Heinz Bachmann

Hochschullehre variantenreich gestalten


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      Nach der Klärung von sachlichen Fragen werden die einzelnen Ergebnisse diskutiert. Es wird zum Beispiel ausgehandelt, welches die wichtigsten Kennzeichen wissenschaftlichen Arbeitens sind. Gleichzeitig gilt es, die individuellen Beiträge nicht nur zu analysieren, sondern auch zu synthetisieren, indem zum Beispiel ein Oberbegriff gefunden werden muss, der unterschiedliche Teilaspekte inte­griert. Diese werden in der Mitte festgehalten.

      D Alle: Präsentation

      Während der Präsentation der Ergebnisse können diese den anderen Gruppen vorgestellt werden und die Dozentin, der Dozent und alle Studierenden kommentieren, verknüpfen und diskutieren die Ergebnisse. Variante: Die einzelnen Placemats wandern von Gruppe zu Gruppe und werden gegengelesen. Mit einem Haken zeigt die Gruppe ihr Einverständnis. Ein Minuszeichen bedeutet Ablehnung. Mit einem Fragezeichen werden Unklarheiten gekennzeichnet. Danach werden die Placemats aufgehängt und wie in einer Galerie einzeln betrachtet, kommentiert und diskursiv verglichen.

      3.3Austausch im Dialog

      Mit Austausch im Dialog ist keine Konversation gemeint wie sie beispielsweise beim Smalltalk an Partys üblich ist. Kooperation, die auf Austausch im Dialog beruht, verlangt gewisse Fertigkeiten und Fähigkeiten. Das Spektrum reicht «von gutem Zuhören und taktvollem Verhalten über das Ausfindigmachen von Übereinstimmungen bis hin zum geschickten Umgang mit Meinungsverschiedenheiten oder der Vermeidung von Frustration in schwierigen Situationen» (Sennett 2012, S. 19). Für all diese Teilkompetenzen gibt es eine Bezeichnung, die der «Dialogfähigkeiten» (ebd., S. 19).

      Eine Quelle des Dialoggedankens ist Sokrates. Ihm ging es um das direkte Gespräch, in dem das Wissen des Gesprächspartners an die Oberfläche zu holen ist. Im Diaolog geht es um die Aufmerksamkeit und das Interesse für andere. «Menschen, die nicht beobachten, können auch keine Gespräche führen» (ebd., S. 29). Beobachten und die Fähigkeit, Fragen zu stellen, sind wesentlich für einen Dialog. Zuhören wiederum «erfordert eine Reihe anderer Fähigkeiten. Hier gilt es, genau darauf zu achten, was andere sagen, und es zu interpretieren, bevor man antwortet, und zwar die Gesten und Sprechpausen ebenso wie das explizit Gesagte. Obwohl wir uns möglicherweise zurück­halten müssen, um beobachten zu können, wird das Gespräch dadurch reicher, kooperativer, dialogischer» (ebd., S. 29). Fähigkeiten zur Mitgestaltung eines Dialogs unterstützen das gemeinsame Lernen, sie ermöglichen verbindliche Abmachungen und Entscheidungen mit hoher Akzeptanz. Nach Bohm (1998) können im Dialog die Erfahrungs- und Lebensgeschichten der Teilnehmenden erkundet werden. Daraus entsteht zugleich ein tieferes Verstehen der Dialogpartner untereinander, ebenso wie des besprochenen Sachzusammenhangs. Zudem eröffnet sich die Möglichkeit, Standpunkte und Haltungen zu überdenken. Die Grundfrage beim Dialog lautet: Was tust/denkst du da, und wie kommst du dazu, das … so zu verstehen, wie du es tust?

      Diese Frageform gewährt Raum und Zeit zur Annahme dessen, was jetzt wirklich bedeutsam ist, und fordert nicht zur Beurteilung und Bewertung heraus. Eine Anlage, die sich für den Austausch im Dialog eignet, ist zum Beispiel die Taktik Inside-Outside-Circle (Konrad & Traub 2001, S. 85, Stichwort Kugellager).

      Wie der Name dieser Interaktionsform anzeigt , stellen sich die Lernenden zu zwei realen Kreisen formiert – einander zugewandt – auf. Damit immer wieder ein neues Gegenüber für den dialogischen Austausch zur Verfügung steht, drehen sich entweder die Lernenden des Außen- oder aber des Innenkreises um eine oder zwei Positionen. Zu einer Frage können sich Studierende jeweils mit mehreren anderen Interaktionspartnern und -partnerinnen austauschen, oder aber mit jeder Drehung des Außen- oder Innenkreises erfolgt eine neue Fragestellung. Ohne Druck findet so Aktivierung und Involvierung der Lernenden statt. So gestaltetes dialogisches Denken hilft auch gegen Blockaden. Im Dialog werden weniger Argumente ausgetauscht als vielmehr Horizonte eröffnet. Dazu gehört die Kommunikation über Mehrdeutigkeiten ebenso wie die Einsicht, dass «der Konjunktiv Raum für Experimente» (Sennett 2012, S. 40) ermöglicht. Grundlegendes wie auch weiterführende Gedanken und konkretisierende Beispiele zum Dialog, dem «Miteinanderdenken», finden sich bei Hartkemeyer, Hartkemeyer & Freemann (1999).

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      Abbildung 2: Inside-Outside-Circle (S. 28, Quelle: http://pketko.com/Unit%20Design/popups/instructtactics.htm)

      3.4Direkte Interaktion

      Das Lernen, das Aushandeln, die Kontroverse (Da bin ich anderer Meinung …) und der dialogische Austausch sind beim Kooperativen Lernen wesentlich. Die Lernsituation muss Möglichkeiten zu vielfältiger Interaktion bieten. Das Ausmaß an Interaktivität ist hierbei nicht einfach an der Häufigkeit der Interaktionssequenzen zu messen, sondern der Beitrag der einen sollte auch einen Einfluss auf die folgenden Beiträge der anderen auslösen. Das, was es zu tun gibt, muss ein Miteinander und ein Voneinanderlernen durch gegenseitiges Verhandeln nötig machen. Die Aushandlungsprozesse über die Art und Weise des Miteinanders im Sinne einer bestimmten Aufgabe wie Wie wollen wir vorgehen? Lasst uns doch erst einmal unsere Fragen zum Text gegenseitig vorstellen, und dann diskutieren wir die für uns zentralen Probleme! spiegeln dieses Wirkungsanliegen wieder. Die direkte Kommunikation und Interaktion hängt wesentlich von der Aufgabenstellung und deren Formulierung ab. Geeignet sind Aufforderungen wie ‹Vergleicht …›, ‹Beurteilt gemeinsam …›. Durch Austauschen und Aushandeln erreichen Lernende eine höhere kognitive Ebene (Bloom’sche Taxonomie). Sie bewerten, analysieren oder führen zusammen. Sie verstehen etwas und können es in neue Zusammenhänge übertragen.

      Lernende brauchen Zeit, um ihre eigenen Ideen zu formulieren. Sie müssen ihren selbst gefundenen Standpunkt verteidigen, und sie müssen erklären können. Wie aus der Kognitions- und Gedächtnisforschung bekannt, hat dieser Vorgang besonders günstige Effekte für die Erklärenden. Das Vorentlasten (z.B. durch ein vorgelagertes Lehrgespräch oder Illustrationen) ungewöhnlicher Begriffe und Gedankengänge eines neuen Konzeptes sowie das Übertragen von Wörtern, mathematischen Gefügen oder Textstellen in eine Sprache, die den Studierenden vertraut ist, bieten nötige Grundlagen für nachfolgende Erklärungs- und Aushandlungsprozesse.

      Eine der einfachsten Taktiken mit der Bezeichnung «Denken – Austauschen – Vorstellen» (Green & Green 2007, S. 130) strukturiert auf simple Art und Weise die Vernetzung von Wissen und fördert die Interaktion und Kommunikation. Wenn die Lerngruppe ihre Perspektiven austauscht, kann jedes Mitglied ein Problem unter mehreren Aspekten kennenlernen. Vergleichen, Erklären und Nachfragen sind Voraussetzungen für Verstehensprozesse, die durch die Interaktion ermöglicht werden. Dadurch, dass sich mehr Betrachtungsweisen und Lösungswege ergeben, kann Wissen langfristig erhalten bleiben. In ihrer Einfachheit kann diese Taktik als eine Art Muster für Kooperative Lernprozesse gelten.

      Denken – Austauschen – Vorstellen (think – paire – share)

      A Denken

      In einer individuellen Phase machen sich die einzelnen Lernenden allein Gedanken zur gestellten Aufgabe (z.B.: Welche Vor- und Nachteile beinhaltet Kooperatives Lernen?) und aktivieren somit ihre Vorerfahrungen und ihr Vorwissen. Die Dozentin, der Dozent gibt dafür genügend Zeit.

      B Austauschen

      In einer anschließenden kooperativen Phase (zu zweit oder in Kleingruppen) werden die Einzelbeiträge ausgetauscht. Alle kommen zu Wort. Der Vergleich von Ergebnissen und die Diskussion abweichender Resultate fördert die Vernetzung von Wissen. Gleichzeitig findet in einfacher Form «Lernen durch Lehren» statt. Die notwendige Diskussion einzelner Zwischenschritte kann zur Erfüllung einer komplexeren Aufgabenstellung beitragen.

      C Vorstellen

      In der letzten