ist eine neue Lücke entstanden, eine Lücke zwischen der Berufslehre und der Ingenieurausbildung. Eine Lücke, die seit 1970 durch die «Technikerschulen» geschlossen wird, die ihrerseits seit 1978 zusammen mit anderen Schulen auf gleichem Niveau als «Höhere Fachschulen» bezeichnet werden.
Berufsbildung an Hochschulen
«Gute Studentinnen und Studenten studieren ein Fach, weil sie es interessant finden, nicht um damit ihre Brötchen zu verdienen.» Diese Behauptung traf wohl bis weit ins 20. Jh. hinein für manche Studierende zu und hat für einige Fakultäten immer noch seine Richtigkeit. Aber «schon immer» gab es neben den «artes liberales» auch die «artes mechanicae», die im Hinblick auf deren Anwendung im Erwerbsleben studiert wurden, zum Beispiel Medizin und Jurisprudenz.
Seit der Aufklärung, seit die Bedeutung von «Wissen» für die Bewältigung der täglichen Aufgaben immer wichtiger wird, nimmt die Zahl der Berufe zu, die an Hochschulen erlernt werden, und es entstehen neue Hochschulen. Ein Beispiel ist die 1855 gegründete «Polytechnische Hochschule», ab 1911 als Eidgenössische Technische Hochschule bezeichnet.
Aus Höheren Fachschulen werden Hochschulen
Ein grosser Schub in dieser Entwicklung findet in den 1990er-Jahren statt: Wie oben erwähnt, werden gewisse Höhere Fachschulen und die Lehrerbildungsanstalten zu Hochschulen.
Wie es Deutschland bereits 1968 entschieden hatte, beschliessen 1991 der Bund und die Kantone, aus Höheren Fachschulen eine neue Form von Hochschulen zu bilden, die Fachhochschulen. Anlass dafür sind Vorstösse seitens der Technika, Diskussionen in der Europäischen Gemeinschaft um Angleichung der Abschlüsse, Kritik der OECD und weitere «internationale Bezüge» (Gonon 1998). Anlass sind zudem der Rückgang der Zahl der Lehrverträge nach 1985 (siehe hier) und der Nachwuchsbedarf der Wirtschaft.
Damit eine Schule international als Hochschule anerkannt wird, müssen einige Bedingungen erfüllt sein, u. a. bezüglich der Vorbildung der Studierenden. Die «Berufsmaturität» wird eingeführt und die 1968 geschaffene Berufsmittelschule 1993 dazu erkoren, auf sie vorzubereiten.
Eine Hochschule betreibt auch Forschung. Der Leistungsauftrag der höheren Fachschulen wird deshalb um «angewandte Forschung und Entwicklung» ergänzt. Eine Hochschule braucht eine gewisse Grösse. Die 58 Höheren Fachschulen der Bereich Technik, Wirtschaft und Gestaltung werden zu sieben regionalen Fachhochschulen zusammengelegt.
Abbildung 10 Gegen die Revisionen 1963 und 1978 wurde das Referendum ergriffen, 1978 seitens des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SSA Zürich)
Regelungen von Bund und Kantonen
1995 wird die gesetzliche Grundlage zur Schaffung der Fachhochschulen von den eidg. Räten angenommen, 1997 nehmen die sieben Fachhochschulen den Unterrichtsbetrieb auf.
Das alles betrifft die Schulen derjenigen Bereiche, die der Bund steuert, also Technik, Wirtschaft, Gestaltung. Höhere Fachschulen in den Bereichen soziale Arbeit, Gesundheit, Hauswirtschaft und angewandte Psychologie unterstehen den Kantonen. Unter der Leitung der Erziehungs- und der Sanitätsdirektorenkonferenz (EDK und SDK) werden sie vorbereitet, Teil der sieben Fachhochschulen zu werden, wozu das Fachhochschulgesetz 2005 angepasst wird.
Aber damit ist diese Reformwelle noch immer nicht abgeschlossen: 1999 hat die Schweiz die Deklaration von Bologna unterschrieben und sich damit verpflichtet, bei den Hochschulen eine zweistufige Studienstruktur einzuführen. Aus den Fachhochschulabschlüssen werden 2005 Bachelor-Abschlüsse. Für eine Minderheit der Studierenden (gedacht waren 10 Prozent) werden forschungsorientierte Masterstudiengänge eingeführt.
Mehr zur höheren Berufsbildung und zu den Hochschulen in den Kapiteln 29 und 30
1980er- und 1990er-Jahre
Am 1. Januar 1980 trat die 1978 verabschiedete Version der BBG in Kraft. Am 9. März 1998 beginnen die Arbeiten an der nächsten Revision des Gesetzes. Dazwischen ist in der Schweizer Berufsbildung mehr geschehen als in den 50 Jahren davor.
Zwei Revisionen der Bundesverfassung wirken sich aus: 1981 wird sie durch den Gleichstellungsartikel ergänzt. Es dauert zwar 15 Jahre, bis er in einem Gesetz umgesetzt wird, doch in der Zwischenzeit tut sich in der Berufsbildung bereits einiges, unter anderem im Rahmen der Weiterbildungsoffensive, siehe hier. 1999 wird die Regelungskompetenz des Bundes auf alle Bereiche der nichtakademischen Berufsbildung ausgeweitet, was sehr viel verändert, siehe hier.
Frauen in der Berufsbildung, thematisiert in Kapitel 17
Grosse Auswirkungen haben auch die Veränderungen in der Arbeitswelt. Die Schweiz erlebt in diesen zwanzig Jahren zwei Rezessionen mit einer Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 6 Prozent und dazwischen eine Hochkonjunktur mit grossem Arbeitskräftemangel. Gleichzeitig veränderten sich die Strukturen der Wirtschaft: Von 1975 bis 1995 sinkt der Anteil der Arbeitenden im Sekundärsektor von 40 Prozent auf 27 Prozent. Die Hälfte aller Uhrenfirmen schliessen als Folge des Aufkommens elektronischer Uhren. Die Fusion von SSIH und ASUAG steht für den Start eines neuen Aufschwungs, realisiert durch Elektronik, neue Fertigungstechnik und neues Marketing. [1983h]
Abbildung 11 Akademische Bildung als Basis für die Erwerbstätigkeit (Wandbild in der ETHZ)
Numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen und die Automatisation verändern die Arbeitsprozesse in der MEM-Industrie tiefgreifend: Unter den Schlagwörtern «lean production» und «just in time production» revolutionieren japanische Formen der Arbeitsorganisation weite Teile der Industrie. Die Arbeitenden bekommen mehr Gestaltungsspielraum bei der Arbeit, müssen aber mehr Verantwortung für deren Resultate übernehmen. [1990d] Dies stellt neue Anforderungen an sie, auf die besonders die MEM-Industrie mit neuen Ausbildungskonzepten reagiert, siehe hier.
Abbildung 12 Mit der Einführung des IBM PC erobert die «Elektronische Datenverarbeitung» auch die Büros. Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, Diktiermaschinen und Buchhaltungsmaschinen werden abgelöst (Keystone Press/Alamy Stock Foto)
Informations- und Kommunikationstechnik als neue Möglichkeit und neue Anforderung
Die Miniaturisierung der Elektronik führt zu neuen Möglichkeiten der Datenverarbeitung. In zwei «Impulsprogrammen» 1978−1982 und 1983−1987 wird die Informationstechnologie an Hochschulen und an Ingenieurschulen gefördert und die Ausbildung von Softwareingenieuren durch die Schaffung der «Softwareschule Schweiz» ermöglicht. [1978e] 1981 wird breiten Kreisen bewusst, dass Computer und Datenverarbeitung auch ihre eigene Tätigkeit verändern werden, denn in diesem Jahr bringt IBM mit massiver Werbung den «PC» auf den Markt.
An den kaufmännischen Berufsschulen wird 1974 «EDV» zum obligatorischen Schulfach. Die Träger der gewerblich-industriellen Berufslehren folgen erst zehn Jahre später: 1984 wird Computertechnik Teil der Elektronikerausbildung. [1967e; 1984c] Zu dieser Zeit wird auch deutlich, das IKT-Kenntnisse zu den Basisqualifikationen gehören: 1985 werden die Berufsschulen angewiesen, allen Lehrlingen in zwanzig Lektionen die Grundlagen der IT zu vermittelt, wozu das BIGA ein multimediales Unterrichtsprogramm entwickeln lässt. [1985a]
Mehr zur IKT in der Berufsbildung in Kapitel 26, zur Weiterbildung in Kapitel 31
«Weiterbildungsoffensive»
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