welche Methoden und Strategien sie anwenden und wie sich organisieren.
Für die Bewertung zählt der gesamte Lernforschritt der Gruppe, nicht die einzeln erreichte Punktzahl. X hat beim ersten Test 9 Punkte erreicht und macht in der zweiten Lernkontrolle 12 Punkte. Damit hat er oder sie 3 Punkte für die Gruppe erbracht. Mit diesem Vorgehen wird der Lernfortschritt bewertet. Die beste(n) Gruppe(n) wird/werden bestimmt und die Reflexion über erfolgreiche Strategien und Vorgehensweisen runden die Lerneinheit ab.
4.3Die komplexe Instruktion nach Cohen
Die komplexe Instruktion ist eine Unterrichtsstrategie, die auf zwanzigjähriger Forschung basiert und von der Soziologin Elizabeth Cohen an der Stanford University in Kalifornien entwickelt wurde (Cohen 1993). Bei der komplexen Instruktion kreist jede kooperative Lerneinheit um eine zentrale Idee (big idea), die sich in einer komplexen Fragestellung spiegelt, wie z.B. Warum wandern Menschen? oder Wie funktioniert Kommunikation? Komplex bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Problem nicht auf einem einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang beruht. Vielmehr gibt es verschiedene Gründe und Möglichkeiten des Umgangs mit der gestellten Aufgabe oder dem formulierten Problem sowie unterschiedliche Vorgehens- und Lösungsvarianten.
Nach einführenden Aktivitäten (Grundlagenwissen erarbeiten, Regeln und Muster aufzeigen, einen Museumsbesuch durchführen etc.) folgt eine kooperative Lernphase. Die speziellen Aufgaben der einzelnen Gruppenmitglieder werden bei der komplexen Instruktion durch die Übernahme einer der Aufgabenstruktur angemessenen Rolle (Kapitel 3.6) strukturiert. Materialien sind pro Gruppe nur einmal vorhanden. Es ist wesentlich, dass alle ihr Wissen in die Gruppe einbringen und notwendige Informationen beisteuern. Der Auftrag und die Zielerreichung muss verhandelt und von allen Beteiligten verstanden und nachvollzogen werden. Von Anfang an muss interagiert werden. Jede Gruppe ist als Team für die Präsentation verantwortlich und steht zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung.
Abbildung 5: Beispiel eines Gruppenauftrages im Rahmen komplexer Instruktion
Für jede Gruppe (ideale Gruppengröße: fünf Mitglieder) ist ein eigener Arbeitsauftrag zu formulieren. Die Gruppenaufträge unterscheiden sich in der dritten Teilaufgabe, der Überführung der Inhalte in ein bestimmtes Produkt. Damit die Präsentation dieser Produkte möglichst reibungslos verläuft, ist die Reihenfolge der Gruppen bereits festgelegt (Nummer am rechten oberen Rand des Arbeitsauftrages, Abbildung 5). Der schriftlich formulierte Gruppenauftrag ist immer nach demselben Prinzip aufgebaut:
4.4Aufbau eines Gruppenauftrags (komplexe Instruktion)
Teilauftrag 1 (Vorwissen aktivieren)
Die erste (und zweite) Aufgabe ist für alle Gruppen gleich. Sie führt ins Thema ein, holt Vorwissen ab, ermöglicht Austausch und lässt alle zu Wort kommen. Für diese Phase eignet sich z.B. die Taktik Platzdeckchen (S. 28).
Teilauftrag 2 (Inhaltskarte: zu erlernendes [Fach-]Wissen)
In einem zweiten Schritt befasst sich die Gruppe mit einer von der Lehrperson gestalteten Inhaltskarte. Eine Inhaltskarte stellt auf ein bis zwei Seiten das Wesentliche zum Thema dar und dient der Wissenserweiterung. Ist etwas neu für die Gruppe? Welche Fragen wirft die Inhaltskarte auf? Diskursiv einigt sich die Gruppe auf zentrale Inhalte und Aussagen zur gestellten Frage.
Teilauftrag 3 (Anwendung, Umsetzung, Transfer und Synthese)
In der letzten Phase der komplexen Instruktion soll das bisher erarbeitete Wissen zur Anwendung kommen. Es geht um den Transfer von Wissen, es geht um eine Syntheseleistung. Im Gegensatz zu den ersten zwei Schritten unterscheidet sich die dritte Aufgabenstellung für jede einzelne Gruppe, indem diese unterschiedliche Zugänge ermöglicht. Zum Thema Kinderrechte kann zum Beispiel von einer Gruppe ein Hörspiel geschrieben oder ein Plakat gestaltet und von einer anderen ein Interview oder ein Gespräch am Kaminfeuer erarbeitet werden.
5Wo beginnen, was tun? Hinweise und Impulse für die Praxis
Kooperatives Lernen ist zwar ein anspruchsvoller Ansatz, aber einer mit Perspektiven. Grundlegend für die Qualität ist das Bewusstsein vom Beziehungsgeflecht zwischen Status und Fähigkeiten der Lernenden, dem Arbeitsauftrag, den Prozessen und der Dynamik der Lerngruppen sowie den Interventionsmöglichkeiten durch den Dozenten oder die Dozentin. Die Vorbereitung von kooperativen Lerneinheiten ist eine Herausforderung. Lehrende müssen eine komplexe Aufgabenstellung formulieren, die die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Lernenden möglichst berücksichtigt. Kooperatives Lernen verlangt nach Know-how, wie Gesprächsfertigkeiten, kooperatives Verhalten und soziale Kompetenzen unterstützt und eingeübt werden können. Dazu gehört auch die Kompetenz, die Interaktion zu managen, indem Dozierende z.B. durch gezielte Fragen und Feedbacks weiterhelfen. Die Fähigkeit zur Beobachtung von Interaktion ist wiederum Voraussetzung für eine lernförderliche Anleitung zur Prozessreflexion. Zudem braucht es Wissen und Erfahrung, wie Lernen gelernt wird. Getragen wird der Prozess des Kooperativen Lernens von einer Grundhaltung der Dozentin oder des Dozenten, die die Delegation von Autorität und den Verzicht auf ein Wissensmonopol an die Studierenden zulässt.
Für Lehrende bedeutet die Einführung des Kooperativen Lernens daher zunächst mehr Einsatz an Arbeitszeit: Bereits bestehende Strukturen von Lehrveranstaltungen müssen neu konzipiert werden. Auch deshalb ist zu empfehlen, zunächst einzelne Phasen mit Elementen des Kooperativen Lernens zu versehen wie etwa kurzen Gruppenarbeiten und genau festgelegten Fragestellungen. Einzelne Taktiken wie das «Denken – Austauschen – Vorstellen» (S. 31 f.) oder die Methode Placemat (S. 28) lassen sich ohne großen Aufwand einbauen und ermöglichen erste gemeinsame Reflexionen über Lernen durch Zusammenarbeit. So können sich Lehrende und Studierende auch an das Vorgehen gewöhnen. Je nach Stand der Studentinnen und Studenten müssen auch auf Tertiärstufe Kompetenzen und Strategien für Kooperatives Lernen fokussiert und weiterentwickelt werden.
Der Mehrwert durch Kooperation im Vergleich zum selbstgesteuerten Lernen muss den Lernenden nicht nur bekannt sein, der darin enthaltene Sinn muss von ihnen vielmehr erkannt und nachvollzogen werden. Die Lernenden erfahren und reflektieren, dass eine komplexe Aufgabe unterschiedliche Fähigkeiten erfordert, und erkennen, wie wertvoll das unterschiedliche Können und Wissen jedes Gruppenmitgliedes ist. Geeignete Übungen finden sich z.B. bei Stanford (1998). Durch zunehmend anspruchsvollere, komplexere und länger dauernde kooperative Lerneinheiten (Planspiel oder Forschungsorientiertes Lernen) kristallisieren sich notwendige soziale und kommunikative Fähigkeiten heraus, die während der Gruppenarbeit fokussiert und im Anschluss reflektiert werden.
5.1Zur Planung
Bei jeder kooperativen Lerneinheit wird bei der Planung und Durchführung auf die beschriebenen acht zentralen Elemente für effektive Kooperation geachtet. Die Dozentin oder der Dozent befragt sich regelmäßig selbst:
➤Wie gut sind meine Fragestellungen? Welche Lernzielebene (Einleitung, Lernzieltaxonomie nach Bloom, S. 15) ist damit verbunden?
➤Eignet sich das Thema für eine Kooperative Lerneinheit?
➤Welche Art von Rückmeldung gebe ich? Wie überprüfe ich, ob meine Arbeitsanweisungen verstanden wurden?
➤Wie stelle ich die Lerngruppen optimal zusammen? Je nach Vorhaben und Zielsetzung sind bei der Gruppenzusammensetzung folgende Faktoren (mit ihren Konsequenzen und Bedeutungen für die Studierenden) zu bedenken:
➤die Größe der Gruppe (meist wird eine Gruppengröße von vier bis sechs Personen empfohlen);
➤wer die Zuteilung der Gruppenmitglieder