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Nick Francis 4


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apropos Buch, ich sehe, Sie haben Ihres heute gar nicht dabei.«

      »Oh, Sie meinen das große, das wir uns letztes Mal angeschaut haben?«

      »Ja, wo ist es? Haben Sie es noch?«

      »Natürlich, aber deswegen bin ich heute nicht hier!«

      »Schade, ich dachte, Sie wollten mich darüber auf dem Laufenden halten.«

      »Das mache ich auch, nur läuft da im Moment nix. Aber in den nächsten Wochen wird sich was ergeben und dann komme ich bestimmt zu Ihnen … mit dem Buch … versprochen.«

      »Ich würde mich freuen! Womit kann ich Ihnen denn heute behilflich sein?«

      »Mein PC macht unanständige Sachen.«

      »Nun, wenn Sie im Internet diese speziellen Seiten aufrufen, dann passiert es, dass man unanständige Bilder zu sehen bekommt.«

      »Was? Nein, nein«, winkte ich ab, »solche Seiten besuche ich … ich nie. Nein, mein Computer stürzt ab, hängt sich auf und ich bin dann sozusagen abgehängt vom Informationszug.«

      »Ach, diese Art von unanständigen Sachen. Das hört sich an, als habe sich Ihr RAM-Speicher verabschiedet. Eine von vielen Möglichkeiten. Eine sichere Diagnose kann ich nur stellen, wenn Sie den Patienten mitbringen und ich ihn mir einmal ansehen kann.«

      »Hm, wie wäre es, wenn Sie mir einen RAM-Speicher mitgeben und ich probiere es aus? Wenn das Problem dann trotzdem noch da ist, komme ich nebst Patienten noch einmal vorbei.«

      »Das können wir gerne so machen. Sie müssten mir nur sagen, welchen Speicher Sie benötigen, also welcher Speicher zu Ihrem Mainboard passt.«

      »Das weiß ich natürlich nicht, aber vielleicht hilft Ihnen das nutzlose Handbuch von meinem PC doch etwas.« Ich grinste.

      »Wenn wir Glück haben«, er lächelte zurück, »dann zeigen Sie mal.«

      Ich holte das kleine Heftchen aus der Jackentasche und reichte es dem PC-Doktor. Er schlug es auf und stöhnte.

      »Mann, ist der alt! Zum Glück ist das Handbuch nicht in Keilschrift.«

      Er lachte und aus Höflichkeit machte ich mit. Ich weiß ja, dass in dieser Branche alles als Dinosauriermodell gilt, was älter als fünf Jahre ist. Aber als Herr Schubert in dem Büchlein weiterblätterte, stieg doch Hoffnung in mir auf.

      »Scherz beiseite, ich glaube, den Speicher, den Sie benötigen, habe ich auf Lager. Einen Augenblick.«

      Er ging nach hinten und tauchte kurze Zeit später mit einem schokoriegelgroßen Plastikbehälter auf.

      »Bitte sehr, macht zwanzig Euro für Sie, Herr Francis. Sonderpreis!«

      »Oh, vielen Dank.«

      »Wissen Sie, wie man ihn gegen den alten auswechselt?«

      »Ja, ich habe schon mal einen getauscht, weil ich einen leistungsfähigeren haben wollte. Genauso wie die Grafikkarte und den CPU-Chip. Ganz fremd ist mir das Innenleben eines Computers also nicht.«

      »Dann versuchen Sie Ihr Glück und kommen Sie gleich wieder, wenn der Fehler dadurch nicht behoben ist.

      »Das mache ich.«

      »Auch wenn er wieder läuft, sollten wir uns demnächst mal über einen neuen PC für Sie unterhalten. Denn für Ihren wird es bald keine neuen Ersatzteile mehr geben und mit der Kompatibilität der Software ist es dann auch Essig. Demnächst werden Sie wahrscheinlich einige Seiten im Internet nicht mehr vollständig beziehungsweise gar nicht mehr angezeigt bekommen. Lassen Sie sich das mal durch den Kopf gehen. Ansonsten würde ich mich freuen, in den nächsten Wochen etwas Neues über Ihr Buch zu hören. Wenn ich ein bisschen mehr von Ihnen darüber erfahre, kann ich bestimmt helfen.«

      »Davon bin ich überzeugt, ich melde mich. Bis dann, Herr Schubert!«

      »Auf Wiedersehen, Herr Francis!«

      ***

      Es ist zum Verzweifeln mit diesen kleinen Kerlen, die da geschäftig über den Monitor rennen. Entweder sie produzieren und ich habe trotzdem zu wenig Geld, weil keine Käufer für die Waren kommen, oder die Nahrung für die Bevölkerung reicht vorne und hinten nicht, dann sind die Burschen beleidigt und hauen samt ihren Familien ab. Und schon habe ich leer stehende Betriebsstätten, die einen Großteil meines virtuellen Vermögens verschlingen.

      Wovon redet Nick da bloß?, fragt ihr euch sicher. Nun, ich habe seit Langem mal wieder eines meiner Computer-Strategiespiele aktiviert. Eigentlich wollte ich nur testen, ob durch das Auswechseln des RAM-Speichers alles wieder problemlos läuft. Ich rief die E-Mails ab und suchte nach den Buchwünschen meiner Kunden. Beides erledigte der Kasten ohne rumzuzicken. Dann wollte ich aufs Ganze gehen und am besten geht das, wenn man den Computer fordert, und das tut so ein Spiel. Es forderte aber nicht nur den Computer, sondern vor allem mich. Vielleicht benötige ich auch mal einen neuen RAM-Speicher.

      So kurz vor meinem Aufbruch in eine neue Welt war das eine willkommene Gelegenheit, mal wieder an etwas anderes zu denken als an die bevorstehende Reise. Ich liebe diese Strategiespiele, vor allem den Bau- und Wirtschaftsteil. Wenn allerdings Krieg ausbricht, wird es richtig stressig. Krieg finde ich ziemlich blöd. Da baue ich über Stunden eine florierende Stadt mit einer vernünftigen Infrastruktur auf und dann kommen da ein paar Stinkstiefel und legen alles in Schutt und Asche, weil ich mit der Aufrüstung meines Militärs immer hinterherhinke. Wenn ich es dann doch geschafft habe, die Eindringlinge zu verjagen, darf ich meine Stadt wieder aufbauen und die versenkten Schiffe durch neue ersetzen. Kurbelt natürlich die Wirtschaft an, denn alle haben Arbeit, aber das Kapital ist durch den Krieg geschrumpft. Eben alles wie im richtigen Leben.

      Mit solchen Spielen verbringe ich, wenn ich erst einmal angefangen habe, unzählige Stunden. Ihr kennt das vielleicht auch. Diese Quälgeister auf dem Monitor gönnen einem keine Ruhe. Immer wollen sie was Neues, und wenn sie das haben, wollen sie mehr davon. Fleisch, Fisch, Wolle für Kleidung, Kirchen, Schulen, Theater, Badehäuser und so weiter. Ich könnte euch jetzt noch an die hundert Dinge aufzählen, aber das würde zu weit führen, und ich bin mir sicher, dass ihr langsam anfangt, ungeduldig zu werden, und euch denkt: Mensch Nick, nun sieh mal zu, dass du endlich auf den Punkt kommst. Was ist denn jetzt mit Der Keller? Trotzdem muss ich euch noch vertrösten und ein wenig mehr von dem Spiel erzählen − wartet ab, ihr werdet gleich merken, worauf ich hinauswill. Ich finde es total faszinierend, wie exakt die Figuren im Spiel dem Menschen nachempfunden sind, wie genau sie nach ihrem menschlichen Ebenbild programmiert wurden. Auch sie kriegen nie genug und wollen immer mehr.

      Ich habe schon ganze Wochenenden durchgespielt, aber das ist einige Zeit her. Doch an diesem Freitagabend hatte mich der Spielevirus mal wieder ziemlich schlimm erwischt. Ich bastelte an einem vor einiger Zeit angefangenen Spiel weiter und hörte erst am Sonntagabend damit auf. Die einzige Unterbrechung meines virtuellen Lebens waren die vier Stunden, die ich am Samstagvormittag im Laden stand.

      Am Sonntag musste ich am späten Nachmittag aus dem Haus, denn es war kaum etwas zu essen im Kühlschrank. Da ich so viel damit zu tun hatte, auf meinen virtuellen Farmen Weizen, Oliven, Kakao, Kaffee und so weiter anzubauen, war ich in der realen Welt nicht zum Einkaufen gekommen. Wenn ich nicht verhungern wollte, musste ich also raus aus meiner Hütte.

      Alles hatte ich in meiner virtuellen Welt eingerichtet: Die Infrastruktur und die Versorgung zu Lande und zu Wasser. Gegner gab es keine mehr, da die ganze Spielewelt erobert war. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mit ein paar Cheats-Hilfen gearbeitet hatte … Also gut, gemogelt. Aber nur ein bisschen. Hier und da mal ein paar Militäreinheiten hingezaubert und ein paar Talerchen zusätzlich aufs Konto gebettet und schon klappte alles.

      Da ich beim Verlassen der Wohnung vergessen hatte, auf die Pause-Taste zu drücken, lief das Spiel allein weiter. Während ich einen Döner-Teller bei meinem Dönerdealer Ibo verspeiste, rannte mein Volk auf dem Monitor arbeitswütig umher. Ungefähr eine Stunde war ich weg. Als ich wiederkam, hatte sich mein virtuelles Vermögen vermehrt. Allerdings war die Pest ausgebrochen, doch die fleißigen Ärzte machten sich schleunigst