aus mir heraus, als Reaktion auf meine unterschwellige und diffuse Angst vor der Gruppe – dann bin ich reaktiv.
Aus meiner anfänglichen Erfahrung von Gruppenleitung weiß ich, dass zu Beginn einer Gruppe sich die Ereignisse manchmal zu überschlagen drohen. Wurde vorher kein tragbarer Boden geschaffen, der Gruppenmitglieder auffängt, können die tief bewegenden Erlebnisse nur schlecht integriert werden. So habe ich mir angewöhnt, zu Beginn einer Gruppe bewusst das Tempo zu verlangsamen und mit Interventionen zurückzuhalten, die in die Regression führen oder zu kathartischem Ausdruck einladen.
Hierzu eignen sich noch weitere strukturierte Anleitungen zum Sich-Kennenlernen und zum Vertraut-Werden mit den wesentlichen Prinzipien der Gestaltarbeit (vgl. im Anhang »Vorschläge für Experimente und Gruppenaktivitäten«: Anfangsphase und Übungen zur Erfahrung unterschiedlicher Kontaktfunktionen). Möchten Sie auf diese Übungen verzichten, um einer passiven Konsumhaltung der Gruppenteilnehmer vorzubeugen, so könnten Ihre Interventionen hauptsächlich darauf abzielen, alle Interaktionen zu verlangsamen, um sie bewusster wahrnehmen zu können und Raum für Neues zu gewinnen.
• Machen Sie Pausen und lassen Sie welche zu.
• Wenn möglich, sprechen Sie langsamer und lehnen Sie sich innerlich und äußerlich etwas zurück. Das verleiht Ihnen innere Weiträumigkeit und ganzheitliche Aufmerksamkeit.
• Lassen Sie Teilnehmer vielleicht etwas noch mal wiederholen oder langsamer sprechen.
• Laden Sie zu bewusstem langen Ausatmen ein.
• Erkundigen Sie sich, was Teilnehmer spüren, wenn sie etwas erzählen, oder nach ihren Handlungsimpulsen.
• Fragen Sie nach, wie Teilnehmer ihre Stimme erleben oder auch zu wem sie sprechen und ob sie sich gehört fühlen, ob sie sich ihres Gesichtausdrucks bewusst sind oder ihrer Körperhaltung oder einer bestimmten Bewegung.
• Sie könnten sie dazu einladen, diese bewusst zu wiederholen oder zu übertreiben.
• Interessieren Sie sich für die inneren Bilder des Teilnehmers und seine Gefühle … Oder teilen Sie Ihre eigenen mit.
• Zwischendrin fassen Sie gelegentlich zusammen, was Sie gehört und gesehen haben und achten Sie darauf, nichts hinzuzufügen oder zu interpretieren.
• Darüber hinaus bitten Sie Gruppenteilnehmer, sich einfach mal in der Gruppe umzuschauen und bewusst wahrzunehmen, mit wem sie gerade zusammen sind und wie es ihnen damit geht.
Vom Allgemeinen zum Spezifischen, vom Abstrakten zum Konkreten
Dies ist ein sehr nützlicher Leitsatz. Wenn in einer Gruppe der Energiepegel niedrig ist und wenig lebendiger Austausch stattfindet, so könnte es sein, dass sich die Gruppenmitglieder in abstrakte Verallgemeinerungen geflüchtet haben. Als Gruppenleiter fordere ich sie dann auf, in ihren Mitteilungen konkret und spezifisch zu werden.
Beispiel:
Teilnehmer unterhalten sich darüber, wie gern sie manchmal richtig jemandem ihre Meinung sagen würden, aber niemanden verletzen wollen.
Als Gruppenleiter könnte ich nachfragen, wem sie denn gerne mal die Meinung sagen würden und wie sie nicht verletzen wollten und was dann genau passieren könnte usw.
Je konkreter und spezifischer jegliche Aussage ist, desto besser kann ich sie mir möglichst mit all meinen Sinnen vorstellen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, wirklich präsent zu sein im Kontakt und identifiziert mit dem, was ich tue.
Im Kontrast dazu können abstrakte Verallgemeinerungen dazu dienen, mich von meiner momentanen Erfahrung abzuspalten und zu entfremden.
Offene und geschlossene Gestalten
Der Begriff offene oder geschlossene Gestalt ist für mich ein sowohl nützlicher als auch unscharfer Begriff. Im strengen Sinne gibt es keine offene oder geschlossene Gestalt. Selbst die Geburt als eine offene und der Tod als eine geschlossene Gestalt sind ungenau. Bei der Geburt sind wir am beweglichsten und sofort setzt der Alterungsprozess oder auch Reifungsprozess ein. Wichtige Aspekte dieses Prozesses sind zunehmende Unbeweglichkeit, Fixierungen, Automatismen, typische Charaktereigenschaften, Körperhaltungen, Bewegungsmuster, emotionale Schemata, Denk- und Verhaltensmuster. Diese körperliche, geistige und seelische Verminderung von Beweglichkeit endet nach unserem letzten Atemzug in der langsam einsetzenden Todesstarre.
Was hat das alles mit Gruppenleiten zu tun? Wenn ich die Gruppe als einen Organismus betrachte, wie es von einigen Gestalttheoretikern vorgeschlagen wird, so hat auch die Gruppe eine Geburt, in der anfangs noch alles offen und möglich ist, ein Leben, indem der Prozess der Reifung stattfindet, einhergehend mit bestimmten Festlegungen der Aufgaben, Ziele, Rollen, Regeln, Normen und Werte und ein unwiederbringliches Ende wie der Tod.
Schau ich mir als Gruppenleiter das Gruppengeschehen mit der Brille ›offene vs. geschlossene Gestalten‹ an, dann hilft es mir zu entscheiden, auf welche Themen sich meine Interventionen richten werden. Wenn ich in eine völlig neue Gruppe komme, von deren Teilnehmern ich nichts weiß, so bringe ich nur meine eigene Neugierde als offene Gestalt mit, die mich motiviert, gemäße Handlungen zu erfinden. Meine ersten Kontaktanbahnungen werden unbefangen sein, ich möchte die Teilnehmer kennen lernen, etwas über ihre Erwartungen, Wünsche und Ziele wissen, über ihre momentane Befindlichkeit erfahren. Auch gehe ich davon aus, dass die Gruppenteilnehmer ein ähnliches Bedürfnis haben, wenn sie vielleicht auch nicht genauso unbefangen sind.
In die meisten Gruppen komme ich aber nicht so unbefleckt. Es gibt oft eine Vorgeschichte, die offene und geschlossene Gestalten mit beinhalten. Die geschlossenen wirken wie selbstverständlich im Hintergrund, größtenteils abrufb ar, wenn danach gefragt, aber ansonsten nicht von unmittelbarem Interesse. Dazu gehört zum Beispiel, dass ein mir schon aus einer anderen Gruppe bekannter Teilnehmer jetzt in der neuen Gruppe ist. Es war so abgesprochen, es bestand ein guter Rapport, eine tragfähige Beziehung.
Mehr in mein Bewusstsein hingegen dringen die offenen Gestalten. Sie verlangen meine Aufmerksamkeit, wie eine Fliege, die sich in penetranter Weise immer wieder auf meine Nase setzt.
Offene Gestalt, die einen Gruppenteilnehmer betrifft
Zum Beispiel könnte dort ein Gruppenteilnehmer sitzen, den ich für diese spezielle Gruppe für ungeeignet halte. In einem speziellen Fall hatte ich erst ein halbes Jahr später für mich die Gestalt geschlossen. Als es in der Gruppe für alle deutlich wurde, dass dieser Teilnehmer nicht seinen Platz finden würde und es ihm in der Gruppe zunehmend schlechter ging, machte ich meine Autorität als Gruppenleitung geltend, bot ihm meine Einschätzung an, dass er in der Gruppe nicht gut aufgehoben sei, woraufhin er entschied zu gehen. In der Gruppe war daraufhin größtenteils Erleichterung zu spüren.
Ein anderes Beispiel: Eine Gruppenteilnehmerin kommt aus einer anderen Gruppe, in der sie sich nicht wohl gefühlt hat. Einiges über die Geschichte in der anderen Gruppe ist mir zu Ohren gekommen. Meine offene Gestalt ist: meine unausgedrückte Angst, dass die Teilnehmerin vielleicht besonders schwierig ist.
Jegliches Vorwissen, das ich über einen Gruppenteilnehmer von Dritten habe, wirkt für mich wie eine offene Gestalt. Mein Dilemma: Einerseits möchte ich es ansprechen, um die Gestalt für mich schließen zu können, andererseits wurde mir solche Information meist im Vertrauen mitgeteilt. Sie war nicht für die Gruppenöffentlichkeit bestimmt.
Besonders zu Beginn einer Gruppe können Gruppenteilnehmer es als Vertrauensbruch empfinden und sich bloßgestellt fühlen, wenn ich Informationen von außerhalb der Gruppe einbringe.
Offene Gestalt, die die ganze Gruppe betrifft
Eine eher banale offene Gestalt zu Beginn einer Gruppe besteht, wenn einer oder gar mehrere Teilnehmer erst später kommen oder gar unklar ist, wer überhaupt noch kommt.
Das sind Startbedingungen,