Stefan Hahn

Gestalttherapie mit Gruppen


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Gruppenteilnehmer?

      2. Halte ich jeden für diese Gruppe geeignet?

      3. Wie gehe ich damit um, wenn ich einen Teilnehmer für die Gruppe ungeeignet halte?

      Ob ich jemand spontan mag oder nicht, wird meine Kontaktaufnahme zu diesem Gruppenmitgliedern auf jeden Fall beeinflussen. Anstatt mich zu bemühen, alle gleich zu behandeln und zu mögen, ist es deshalb sinnvoller, immer wieder bewusst meine Sympathien und Antipathien wahrzunehmen.

      Versuche ich zum Beispiel auszublenden, wen ich am wenigsten mag, geht wichtige Information im Kontakt verloren und wird der Bewusstheit unzugänglich. Es entstehen Sprachlosigkeit und diffuses Unwohlsein, anstelle von Raum für mögliche Begegnung und Veränderung. Im Kapitel »Übertragung und Gegenübertragung« gehe ich auf diesen Prozess näher ein.

      Von Anfang an sollten die Teilnehmer einer neuen Gestaltgruppe den ganzheitlichen Ansatz erfahren (Hartmann-Kottek, 2004: 54). Sie erleben so vielleicht zum ersten Mal seit ihrer Kindheit die Reichhaltigkeit und Vielschichtigkeit ihres Daseins.

      Die bewusste Miteinbeziehung des Körpers beim Kennenlernen ist hierfür eine Möglichkeit.

       Hier ein Vorschlag:

      »Nachdem wir jetzt viel miteinander geredet haben, schlage ich einen konventionellen Händedruck zur Begrüßung vor, Reden ist dabei also erlaubt. Vielleicht könnt Ihr Euch noch mal mit Namen vorstellen, oder den des anderen erraten.«

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      Abb. 5

      Hier sind hypothetische Gedanken der Teilnehmer zu lesen, die nur die wenigsten bei einem ersten Treffen spontan preisgeben würden. Je größer die Aufregung und Anspannung, desto weniger wird die Begegnung mit dem jeweiligen Gegenüber wirklich bewusst erlebt.

      Obwohl dies eine fiktive Gruppe ist, werden Sie als Leser spontan Sympathien oder Antipathien mit bestimmten Gruppenteilnehmern entwickeln und könnten wahrscheinlich deutlich bestimmen, wem Sie am liebsten die Hand geben würde und wem nicht. Für alle Teilnehmer einer neuen Gruppe wird es ein Anliegen sein, sich auf diese Weise zu orientieren und herauszufinden, wen man mag und wen nicht.

      Zunächst zurück zu unserer Gruppe. Da es in der Gestalt um die Förderung der ganzheitlichen Präsenz geht, also um die Konzentration auf das Hier-und-Jetzt im Kontakt, könnten Sie jetzt die Teilnehmer zu folgendem Experiment einladen:

      »Gebt diesmal ganz bewusst höchstens drei Teilnehmern die Hand und konzentriert Euch jetzt auf die körperliche Empfindung des Händedrucks.

      Was löst es in Euch aus, welche Gefühle oder Gedanken, Bilder oder Impulse?

      Beschreibt es so prägnant wie möglich. Macht eine kurze Aussage.

      Nehmt Euch Zeit, die Aussage Eures Gegenübers zu hören.«

      Anschließend haben die Teilnehmer die Möglichkeit, in der Gruppe wichtige Entdeckungen und Erfahrungen mitzuteilen und gegebenenfalls zu vertiefen. Als Gruppenleiter hätten Sie die Wahl, diese Aussagen aufzugreifen oder einfach so stehen zu lassen. Lassen Sie sie erst mal so stehen, ist damit eine Erfahrungseinheit abgeschlossen, zumindest vorläufig. Je nach Plan bietet sich dann eine natürliche Pause an, in der Sie das Erlebte verdauen können.

      Grundsätzlich ist also nichts gegen strukturierte Übungen und stringente Planung besonders zu Beginn einer Gruppe einzuwenden (vgl. im Anhang: »Vorschläge für Experimente und Gruppenaktivitäten«). Sie helfen Ihnen nicht nur, ihre Angst beim Gruppenleiten zu meistern, sondern werden wegen ihrer beruhigenden Wirkung auch von den Gruppenteilnehmern zunächst dankbar aufgegriffen. Es gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit, Überschaubarkeit und man ist von unkontrollierbaren Überraschungen gefeit.

      Die strukturierten Übungen dienen dem Sich-Kennenlernen und geben Ihnen als Gruppenleiter wichtige Informationen und Orientierung:

      1. In Bezug auf die Teilnehmer: Welche Erwartungen, Bedürfnisse, Befürchtungen, Vorwissen, Erfahrung und Interessen haben sie?

      2. In Bezug auf Ihre eigene Befindlichkeit und Einschätzung (was genauso wichtig ist):

      – Wie fühlen Sie sich mit den Teilnehmern hier?

      – Mit wem bahnt sich ein guter Rapport an?

      – Wen erleben Sie als unterstützend und wohlwollend Ihnen gegen über?

      – Wen erleben Sie als kritisch, in Konkurrenz gehend, abwertend, in Frage stellend?

      – Wen erleben Sie eher als ausweichend, zurückgezogen, reserviert, maskenhaft?

      – Wen erleben Sie als schwierig?

      – Zu wem fühlen Sie sich hingezogen?

      – Mit wem haben Sie hier Gemeinsamkeiten?

      – Wer ist Ihnen sehr fremd?

      – Gibt es jemanden, den Sie abstoßend finden oder den Sie nicht mö gen?

      – Was davon erleben Sie als bedrohlich?

      – Fühlen Sie sich von der Gruppe angenommen?

      Um diese Fragen als Gruppenleiter beantworten zu können, nutzen Sie möglichst all Ihre Sinne, all Ihre Kontaktfunktionen wie schauen, hören, riechen, sich spüren, usw. (Polster/Polster 1975: 127 ff.).

      • Können Sie in der Gruppe gut durchatmen?

      • Welche inneren Bilder tauchen auf?

      • Wie frei fühlen Sie sich, in der Gruppe zu sprechen,

      • sich zu bewegen und gegebenenfalls auch jemanden zu berühren?

      • Sind sie gerne in dieser Gruppe?

      • Wie ist Ihr Energiepegel?

      • Haben Sie einen klaren Fokus?

      • Was könnte Ihr nächster Schritt sein?

      • Was brauchen Sie von den Gruppenteilnehmern, um diese letzte Frage beantworten zu können?

      Im vorhergehenden Kapitel habe ich meinen inneren Supervisor, den »Herrn in Blau« vorgestellt. In diesem Fall hatte er meine Aussage als Gruppenleiterin hinterfragt und das Gegenteil in Erwägung gezogen.

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      Dies ist nur eine der möglichen Funktionen des inneren Supervisors. In diesem Kapitel möchte ich ausführlicher auf die unterschiedlichsten Wirkweisen eines inneren Supervisors eingehen.

      Vorab noch etwas zum Herrn in Blau«. Er ist für mich ein Symbol für eine wichtige innere Instanz, für meine Fähigkeit der kritischen Selbstreflexion. Diesen inneren Supervisor erlebe ich als einen inneren Raum, in den ich mich als Gruppenleiter zurückziehen kann, um mehr Gewahrsein und Bewusstheit für das komplexe Gruppengeschehen zu ermöglichen. Hier nehme ich meine assoziativen Bilder, Körperempfindungen, Gefühle und Handlungsimpulse wahr, besinne mich auf meine Erfahrung und mein Wissen, spiele mit Inter-ventionsmöglichkeiten und nehme mir Zeit. Zeit und Raum brauche ich, um kreativ jeden einmaligen Gruppenprozess mitzugestalten. Häufig entstehen in diesem inneren Raum auch Dialoge mit bedeutsamen Menschen aus meinem Leben. Dadurch erhalte ich wichtige und hilfreiche Hinweise für das momentane Gruppengeschehen.

      Der Leser könnte sich diesen inneren Supervisor also auch als einen sehr facettenreichen Co-Therapeuten vorstellen, der ihm unterstützend zur Seite steht.

      Der angehende Gestaltgruppenleiter braucht noch einen äußeren Supervisor, der ihm diesen Raum außerhalb der Gruppe zur Verfügung stellt. Er wird sich zu Anfang in erster Linie auf die eigenen Erfahrungen als Gruppenmitglied beziehen und sich am Modell seines Gruppenleiters orientieren. Darüber hinaus verfügt er wahrscheinlich über theoretisches