Pastoral für eine Kirche auf der Höhe des Konzils.
Hinweise für die eilige Lektüre
Jeder Autor wünscht sich Leserinnen und Leser, die er von der ersten bis zur letzten Seite zur Lektüre gewinnen kann. Aber angesichts des Angebotes, der Wichtigkeit so vieler Themen und der Kostbarkeit an verfügbarer Zeit kann das nur selten gelingen. Daher hier eine kleine Navigation für die Eiligen.
Denen, die vor allem praktisch-theologisch interessiert sind, empfehle ich als ersten Schritt die Lektüre einer der ‚dichten Beschreibungen‘ in Teil II, egal welcher. Man sieht hier, worauf alles zusteuert. Wie sich das begründet, worauf alles zusteuert, steht in Teil I. Hier empfehle ich v. a. die Lektüre der Kapitel 1 und 2 sowie 5.1 und 5.4.
Denen, die vor allem an der systematisch-theologischen Fundierung des hier gebotenen Ansatzes der Pastoral interessiert sind, empfehle ich ebenfalls die Lektüre einer Milieubeschreibung aus Teil II (aus obigem Grund) und dann die Kapitel 1 bis 5.1. Eventuell ist wichtig wahrzunehmen, dass man im Zuge eines ethnologischen Projektes in die mittlere Theoriereichweite pluralen Denkens einsteigen muss: Diesen Schritt leistet 5.2.
Den vor allem phänomenologisch an Milieus Interessierten empfehle ich zum Einstieg des theologischen Anliegens das Kapitel 1 und dann einfach den kompletten Teil II.
Ein wichtiger Hinweis für alle: Immer wieder wird vor allem in Teil II das bekannte Milieuhandbuch (HB) zitiert, und zwar in der Fassung, die die Medien DienstleistungsGmbH kostenlos zum Download verfügbar macht. Dieser Download wird sehr empfohlen, um parallel hierin lesen, Bilder ansehen und die Belege nachvollziehen zu können. Googeln Sie ‚download mdg milieuhandbuch‘, dann werden Sie zum richtigen Link geleitet.15
Zuletzt sei noch darauf verwiesen, dass das Buch auch eine geistliche Herausforderung aufwirft: Diese wird mit einem, wie ich finde, sehr beeindruckenden kleinen Text im Schlussabschnitt eingespielt.
1 Camus 1988 (zuerst 1950): 35; ebd. die zwei folgenden Zitate. Camus spricht hier im engeren Sinn von den großen toskanischen Meistern wie Piero della Francesca, Giotto di Bondone oder Cimabue.
2 Ebd.: 39.
3 Ebd.: 44.; insgesamt zu Camus vgl. Pieper 1994. Auch Bauer 2010: 773 meint für die Theologie: „Vielleicht sollten wir heute insgesamt wieder mehr Camus lesen.“ So sieht es auch Pröpper 2012: 36–42, denn: „Soweit Camus. Dass seine Position mich in vieler Hinsicht fasziniert, will ich gar nicht verleugnen. Kaum jemals wurde das Glück, das im Vollzug der menschlichen Freiheit liegen kann, auf eindringlichere Weise gefeiert“ (ebd: 40).
4 Pollack / Rosta 2011: 79 f.
5 Vgl. nur Bucher 2004: 19.
6 Einen Überblick über aktuelle Ansätze der Pastoraltheologie liefern Heft 2/2000 der Pastoraltheologischen Informationen; das Heft 1/2011 der ‚Lebendigen Seelsorge‘; sowie neuerdings Mette 2012.
7 Vgl. ausführlich Eberhard Jüngels Überlegungen zur ‚Menschlichkeit Gottes‘ in ders. 1992: 409–543 (z. B. 411. 543).
8 Camus 1988: 35.
9 Vgl. Hans-Urs von Balthasar 1988: 413–449; sekundär dazu Sellmann 2007b.
10 Ein kurzes Wort zur Begrifflichkeit: Im Buchtext wird immer wieder einmal von den ‚Leuten‘ gesprochen. Manchen erscheint dieser Terminus als Abwertung: Kirche müsse doch von den ‚Menschen‘ sprechen. Eine Abwertung ist hier keinesfalls gemeint. Vielmehr ergibt sich als sprachliche Aufgabe, von einer meist integral und normativ angelegten theologischen Sprechweise (‚der Mensch‘, das ‚Wesen der Kultur liegt in …‘ usw.) in eine deskriptive und plurale Perspektive der Soziologie wechseln zu können. Der Begriff ‚die Leute‘ ist unverdächtiger, konkrete kulturelle Subjekte auf ihr ‚eigentliches‘ Menschsein hin zu adressieren, was für eine hier zu entwickelnde pastoraltheologische Ethnologie nicht viel austrägt. Die ebenfalls möglichen Bezeichnungen ‚Subjekte‘ oder ‚Personen‘ klingen ebenfalls recht abgehoben und philosophisch durchtränkt. Daher der Begriffsgebrauch ‚Leute‘. Er spielt das ein, worum es hier geht: deren bürgerliche Existenz, ihren Alltag, ihre Normalität – Leute eben. Ein Vorbild dieses Sprachgebrauchs liefert der instruktive Text der EKD ‚Das Evangelium unter die Leute bringen‘ (vgl. EKD 2000).
11 Vgl. nur Ebertz / Hunstig 2008 sowie neuerdings Sellmann / Wolanski 2013.
12 Das anschauliche Bild stammt von Georg Simmel (1998 [zuerst 1903]: 195), dem Begründer der Kultursoziologie in Deutschland. Von ihm stammt der methodische Tipp, „dass sich von jedem Punkt an der Oberfläche des Daseins, so sehr er nur in und aus dieser erwachsen scheint, ein Senkblei in die Tiefe der Seele schicken lässt, dass alle banalsten Äußerlichkeiten schließlich durch Richtungslinien mit den letzten Entscheidungen über den Sinn und Stil des Lebens verbunden sind.“ Auch Wippermann 2011: 204 orientiert sich an dieser methodologischen Anweisung.
13 Bei aller Problematik sozialen Verstehens, die die Kultursoziologie ja selber stärker betont als etwa jede pastorale Theologie.
14 Zu Beginn jedes Milieuporträts sind hierzu einleitende, leicht zugängliche Literaturhinweise angegeben. Vgl. grundsätzlich: www.sinus-institut.de/loesungen/sinus-milieus.html; www.delta-sozialforschung.de/delta-milieus/delta-milieus/delta-milieusr/; www.milieus-kirche.de/.
15 http://www.mdg-online.de/leistungen/mdg-milieuhandbuch/mdg-milieuhandbuch-download.html (Zugriff August 2012).
1 Die Entdeckung des Kontextes, oder:
Eine Kirche auf der Höhe des Konzils
ist auf der Höhe der Leute
Während der Beratungen über die Vorlagen zur späteren Pastoralkonstitution ‚Gaudium et spes‘ kommt es in der Aula des Zweiten Vatikanischen Konzils am 1. Oktober 1964 zu einem folgenreichen Eklat. Erzbischof Marcel Lefebvre hält farbige Umschläge hoch und richtet eine Anfrage an den Konzilssekretär Pericle Felici: „Welche Autorität haben diese Heftchen für das Konzil?“ Der Sekretär antwortet spontan noch am selben Tag: „Diese Dokumente sind mehr privater Natur.“ Was heißen soll: Wer sie denn beachten möchte, kann das tun – wer nicht, der nicht. Richtig wichtig sind andere Texte; die hatte man ja auch schon länger vorher ausgeteilt, und die waren ja auch in weiße Umschläge eingetütet worden.
Auf diese Bewertung hin entbrennt eine stürmische Diskussion. Der Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander als Kommentator von Gaudium et spes vergleicht die Situation mit einem Wespennest, in das Felici hineingestochen hatte.16 Denn zum einen erfuhren natürlich jene Väter und Theologen, die hart an den farbigen ‚Heftchen‘ gearbeitet hatten, eine Entwertung genau jener Mühen. Die Äußerungen Lefebvres und Felicis hatten die Dokumente mit jenen Flugblättchen vergleichbar gemacht, die rund um die Konzilsaula kursierten und die tatsächlich oft genug nicht ernstzunehmen waren. Zum anderen aber ging es um eine prinzipielle, sozusagen theologiearchitektonische