, blieb Hetzel einzig die Flucht. In einer Nacht- und Nebelaktion machte er sich in Begleitung eines Stadtreiters auf den Weg Richtung Baden, wo er den Schutz der Tagsatzung zu erlangen hoffte und seine Unschuld beweisen wollte.66 Seine Flucht endete jedoch bereits im Gäu. Zwischen Solothurn und Olten fielen die beiden Reiter in die Hände aufgebrachter Zofinger, Aarauer, Aarburger und Wangener, die ihm in Olten einen improvisierten Prozess machten und ihn dabei schwer folterten. Die Intervention Berns und Solothurns wie auch die Mahnung der Tagsatzung vermochten nichts für den Berner Altvenner auszurichten.
Im Zuge des zweiten unter brutaler Folter durchgeführten Verhörs durch den Solothurner Scharfrichter gestand der Altvenner schliesslich die – bis dahin stets bestrittene – Mittäterschaft am heimlichen Aufbruch seines Sohnes nach Frankreich und wurde unmittelbar danach enthauptet.67 Auch wenn der Prozess gegen Hetzel kurz war, handelte es sich nicht, wie von der älteren Geschichtsschreibung dargestellt, um einen Gewaltexzess eines entfesselten Mobs.68 Das durchgeführte peinliche Verhör und die darauf folgende Hinrichtung entsprachen der damaligen Gerichtspraxis.69 Dennoch liefert der Fall ein erschütterndes Beispiel dafür, dass das Soldgeschäft auch für Angehörige der Eliten mit hohen Risiken verknüpft sein konnte.
Im Verlauf des Sommers bekamen noch weitere Herrschaftsträger den Zorn der Untertanen zu spüren. So wurde der Schenkenberger Vogt Hans Kuttler von einer wütenden Menge in dessen Burg oberhalb von Thalheim belagert, beraubt und gefangen.70 Geplündert wurden auch der Fischweiher und der Weinkeller von Rudolf Nägeli in Heimberg sowie die Spiezer Besitzungen von Ludwig von Diesbach, der damals als Landvogt in Neuenburg amtete.71 Inwieweit in diese gewaltsamen Aktionen neben der Sold- und Pensionenproblematik auch andere Konflikte hineinspielten, muss aufgrund der Quellenlage offen bleiben.72 Die Bedrohung des Klosters Thorberg lässt sich jedoch kaum mit den damaligen Kriegsverwicklungen erklären.73 Vom «stillen bernischen Gewissen für Eigentum und Sachwert», das Feller für die Ereignisse des 26. Juni noch ins Feld führte, war spätestens zu diesem Zeitpunkt kaum etwas übrig geblieben.74
Die Stimmung auf der Landschaft blieb angespannt und die Obrigkeit war noch immer nicht Herrin der Lage. Mitte Juli mehrten sich die Gerüchte, dass die Berner Untertanen aus dem Aargau einen weiteren Zug vor die Stadt ins Auge fassen würden.75 In Thun wurde der Berner Amtmann Ludwig von Büren von der Bevölkerung für ratsunfähig erklärt, weil er französische Pensionen erhalten hatte.76 Auch die Mahnungen der Obrigkeit an die Ämter, sich gegen die Aufständischen zu wehren, zeugen von einem nach wie vor angespannten Klima.77
Zur Beruhigung der Lage verhängte der Rat exemplarische Strafen gegen einzelne Exponenten im Geschäft mit dem Reislauf und Pensionen. Michel Glaser, der Wirt des Gasthauses Löwen, in welchem die Gelder aus Frankreich an die Ratsherren verteilt worden waren, wurde ebenso hingerichtet wie der Söldnerführer Anthoni Wyder. Pikanterweise sass mit Schultheiss Wilhelm von Diesbach jener Mann über diese zu Gericht, der selbst die grössten Summen an Pensionen empfangen hatte. Die Beteuerung von Glaser auf der Richtstätte, «er ha(e)tte nu(e)t getan, wen das in die venner und fu(e)rnemen ra(e)t geheissen ha(e)ttid», 78 verhallte ungehört. Wilhelm von Diesbach zeigte sich gegenüber dem Pensionenverteiler unerbittlich. Er ermahnte ihn harsch, «an der not gedult zehaben, dultig in Kristus namen zeliden, und nit witer, so im kein nuz, unru(o)w zemachen.»79 Erst ein paar Jahre später erfuhr der Hingerichtete eine gesellschaftliche Rehabilitation, als zu seinem Gedenken von einem bislang unbekannten Wohltäter ein Fresko (Tod und Tochter) in Niklaus Manuel Deutschs Totentanz gestiftet wurde.80 Den entscheidenden Ausgleich zwischen den Konfliktparteien brachte schliesslich der sogenannte Könizbrief. Am 28. Juli 1513 wurde unter Anwesenheit von Boten aus den bernischen Gemeinden ein 17 Punkte umfassendes Vertragswerk präsentiert.81
Die Aufstände wurden auch von den auswärtigen Mächten zur Kenntnis genommen. Der mailändische Gesandte verfolgte die Ereignisse des Sommers 1513 sehr genau und rapportierte seine Beobachtungen in kurzen Abständen an seinen Herrn.82 Die innere Schwächung der eidgenössischen Orte, die den Grossmächten nicht verborgen blieb, behinderte deren Handlungsspielraum im europäischen Mächtespiel und veranlasste die Tagsatzung deshalb zu einem strategisch geschickten Schachzug. Am 2. August erklärten die in Zürich versammelten Orte Frankreich den Krieg, wodurch der innere Konflikt geografisch ausgelagert wurde. Damit erreichten die Obrigkeiten zwei Ziele: Es gelang ihnen einerseits, ihre anti-französische Haltung gegenüber ihren unruhigen Untertanen unter Beweis zu stellen, und andererseits schafften sie es, einen grossen Teil des vorhandenen Gewaltpotenzials in den Orten aus dem Land zu führen. Mit dem Kriegszug nach Dijon dominierte die Eidgenossenschaft die europäische Mächtepolitik wie nie zuvor.83 Obwohl die Eidgenossen auch in Burgund militärisch nicht aufzuhalten waren, 84 verpassten sie es, diesen militärischen Erfolg auch politisch auszunutzen. Der mit dem Verteidiger von Dijon, Louis de La Trémoille, ausgehandelte Friede vom 13. September 1513 fiel für die Orte sehr günstig aus. Er verpflichtete Frankreich zur Bezahlung von 400 000 Kronen und garantierte den Orten ihre Ansprüche in Mailand. La Trémoille war jedoch lediglich für die Ausarbeitung des Abkommens ermächtigt, die Ratifizierung oblag allein dem König. Nach dem ungeordneten Abzug der eidgenössischen Truppen sah Ludwig XII. schliesslich keinen Grund mehr, diesen für Frankreich ungünstigen Vertrag zu ratifizieren. Am 24. Oktober 1513 lehnte der Kronrat in Corbeil unter Anwesenheit des Königs den ausgehandelten Frieden ab.85
In Bern kam es nach dem Könizerbrief nur noch zu punktuellen