Angesichts der anhaltenden Spannungen um 1513/14 sind die Bedenken der Tagsatzung nachvollziehbar. So hatte sich der Schultheiss Daniel Babenberg im Zusammenhang mit den Dijoner Friedensverhandlungen wegen der Bestechungsvorwürfe vor der Tagsatzung zu verantworten.184 Es zirkulierte das Gerücht, dass Frankreich gemäss den Bestimmungen des Dijoner Friedensvertrages 50 000 Kronen bezahlt habe, das Geld jedoch in unbekannten Kanälen versickert sei. Diese Reden brachten die Obrigkeiten in Solothurn, Bern und Luzern erneut in Bedrängnis. Weitere Untersuchungen über den Verbleib dieser Summe wurden an der Tagsatzung Ende 1513 und im Februar 1514 angestrengt, nachdem insbesondere auf der Berner Landschaft der Verdacht geäussert wurde, dass die eidgenössischen Obrigkeiten «mitt dem Franzossen deheinen friden wellen anna(e)men», umgekehrt aber der französische König «des willens sin so(e)lle, bÿ dem abgeredten friden von Dision zu(o)beliben».185 Urheber dieser Gerüchte war gemäss den Zeugenaussagen von Hans Schindler und Thomas Lüti Jean de Baissey, Gruyer von Burgund. Nicht einig waren sich die beiden allerdings in der Frage, ob 50 000 Kronen (Schindler) oder bereits über die Hälfte der im Dijoner Vertrag zugesagten 400 000 Kronen (Lüti) ausbezahlt worden waren.186
Die Ereignisse im Umfeld des Dijonerzuges hatten in Solothurn ein längeres Nachspiel zur Folge, das hier nur kurz umrissen werden soll: Gerold Löwenstein, Kaufmann aus Solothurn und Schwager des Berner Junkers Ludwig von Erlach sowie des Berner Löwenwirts Michel Glaser, 187 befand sich 1514 auf einer Handelsreise nach Dôle, um Schweine zu kaufen.188 Am 11. Februar wurde in Bern bekannt, dass sich Löwenstein in Dijon aufgehalten hatte. Dort soll er von La Trémoille erfahren haben, dass der König den Frieden halten und den geschuldeten Sold ausrichten wolle.189 Am selben Tag erging ein Schreiben gleichen Inhalts von Bern an Solothurn. Ausserdem enthielt dieses den Hinweis, dass er dies angeblich mit «schrifften unnd schin» belegen könne.190 Eine weitere Meldung in dieser Sache erreichte Solothurn ebenfalls an diesem Samstag im Februar aus Huttwil. Der dortige Schultheiss Wilhelm Schindler informierte den Solothurner Rat über den genauen Auftrag, den Löwenstein von Frankreich erhalten haben soll: «Er so(e)lle eis tu(o)n und so(e)l illentz wider hin us ritten fu(e)r die gmeinen in der eygnoschaftt und inen semlich meinung zu(o) erkennen geben und welle ein gmein dem frantzosen ein gleitt gen, so wellen sy har uss kon und wellen mitt dem gmeinen man under ston ein friden zu(o) machen, den sy wüssen mitt den heren nütt zu(o) machen, der küng der ko(e)nni innen nitt geltz genu(o)g geben, do mitt sy zu(o) friden sigin.»191 Der Verdacht bestand also darin, dass nicht der französische König an der Missachtung des Dijoner Friedensvertrags Schuld trage, sondern dass die Geldgier der eidgenössischen Eliten die Einhaltung des Friedens behindern würde.192 Ein Brief des Herzogs von Bourbon, der an der Zürcher Tagsatzung am 16. Februar 1514 verlesen wurde, enthielt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der König beabsichtigt hätte, den Vertrag zu halten. Bourbon verlangte lediglich Geleit, um einen neuen Frieden auszuhandeln.193 Es ist nicht eindeutig zu klären, inwiefern Frankreich an diesen Geschehnissen überhaupt Anteil hatte.194
Löwenstein setzte die Solothurner Obrigkeit über seine Begegnung in Frankreich in Kenntnis und machte sich daran, in Balsthal eine Gemeinde einzuberufen. Die Balsthaler waren jedoch skeptisch und verlangten schriftliche Nachweise. Ein Dokument, das die Aussagen Löwensteins offiziell bestätigen würde, soll sich zu diesem Zeitpunkt in Frankreich befunden haben. Löwenstein, so die spätere Aussage von Hans Gerber, Untervogt zu Falkenstein, habe es bei seinem ersten Aufenthalt in Frankreich jedoch nicht gewagt, das brisante Schreiben an sich zu nehmen. Er befürchtete, «alz er durch keysers land ryten mu(o)ste, man mo(e)cht in an ein ast hengken».195 In Begleitung von Bernhard Sässeli und Bernhard Gerber zog Löwenstein erneut nach Frankreich, worauf Sässeli mit einem Schreiben des Herzogs von Bourbon nach Solothurn zurückkehrte.196 Der Inhalt des Schreibens entpuppte sich aber als bedeutungslos. Sässeli liess das vermeintliche Beweisstück vom solothurnischen Stadtschreiber übersetzen. Es wurde schnell klar, «daz Gerolds red unnd der brieffe nit glich stünden unnd daz die erber lüte allenthalben verfürt wurdent.»197 Davon unbeirrt ritt Sässeli nach Balsthal und besprach sich mit der dortigen Gemeinde, die jedoch mit dem auf Französisch verfassten Schreiben nicht viel anzufangen wusste. Sässeli verzichtete wohlweislich darauf, die Balsthaler Untertanen über die Einschätzung des Solothurner Stadtschreibers zu informieren. Gerber aber würde, versicherte er, ebenfalls Briefe und Siegel des Königs vorlegen.198 Als dieser in der Nacht vom 6. auf den 7. März 1514 mit leeren Händen aus Frankreich nach Balsthal zurückkehrte, entsandte man Boten, um das von Gerber in Frankreich zurückgelassene Schreiben nach Balsthal zu bringen. Bern nahm die Boten jedoch in Grandson gefangen und schickte gemeinsam mit Solothurn eine Delegation nach Balsthal. Gleichzeitig liess die Tagsatzung die Balsthaler Untertanen wissen, «Gerold Löwenstein und Bernhart Sässeli wärent verlogen, verdorben lüt unnd triben verräterisch luginen».199 Man vermutete hinter der Aktivität Löwensteins und Sässelis den Versuch des Königs, illegal Söldner anzuwerben. Tatsächlich waren die Kriegsabsichten Frankreichs in der Eidgenosseschaft zu diesem Zeitpunkt bekannt.200 Die Unruhen in Solothurn erfassten zwischen März und Mai 1514 erneut auch Luzern und Bern.201 Die Tagsatzung fasste deshalb den Beschluss, Löwenstein und Sässeli unverzüglich festzunehmen.202 Nachdem sich in Lostorf (Verweigerung der Burgrechtsbeschwörung) und in Kestenholz erneut offener Widerstand formiert hatte203 und Reden über einen erneuten Zug der Untertanen bis nach Solothurn durchgedrungen waren, 204 plante Solothurn ein militärisches Vorgehen gegen die unruhigen Untertanen. Bern gelang es jedoch, die solothurnische Obrigkeit von diesem Vorhaben abzubringen.205 Am 13. Mai 1514 kam es unter Beizug der eidgenössischen Boten zu einem Ausgleich mit den aufständischen Herrschaften Falkenstein, Bechburg sowie denjenigen, die steuerlich Lostorf angehörten. Der Einigungsvertrag regelte Fragen zu Burgrecht, der Leibeigenschaft, Steuer und Allmend und legte eine Bestrafung für Straumann, Sässeli und Löwenstein fest. Unter der Bedingung, in Zukunft keine der Stadt loyal gesinnten Untertanen zu verfolgen, gingen die Anführer der Aufstände straffrei aus.206
Die Unruhen in Solothurn schwelten noch einige Zeit weiter. Dabei hatten möglicherweise auch Stadtbürger, welche die Untertanen laut Klagen des Rats etwa in Aedermannsdorf aufgewiegelt haben sollen, ihre Hand im Spiel.207 In Plombières kam es im Juni (oder Anfang Juli) 1514 zu einem Treffen, an dem unter anderem der Berner Peter Dittlinger, der Luzerner Hans Ratzenhofer, Gerold Löwenstein und ein Kalbermatter aus Basel teilnahmen.208 Über den Inhalt dieser Zusammenkunft ist jedoch fast nichts bekannt, ausser dass man sich «mitt abuertigung der post bottenn zu(o) vnnsrenn vyenndenn gan Dysionn vnnd sundrenn practikenn» befasste.209 Sässeli war an diesem Treffen nicht anwesend. Er kehrte im Juli, nachdem er noch am 1. April mit Thoman Schmid von Olten nach Frankreich gezogen war, 210 nach Balsthal zurück. Danach begab er sich, offenbar ohne weiterhin für Frankreich zu agitieren, 211 ins Elsass, wo er im September 1514 aufgegriffen wurde. Um die Jahreswende 1515/16 kam er nach einem langwierigen Prozess in Ensisheim frei.212 Peter Dittlinger wurde im Anschluss an die Zusammenkunft in Plombières von der Basler Obrigkeit verhaftet.213 In einem Schreiben Berns an Basel vom 13. Juli nahm die Stadt die Verhaftung mit Befriedigung zur Kenntnis, teilte jedoch besorgt mit, «wie dann ein annschlag vorhanndenn».214 Im Juli und August verbreitete sich das Gerücht, dass 6000 Luzerner, Berner und Solothurner sich in Liestal versammeln wollten, um den ausstehenden Dijoner Sold eigenmächtig beim französischen König einzufordern.215 Ein Zusammenhang dieser Reden mit dem Treffen in Plombières ist sehr wahrscheinlich. Der zweite Dijonerzug kam jedoch nicht zustande. Obwohl es in der Folge auf der Solothurner Landschaft verschiedentlich zu Zusammenkünften der Untertanen kam (Olten, Härkingen), 216 beruhigte sich die Lage allmählich.217 Am 7. September erfolgte die Begnadigung von Ulrich Straumann.218 Löwenstein, der für eine Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Eidgenossenschaft und Frankreich lobbyiert hatte, fand an der Tagsatzung kein Gehör. Die eidgenössischen Boten erklärten, «dz der erberkeit in vnser löblichen Eydgnoschaft sölich verräterschen swer handlungen leid syent.»219 In einem Schreiben wandte sich Löwenstein deshalb am 17. Oktober 1514 an Schultheiss Niklaus Conrad und den Rat von Solothurn. Darin warnte er seine Heimatstadt, «das seltzam groß anschläg beschend uff ein eydtgnon».220 Nach weiteren Details bat