abzielt. Studierendenzentriertes Lernen erfordert eine Befähigung der einzelnen Lernenden sowie neue Lehr- und Lernansätze, wirksame Unterstützungs- und Beratungsstrukturen und auf allen drei Stufen Curricula [bachelor, master, doctorate], die verstärkt auf die Lernenden ausgerichtet sind … Wir fordern die Hochschulen auf, der Verbesserung der Qualität der Lehre in den Programmen aller Stufen besondere Beachtung zu schenken (S. 3).
Dieser Forderung nach neuen Lehr- und Lernansätzen sowie der Förderung der Qualität der Lehre will dieses Buch nachkommen. Kompetenzorientierte Hochschullehre zu gestalten, bedeutet, dass die Studierenden immer wieder Gelegenheit erhalten müssen, ihr Wissen anwenden zu können. Das bedingt eine Neuausrichtung in der Hochschullehre. Das Format der traditionellen Vorlesung wird mehr und mehr ergänzt durch Lernarrangements, die den Studierenden erlauben, sich aktiv ins Unterrichtsgeschehen einzubringen. Wie solche Lernarrangements aussehen können, wird in diesem Buch diskutiert. Die Autoren und Autorinnen versuchen dabei immer wieder, auch Bezüge zwischen der beschriebenen Methode und lerntheoretischen Überlegungen herzustellen.
Aktivierende Unterrichtsmethoden
Ich höre und vergesse. Ich sehe und erinnere. Ich tue und verstehe.
Konfuzius (551–479 v. Chr.)
Im Hauptteil dieses Bandes stellen verschiedene Autorinnen und Autoren Methoden vor, wie die oben genannten Forderungen nach Handlungsfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Forschungsorientierung, Arbeitsweltorientierung, Wissensorientierung und Kooperationsfähigkeit eingelöst werden können. Zur Sprache kommen dabei:
➤Kooperatives Lernen
➤Problem-Based Learning
➤Forschungsorientiertes Lernen
➤Simulation Games
➤Projektstudio
➤Problembasiertes Praktikum
➤Überfachliche Kompetenzschulung
➤Großgruppenveranstaltungen
➤Best-practice-Beispiele
Der zweitletzte Punkt mag erstaunen – Großgruppenveranstaltungen oder, allgemeiner formuliert, Vorlesungen sind in der letzten Zeit etwas in Verruf geraten. Sie gelten gerade nicht als handlungsorientiert. Tatsache aber ist, dass noch viele Dozierende vor der Herausforderung stehen, große Gruppen von Studierenden gleichzeitig zu unterrichten. Des Weiteren gilt, dass Fachwissen durchaus in Vorlesungen effizient einer größeren Anzahl von Studierenden nähergebracht werden kann. Großgruppenveranstaltungen eignen sich auch, den Studierenden einen Überblick über ein Fachgebiet zu geben oder sie für ein Fach zu begeistern durch einen mitreißenden Experten, der von seinem Fach überzeugt ist. Die Vorlesung hat als eine Methode unter anderen nach wie vor ihre Berechtigung. Darum wurde ganz bewusst auch dieses Lehrformat in diesen Band integriert (Beitrag von Johannes Breitschaft und Rita Tuggener zu Großgruppenveranstaltungen).
Gegen den Schluss des Buches zeigt der Herausgeber dieses Bandes, wie Preisvergaben für gute Lehre an Hochschulen vermehrt auch als Ressource genutzt werden können, den Unterricht variantenreicher zu gestalten. Dozierende können sich inspirieren lassen von spannenden Lernarrangements anderer Dozierenden. Unter der Überschrift «Zündende Ideen» wird eine Website des Zentrums für Hochschuldidaktik an der Pädagogischen Hochschule Zürich vorgestellt, die prämierte Lehrveranstaltungen an verschiedenen schweizerischen Hochschulen einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht. Hier wird auch aufgezeigt, was aus Sicht von Studierenden und der Forschung einen guten Dozenten oder eine gute Dozentin ausmacht. Aus diesen Erwartungen lassen sich direkt Rückschlüsse für die Gestaltung von Lernarrangements an Hochschulen ziehen.
Im Beitrag von Christian Adlhart zum problembasierten Chemie-Grundlagenpraktikum wird das Menschenbild der Dozierenden über die Studierenden thematisiert. Dieses Beispiel illustriert eindrücklich, dass es bei der Neuausrichtung in der Lehre nicht nur um methodisches Handwerk geht, sondern zentral eben auch um Einstellungsänderungen bei Dozierenden und Studierenden. Das Resultat der Bemühungen darf sich sehen lassen: Orientiert sich die Lehre an den Bloom’schen Taxonomiestufen (siehe hier), erbringen die Studierenden plötzlich viel anspruchsvollere Leistungen als im herkömmlichen Laborpraktikum. Dieser Mehrwert hat allerdings auch seinen Preis: Statt zwei Dozierenden sind nun plötzlich sieben in das Unterrichtsgeschehen involviert. Dies ist übrigens nicht untypisch für diese neuen Lernformen. Die Dozierenden haben oft nicht weniger, sondern eher mehr zu tun, was ja auch vertretbar ist, wenn dadurch ein Mehrwert erzeugt wird. Dabei verschiebt sich die traditionelle Rolle des Dozierenden vom Stoffvermittler in Richtung eines Coachs, Beraters und Organisators von Lernarrangements. Für Interessierte sei an dieser Stelle auf «Zwischen Beraten und Dozieren» (Thomann et al. 2011), den zweiten Band dieser Buchreihe, hingewiesen.
Mehrwert von aktivierenden Methoden auch beim Schulen des Denkens
Es ist nicht genug, einen guten Kopf zu haben; die Hauptsache ist, ihn richtig anzuwenden.
René Descartes (1596–1650)
Ein zentrales Anliegen in jedem Studienfach ist die Fähigkeit, das kritische Denken zu schulen. Neugier, die Dinge zu hinterfragen, Sachverhalte zu analysieren und kreativ neue Ideen zu entwickeln, gehören zu den Kernkompetenzen jeder Fachrichtung. In der Sprache des Erziehungswissenschaftlers Benjamin Bloom (1913–1999) geht es dabei um das Rezipieren, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Erschaffen und Beurteilen von Sachverhalten. In Abbildung 1 sind mögliche verschiedene Ebenen des Denkens beim Lernen illustriert, so wie Bloom sie in seiner berühmt gewordenen Taxonomie beschrieben hat.
In Vorlesungen wird oft nur das Denken auf den untersten Ebenen der Taxonomie – Memorieren und Verstehen – geschult. Bei den in diesem Buch vorgestellten Methoden können, wenn richtig angewendet, zusätzlich die oberen Ebenen der Taxonomie involviert werden.
Die Autorin Petra Hild geht der Frage nach, wie Kooperatives Lernen an Hochschulen aussehen kann. Sie zeigt, dass die Anwendung dieser Methode weit über die allgemein praktizierte Gruppenarbeit hinausgeht. «Jede/r kann etwas gut und niemand ist gut in allem» ist eine zentrale Prämisse. In der gemeinsamen Arbeit wird auch das lerntheoretisch begründete Aushandeln und Abgleichen individueller Lernkonstruktionen gefördert.
Der Autor Claude Müller Werder thematisiert das problembasierte Lernen (PBL). Studierende bearbeiten authentische Fragestellungen und erhalten so die Möglichkeit, Problemlösestrategien und Wissenserwerb in möglichst realen Kontexten zu erarbeiten und damit die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu verringern.
Die Autorinnen Christine Bieri und Esther Kamm sowie der Autor Reto Luder zeigen, wie forschungsorientiertes Lernen an einer pädagogischen Hochschule aussehen kann. Abhängig vom gewählten Forschungstyp werden die verschiedenen Stufen der Bloom’schen Taxonomie abgedeckt. Erfahrungen zeigen, dass dieses Lernsetting vermehrt auf Autonomie und Selbstverantwortung bei den Studierenden setzt. Zusätzlich wird klar, dass ein solches Vorgehen auf Kosten der Breite in die Tiefe geht. Nicht das oberflächlich-additive «Abarbeiten» vereinzelter und als kleine Einheiten konzipierter «Module» ist gefragt, sondern eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema über einen längeren Zeitraum.
Bei der Planspielmethode geht es zum Beispiel darum, vernetztes Denken mit mehreren Variablen im System zu üben. Dabei werden Systeme analysiert und relevante Variablen identifiziert und evaluiert. Neben dem Spielen entsprechender Spiele können Studierende auch angehalten werden, selbst Planspiele zu entwerfen. Geschieht das, haben wir die höchste Stufe der Bloom’schen Taxonomie – das Gestalten – erreicht. Ein zusätzlicher Gewinn resultiert aus der Tatsache, dass beim Spielen auch Gefühle angesprochen werden, was für nachhaltiges Lernen von zentraler Bedeutung ist (Beitrag von Willy Kriz).
Abbildung 1: Bloom’sche