etlicher sprechen: ich tätt dorumb, domit ich heim käm, ist nit, an ich wär von gantzem hertzen gern heim; dann ein gu(o)t eydtgnoß wil ich ersterben unnd in sunderheit ein gu(o)tter Soloturner.»222 Die Tagsatzung lehnte sein Geleitsersuchen jedoch vorerst ab, 223 weshalb die Rückkehr nach Solothurn erst zwei Jahre später, im August 1516, gelang.224
5 Der Lebkuchenkrieg in Zürich
Zürich überstand die Ereignisse im Sommer 1513 relativ unbeschadet. Im Gegensatz zu den anderen drei Städten gelang es der Zürcher Obrigkeit, die militärisch-diplomatischen Verwicklungen in Oberitalien durch ein hohes Mass an innenpolitischer Integrationsfähigkeit aufzufangen. Christian Dietrich verweist hierfür auf die gradlinige Zürcher Aussenpolitik sowie auf eine – im Gegensatz zu den anderen Orten – geglückte Rückkoppelung problematischer Entscheidungen an die Haltung der Untertanen mittels Ämteranfragen.225
Bereits 1512 ging der städtische Rat gegen Auswüchse im Soldgeschäft vor (Stapfer-Prozess)226 und schritt 1512/13 entschieden gegen die französische Interessenpolitik ein. «Vor ettwas tagen», teilten Bürgermeister und Rat am 21. März 1513 den anderen Orten mit, «ist in vnser stat vilerleÿ red vsgangen, wie die Franzosen sondrigen personen ettlich sunnen kronen ingeantwurt vnd denen befolhen habent, sollich kronen vnder personen vnsers kleinen vnd grossen rates ouch der gemeind vszu(o)teilen vnd da mit zu(o)erlangen, das zwuschent dem franckrichisten kung vnd vnser loblichen Eidgnosschaft ein frid vnd bericht gemacht vnd dadurch vnser Eidgnosschaft knecht in des kungs dienst vffbra(e)cht».227 Der Rat fasste deshalb den Beschluss, «so(e)llicher handlung nach zegond», und verlangte, dass «so(e)llich practicieren, gelt geben vnd ne(a)men abgestelt werde».228 Nach Meinung der Obrigkeit war nämlich «zu(o) besorgen, das es vnser loblichen Eidgnosschafft zu(o) mindrung vnser eren, lobs vnd harkomens traffenlich dienen vnd mercklichen grossen widerwillen, vffru(o)r vnd zweytre(a)cht werd stifften, dem aber wir vnnsersteils gern vor sin vnd halten welten».229 Ihre Tagherren wies die Stadt an, dass sie mit der französischen Gesandtschaft «weder essen, trincken, och kein vererung von Inen nemen noch gar keinerley gmeinsamy mit ihnen haben» sollten.230 Zürich lehnte im März 1513 eine Geleitserteilung für die französische Gesandtschaft ab231 und liess im Juli im Grossmünster ein Verbot der privaten Pensionen beschwören.232 Die von der Obrigkeit eingeleiteten Untersuchungen «vff die vnru(o)w ouch das nachgon des frantzösischen geltz vnd der hoptlutten halb» wurden mit viel Aufwand betrieben und förderten umfangreiches Beweismaterial zu Tage.233 Selbst der Landvogt im Thurgau wurde damit beauftragt, entsprechende Untersuchungen anzustellen.234 Die Anstrengungen Zürichs wurden von den mit Frankreich verfeindeten Mächten, etwa vom mailändischen Gesandten, wohlwollend zur Kenntnis genommen.235 Zu Beginn des Jahres 1513 schienen die anti-französischen Kreise in Zürich die Zügel der Politik fest in der Hand zu halten.236
Im zeitlichen Umfeld der Schlacht von Novara blieb es ruhig auf der Zürcher Landschaft. Lediglich im Zusammenhang mit dem Zug der Eidgenossen nach Dijon meldeten sich die Untertanen mit dem sogenannten «Anbringen» zu Wort.237 Dieser von einer Delegation vermutlich mündlich vorgebrachte, harmlose Frage- und Klagekatalog umfasste ganz unterschiedliche Themenbereiche, etwa die Berücksichtigung der Landschaft bei der Besetzung von Unterführerposten oder die Modalitäten bei Soldauszahlungen und Kriegsentschädigungen. Zudem forderten die Untertanen ein Pensionenverbot und verlangten, dass das Reislaufen jedem freistehen müsse. Das Dokument schliesst mit der pauschalen Forderung, dass das alte Herkommen der Gemeinden garantiert werden soll. Diese Garantie wurde den Untertanen in einem Antwortschreiben zugesagt, wobei auch die anderen Punkte zur allgemeinen Zufriedenheit geklärt werden konnten.238 Erst die politisch-militärische Konstellation in der Eidgenossenschaft nach der Schlacht von Marignano am 13./14. September 1515 führte zu massiven inneren Spannungen in Zürich. Gegen 10 000 Eidgenossen, nahezu die Hälfte der für diese Kampagne angeworbenen Knechte, hatten insgesamt vor den Toren Mailands ihr Leben gelassen.239 Auch in Zürich war der Blutzoll ungewohnt hoch: Während der Stadtstaat nach der Schlacht von Novara 69 Gefallene zu beklagen gehabt hatte, handelte es sich bei Marignano um rund 800 Tote.240 Die Schuldigen für dieses Gemetzel waren rasch gefunden. «Nachdem nun die Eydgnossen so ubel zu Marian verloren hattend und mencklich umb die synen truwret», so Stumpf, «da ward allermeyst die schuld des verlürsts uff die tütschen Franzoßen gelegt».241 Es gibt in diesem Zusammenhang Anzeichen dafür, dass bei der Eskalation des Konflikts in Zürich auch auswärtige Mächte ihre Hände im Spiel hatten.
Unmittelbar nach der Niederlage in Marignano begannen die Friedensverhandlungen mit Frankreich in Genf. Doch anstatt den eidgenössischen Orten harte Friedensbedingungen zu diktieren, machte der siegreiche König dem unterlegenen Gegner – wohl mit Blick auf die eidgenössischen Söldnermärkte – grosszügige finanzielle und handelspolitische Angebote sowie weitgehende territoriale Zugeständnisse.242 Gleichzeitig verstärkte auch Maximilian I. seine Bemühungen um die Gunst der Eidgenossen, da er beabsichtigte, die Franzosen mit Hilfe eidgenössischer Söldner aus Mailand zu vertreiben. Aus diesem Grund schickte er seinen Rat Doktor Wilhelm von Reichenbach in die Eidgenossenschaft.243 Die gewünschte Allianz mit den Orten blieb jedoch aus. Möglicherweise veranlasste dieser Misserfolg die kaiserliche Diplomatie dazu, ihre Strategie zu ändern. An der Tagsatzung Mitte Dezember wurde der Vorwurf an die Adresse des Kaisers laut, sein Gesandter Reichenbach habe unter den Angehörigen von Zürich «etwas vffwysung gethan, das man vngezwifelt sye, sy sigent deß in sölich vnruw kommen.»244 Auch in Bern soll Reichenbach die Untertanen aufgewiegelt haben.245 Glaubt man dem Chronisten Schwinkhart, hätten dadurch die Friedensverhandlungen mit Frankreich torpediert werden sollen. Reichenbach, so Schwinkhart, «forcht der fryden wo(e)llte ein fürgang na(e)men vnd verschreyb deren von Zürych landtlüten, wie grosse betrugnus jn der Eydtgnoschaft wa(e)re, dardurch der künig jn Lompardy kommen wa(e)re vnd denen Eydtgnossen grossen schaden zu(o)gefüegt h(e)tte.»246 Auf diese Weise habe Reichenbach mit «denen worten vnd ander vil luginen» die Untertanen gegen die Obrigkeit aufgebracht.247 Sehr lebendig berichtet auch Bullinger von der negativen Stimmung gegen die pro-französischen Kreise: «Vnd alle die ÿe frantzo(e)sisch gewesen vnd vom ko(e)nig pensionen gehept, die wurdend gar ha(e)fftig gehassen vnd inen vil schuld dess verlursts ga(e)ben. Insonders schallt ÿederman die houptlüth […] vnd ward geredt, die Eÿdtgnossen werind von iren selbs lüthen verradten».248 Bereits wurden erste Namen angeblicher Verräter laut. Leute wie Caspar Bachli249 aus Zürich oder Albrecht vom Stein250 aus Bern hatten sich daraufhin wegen Kollaborations- und Korruptionsvorwürfen gerichtlich zu rechtfertigen. Die Verbreitung von Gerüchten und Anschuldigungen nahm dabei ein solches Ausmass an, dass sich die Tagsatzung gezwungen sah, unbegründete Verdächtigungen unter Strafe zu stellen.251
Die Zürcher Obrigkeit zeigte sich ob dieser Konfliktverschärfung verunsichert. Am 27. November wandte sich die Stadt mit der Frage an ihre Landschaft, ob man dem Genfer Friedens- und Bündnisentwurf zustimmen solle.252 Diese Rücksprache mit den Untertanen führte jedoch nicht zu einer Beruhigung, sondern zu einer Zuspitzung des Konflikts. In dieser Situation musste die Anfrage bezüglich des französischen Angebotes, das «den Eidgenossen ihre italienischen Ansprüche geradezu ‹abzukaufen› versuchte, wie einen Beweis für die ungeheure Wirkung des französischen Geldes auf die verantwortlichen Obrigkeiten und Hauptleute wirken, wie eine Antwort auf die brennende Frage, ob bei der Schuld an der Niederlage Korruption im Spiel war.»253 Die Untertanen erteilten den fremden Herren und ihren Bündnisangeboten eine Absage und verlangten von der Obrigkeit, dass «si irs vatters lands, lut der punden, was die zu(o) gebent, wo(e)llent acht haben».254
Am 6. sowie am 8. Dezember erliess der Rat erste Haftbefehle und leitete Ermittlungen gegen verschiedene Vertreter der militärischen Führung in Marignano ein. Es handelte sich dabei um Rudolf und Heinrich Rahn, Onoffrius Setzstab, Hans Haldenstein, Cornel Schultheiss und Clewi Kienast. Ihnen wurde der widerrechtliche Empfang von Pensionen und militärische Fehlleistungen vorgeworfen. Setzstab war bereits zu einem früheren Zeitpunkt verhaftet worden, kam damals jedoch gegen Kaution frei und musste nun zum zweiten Mal inhaftiert werden. Schultheiss und die Gebrüder Rahn flohen indessen vorzeitig