die Bereiche Landwirtschaft und Gesundheitsberufe sowie auf die sog. Monopolberufe gehe ich in diesem Buch ein. Im Wissen, dass viele weitere Bereiche wie Musik, Forstwesen und Bildung, dass soziale und künstlerische Berufe etc. auch eine Darstellung verdient hätten. Teilweise fehlt der Platz zu ihrer Darstellung, teilweise das nötige Wissen … Wt
Land und milchwirtschaftliche Berufsbildung
Landwirtschaft und Forstwesen verfügen über Gesetze, in denen bis zum Inkrafttreten der BV-Revision 1999 und des darauf aufbauenden BBG 2002 auch das Bildungswesen geregelt wird, vgl. dazu hier.
Nichtärztliche Gesundheitsberufe
Pioniere in der Ausbildung in der Pflege waren religiös geprägte Gemeinschaften. Davon unabhängig entstehen Ende des 19. Jahrhunderts erste Pflegefachschulen, die jeweils mit benachbarten Spitälern zusammenarbeiten. Regelungen auf nationaler Ebene gibt es keine. 1976 beauftragen die Kantone das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) mit der Entwicklung der Umsetzung von Grundsätzen für die Aus- und Weiterbildung. Wichtigste Entwicklungsstufe ist ein 1992 in Kraft gesetztes Konzept. Es sieht vor, dass der Eintritt in die Pflegeausbildung nach zehn Schuljahren erfolgt und die Diplomausbildung in zwei Niveaus gesplittet wird, DM I mit Ausbildungsdauer von drei Jahren und DM II mit vierjähriger Ausbildung. Auf Fachrichtungen (z. B. Kinderkrankenpflege, Psychiatriepflege) wird verzichtet. Hingegen wird ein Assistenzberuf mit zweijähriger Ausbildung eingeführt.
Berufsbildung im Gesundheitswesen ist Thema von Kapitel 15, jene in Monopolberufen von Kapitel 16
Grafik 3 Lernende in BBG-anerkannten Lehrverhältnissen im Vergleich mit der Zahl aller Lernenden in der beruflichen Grundbildung
Ab 1999 wird das Ausbildungssystem dem in andern Bereichen üblichen System mit beruflicher Grundbildung nach abgeschlossener Volksschule und Diplomausbildung auf der Tertiärstufe angepasst und ab 2004 der Bundesbehörde unterstellt.
Monopolberufe
Die Einführung von Eisenbahn, Post, Telefon und Telegraf im 19. Jh. führte zur Entstehung neuer Berufe. Ihr Betrieb wird nach und nach zur Bundesaufgabe erklärt, was Monopole begründet. Später wird für Berufe, die fast nur bei solchen staatlichen oder staatsnahen Arbeitgebern eine Anstellung finden, der Begriff «Monopolberufe» geprägt. Ihre Ausbildung übernehmen die Betriebe meist selbst, teilweise aufbauend auf «Verkehrsschulen», einer bis gegen Ende des 20. Jh. existierenden Form von Handelsschulen. [1910f] Aus den Ausbildungsgängen vieler, aber nicht aller Monopolberufe wurden in den 1990er-Jahren Berufslehren nach BBG.
Sekundarstufe II und Tertiärstufe
In den 1980er- und 1990er-Jahren ändert sich nicht nur viel in der Arbeitswelt, auch im Bildungswesen bewegt sich einiges.
Bildungsgänge und Bildungsabschlüsse werden vermehrt miteinander verglichen, auch international. Ein Mittel dazu ist die Übernahme der «International Standard Classification of Education (ISCED)» zur Beschreibung und statistischen Erfassung des Bildungswesens. Dieses System, entwickelt von der UNESCO und in den 1980er-Jahren von der Schweiz übernommen, teilt Bildungsmassnahmen einer von sechs Stufen zu, vgl. Grafik 4. Für die Berufsbildung sind die Stufen «3-Sekundarstufe II» und «5-Tertiärstufe I» von besonderer Bedeutung: Berufslehren von drei oder vier Jahren werden Stufe 3B zugeordnet, kürzere der Stufe 3C. Die höhere Berufsbildung und die Fachhochschulen der Stufe 5B.
Berufliche Grundbildung − Teil der Sekundarstufe II?
Gemäss der UNESCO-Klassifikation ISCED ist diese Frage klar mit Ja zu beantworten. Die Bildungspolitik tut sich damit aber schwer. Gymnasien und Berufslehren richten sich zwar an die gleiche Altersgruppe, aber von Herkunft und Zielsetzung unterscheiden sie sich stark. Sie unterstehen bis heute unterschiedlichen Rechtssystemen und unterschiedlichen Finanzierungsregelungen.
Ein erster Versuch, beide Systeme als Teil eines Ganzen zu verstehen, hängt mit dem beschriebenen Aufbruch der Bildungspolitik in den 1970er-Jahren zusammen. Mit der Verfassungsrevision 1973 (Recht auf Bildung, siehe hier) wollte der Bundesrat erreichen, «dass die Berufsbildung einen gleichwertigen Platz neben allen andern Ausbildungsrichtungen einnimmt und somit auch die gleiche Förderung verdient wie diese». (Bbl 1972 I, 427) − aber wie beschrieben, diese Verfassungsrevision scheiterte in der Volksabstimmung.
Ein anderer Ansatz kommt aus der Arbeits- und Berufspädagogik: Für den Erfolg in der Arbeitswelt sind oft nicht bestimmte Kenntnisse erforderlich, sondern Qualifikationen wie Kommunikationsfähigkeit oder Problemlösungskompetenz, damals «Schlüsselqualifikationen» genannt. In den 1980er-Jahren wird Fachleuten deutlich, dass selbst die Grenzen zwischen Allgemeinbildung und Berufsbildung immer unschärfer werden, beispielsweise beim Erwerb von Fremdsprachen.
ISCED-97 | |
0 | Vorschule |
1 | Primarstufe |
2 | Sekundarstufe I |
33A3B3C | Sekundarstufe IIallgemeinbildend (> 2 Jahre)berufsbildend (3−4 Jahre)berufsbildend (1−2 Jahre) |
4 | Zweitausbildung nichttertiäre Stufe |
55A5B | Tertiärstufe Iwissenschaftsorientiertberufsorientiert |
6 | Tertiärstufe II |
Grafik 4 ISCED Version 97
1992 ergreift die Schweizerische Konferenz der kant. Erziehungsdirektoren (EDK), die sich während Jahrzehnten kaum um die Berufsbildung gekümmert hatte, die Initiative, «einen ständigen und konstruktiven Dialog unter diesen Bildungswelten» zu etablieren (EDK 1996, 5), was eine gewisse Annäherung bringt.
Mehr zur Sekundarstufe II in Kapitel 28
Wichtiger − vor allem für Jugendliche und Eltern − ist aber die Tatsache, dass die Wege aus der Sekundarstufe II in die Tertiärstufe durchlässig wurden: Seit 2005 ist es möglich, mit Berufslehre und Berufsmaturität ohne grösseren Zeitverlust auch an Hochschulen zu studieren und mit einem Mittelschulabschluss zu ähnlichen Bedingungen in die höhere Berufsbildung überzutreten.
Dynamische Entwicklung in der Tertiärstufe
Bereits bei den Zünften geht es nicht nur um die berufliche Grundbildung (Berufslehre), sondern auch um Weiterbildung (Wanderschaft) und zudem um das, was wir heute als Höhere Berufsbildung bezeichnen, die Vorbereitung auf die Meisterprüfung. Diese Dreiteilung wird ins erste Bundesgesetz übernommen: Berufslehre − Weiterbildung − Meisterprüfungen und sie strukturiert auch heute noch diesen Teil des Bildungswesens.
Grafik 5 Entwicklung der Tertiärstufe
Die Meisterprüfungen wurden zu einem Teil der höheren Fachprüfungen, vgl. Grafik 5. Bereits 1909 definierte der SKV die «Fachprüfung für Buchhalter», die heute als älteste Höhere Fachprüfung ausserhalb der Meisterprüfungen gilt. [1909d] 1962 kommen die «Berufsprüfungen» dazu, die etwas weniger hohe Anforderungen stellen und bis Ende des Jahrhunderts viermal häufiger abgelegt werden als die Höhere Berufsprüfung.
Bereits 1874 ist in Winterthur das erste Technikum gegründet worden als Schule auf mittlerem Niveau zwischen Berufslehre und Hochschulen. Nach und nach entstanden weitere Technika, später auch Abendtechnika. Ab 1963 heissen sie «Höhere Technische Lehranstalten», ab 1978 «Ingenieurschulen» und ab 2007 sind es Teile von Fachhochschulen. Damit gehören sie