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Welche Bildung braucht die Wirtschaft?


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Erfolgs.

      Also eine Begeisterung für den Pluralismus und das kreative Potenzial, das er freisetzt?

      Ja, genau!

      Nun hat Klaus Mertes über Widerspruch und Loyalität geschrieben. Er sieht eine Art von Widerspruch, die destruktiv ist. Wie grenzen Sie konstruktiven von destruktivem Widerspruch ab?

      Auch diese Frage gefällt mir gut, weil es sehr wichtig ist, diesen Unterschied zu machen. »Alles ist schlecht!« ist noch keine Widerspruchskultur! Konstruktiv ist Widerspruch, wenn er vor allen Dingen das Gesamtziel vor Augen hat, zum Beispiel ein Gesamtunternehmensziel, und nicht einfach nur eine kurzfristige Optimierung des eigenen Bereichs. Und natürlich, wenn er lösungsorientiert ist. Und ich finde auch einen dritten Aspekt sehr wichtig: Am Ende eines Entscheidungsprozesses muss der Verantwortliche entscheiden. Wenn alle Meinungen ausgetauscht sind und es geht anders aus, als man es gewünscht hat, muss man das akzeptieren. Das heißt nicht, dass man nicht sagen darf: »Ich war anderer Meinung.« Aber man muss dann trotzdem mitarbeiten, die gefallene Entscheidung erfolgreich umzusetzen.

      Es braucht also einen lebendigen Dialog über Ziele. Und dann kommt es darauf an, wie groß der Raum ist: ob mein Ziel nur ist, dass mein Bereich gut läuft – dann kann es destruktiv werden –, oder ob ich bereit bin, mich mit einem großen Ziel zu identifizieren.

      Genau. Das setzt natürlich voraus, dass man so ein großes Ziel kennt, dass nicht jeder nur in seinem kleinen Silo vor sich hin wurstelt, sondern dass sich alle auf ein großes Ziel ausrichten und dann auch abwägen können. Wenn ich zielorientiert für meinen kleinen Bereich etwas anders machen kann, ohne das große Ganze zu stören, soll ich das artikulieren und versuchen, die Entscheider von meiner Meinung zu überzeugen.

      Welches ist denn das große Ziel von smart?

      Lebensqualität und Freude in der Stadt vergrößern! Wir wollen eine Marke sein, die in den immer größer werdenden Städten und Konglomeraten den Menschen ein besseres Leben ermöglicht, natürlich für unsere Kunden in den Autos, aber auch für die Bewohner der Metropolen schlechthin. Zum Beispiel die Elektromobilität. Was würde es denn konkret bedeuten, wenn eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren würden? Das ist das Äquivalent vom CO2-Ausstoß von zighunderttausend Fernflügen, von ich weiß nicht wie vielen mit konventionellen Fahrzeugen gefahrenen Kilometern, 50 Prozent weniger Geräuschpegel – und es gibt für die Menschen heute fast keinen schlimmeren Stressor als Geräusch. Und dann wollen wir Stadtautos bauen, die Farbe, Individualität in die Stadt bringen statt des grauen Einerleis auf den Straßen. Oder ein wunderschönes Beispiel in Sachen Lebensqualität: In Rom hat smart bislang den größten Erfolg. Dort fahren mittlerweile hundertzwanzigtausend smarts. Ein smart ist ein Meter zwanzig kürzer als ein durchschnittliches Auto – das heißt, wir sparen in dieser Stadt jeden Tag rund 150 km Platz: Stau, Parkraum etc. Das erklärt unsere Vision, wie wir dazu beitragen wollen, das Leben in den Städten dieser Welt besser zu machen, sehr eindrücklich.

      Es geht gar nicht zuerst um Geld, sondern das große Ziel ist Lebensqualität?

      Es geht immer darum, die finanziellen Ziele in ein großes Ganzes einzubetten.

      Frau Winkler, wie fördern Sie denn den Mut zum Widerspruch?

      Indem ich mir anvertraute Menschen immer wieder ausdrücklich auffordere, ihre Meinung zu sagen, bevor sie meine kennen.

      Bevor sie Ihre kennen.

      Das ist außerordentlich wichtig. Wenn sie wissen, wie ich denke, besteht die Gefahr des vorauseilenden Gehorsams: dass man mir erzählt, wovon man denkt, dass ich es so hören will. Diese Aufforderung, erst einmal seine eigene Meinung zu haben, funktioniert leider nicht immer, das Thema der oft fehlenden Zeit für eine echte Debattenkultur, wie anfangs beschrieben, betrifft mich natürlich auch. Manchmal muss ich sagen: »Kommt, Kinder, jetzt machen wir das so!« Aber ich versuche sehr viel herauszuhören, durch unser smart-Haus oder die Fabrik zu laufen, den hierarchieübergreifenden Dialog zu pflegen und auch meine Führungskräfte dazu aufzufordern. Das Allerwichtigste ist das Vorleben. Wenn es keine Kultur gibt, oder andersherum: wenn jemand widerspricht und dafür sanktioniert wird oder in seiner Karriere nicht weiterkommt, dann machen wir etwas falsch. Aber wenn ich konstruktiven Widerspruch und neue Ideen entsprechend fördere, positiv aufnehme und verstärke, gebe ich ein motivierendes Beispiel.

      Hat dieser Mut zum Widerspruch etwas mit Bildung zu tun? Hat ein gebildeter Mensch mehr Mut?

      Auch eine tolle Frage. Da hilft mir der Begriff des konstruktiven Widerspruchs. Wenn Sie ein stures, dummes und faules Gegenüber haben mit Mut zum Widerspruch, das kann Sie nahezu in den Selbstmord treiben. Einfach nur dagegen … Das hat überhaupt nichts mit Bildung zu tun!

      Aber der Mut zum konstruktiven Widerspruch hat ganz klar etwas mit Bildung zu tun, in einem weiter gefassten Sinne. Natürlich muss jemand Ausbildung und Kompetenz mitbringen, damit er überhaupt eine Meinung einbringen kann, die hilft, Ziele zu erreichen. Aber viel wichtiger ist, dass er gelernt hat, seinen Standpunkt auf die richtige Art und Weise zu artikulieren. So wie die kanaanäische Frau Jesus auf hinreißende Art widerspricht, indem sie sagt: »Ja, Herr, du hast Recht!« (Mk 7,24–30), um ihm dann empathisch und erfolgreich dazu zu bringen, seinen Standpunkt zu ändern. Das hat etwas mit Bildung zu tun! Und auf jeden Fall hilft es, wenn man im Elternhaus und später in der Ausbildung ermutigt wurde und gelernt hat, seinen Standpunkt klar zu machen.

      Also die Fähigkeit, im Dialog seine Position einzunehmen?

      Ja, genau, und zwar ohne dass der andere zumacht!

      Hat das nun auch etwas mit Ethik zu tun? Welche Bedeutung haben ethische Überzeugungen für das Werden eines gebildeten Menschen?

      Wenn man unter Bildung mehr versteht als Ausbildung und Wissensvermittlung, nämlich auch die Fähigkeit zum Verstehen größerer Zusammenhänge und zum Entwickeln der eigenen Meinung, und den Willen, Nutzen zu stiften und im Dialog Standpunkte lösungsorientiert klarzumachen: Dann ist Ethik ein ganz wichtiges Fundament. Es ist zentral, Werte, eine Haltung zu haben, an der sich eine andere Meinung spiegeln kann. Widerspruch muss immer an Ethik gespiegelt werden. Wenn es nur darum geht, eine eigene Meinung durchzupeitschen, hat das nichts mit Werteorientierung für unsere Welt zu tun. Dann kann es sogar gefährlich werden.

      Ethik ist also wie das Rückgrat?

      Ja, genau: schön!

      In welche Aspekte gliedern Sie Bildung?

      Erstens Ausbildung im Sinne von Wissensvermittlung; zweitens die Fähigkeit, sich Ziele zu setzen und diese durch Fokussierung auf das Wesentliche und Strukturierung der erforderlichen Maßnahmen zu erreichen; drittens das, was ich Herzensbildung nenne, die eine Haltung, Werte und Ethik einschließt.

      An der Tagung haben Sie den Akzent auf die Herzensbildung gelegt. Welche Bedeutung geben Sie ihr, wenn Sie Menschen anstellen? Was heißt das dann konkret?

      Das heißt für mich zu spüren, wie die soziale und emotionale Intelligenz ist. Die Fähigkeit zum Dialog; wirklich zuzuhören – also nicht einfach nur Kopfnicken, sondern das verstehende Zuhören, das konstruktive Zuhören, das ganz wichtig ist für Kooperation und Lösungsorientierung. Empfinden, wo Menschen stehen, sie abholen lernen, Menschen für mein Ziel begeistern und im Team und Partnern gegenüber Wertschätzung ausdrücken können. Das heißt nicht immer, alles zu loben! Wertschätzung bedeutet, bewusst und fördernd: Kritik zu äußern und selbst einstecken zu können. Oft beherrschen das sehr einfache Menschen besser, agieren emotional und sozial intelligenter als manche Pseudogebildeten.

      Welche Erfahrungen fördern denn das Wachsen der Herzensbildung? Und welche behindern es?

      Elternhaus und Schule sind sehr entscheidend; der Freundeskreis und das berufliche Umfeld spielen ebenfalls eine große Rolle. Dabei denkt man zunächst nur an die positiven Vorbilder. Sehr viel Herzensbildung entsteht aber gerade auch durch die negativen Beispiele! Es gab viele Situationen, in denen ich sagte: »Genau so würde ich mich verhalten wollen!«, weil ich die handelnden Personen einfach großartig fand. Aber bei Führungskräften, die mit Leuten unmöglich umgegangen sind, hab ich manchmal mehr gelernt als aus den positiven Beispielen – weil ich