Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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schüttelte den Kopf.

      Schließlich nahm sie der Herr an die Hand, um sie heimzuführen.

      Selbstverständlich erregte der merkwürdige Anzug der Kleinen überall die größte Aufmerksamkeit, und unter Begleitung einer größeren Kindermenge erreichten die beiden die Apotheke.

      Herr Wagner, der soeben einem Kunden etwas verabreichte, wurde durch den Lärm aufmerksam und erkannte in dem maskierten Kinde seine Tochter. Wie kam der Lehrer Weber dazu, sein Kind hierher zu bringen, – was war geschehen?

      Er ließ Senftleben allein in der Apotheke zurück und ging den Ankommenden entgegen.

      Bärbel fühlte sich ein wenig unbehaglich, denn durch die Reden des Begleiters war der Kleinen klar geworden, daß es nicht richtig gehandelt hatte.

      Mit Dankesworten wurde der Lehrer entlassen; dann nahm der Apothekenbesitzer seine Tochter an der Hand und führte sie hinauf zur Großmama.

      Frau Lindberg, die nichts Böses ahnte, lachte und konnte sich die strenge Miene ihres Schwiegersohnes nicht erklären.

      »Weißt du, wo man Bärbel gefunden hat? Sie ist in der Karlstraße gewesen und hat auf dem Hofe gesungen.«

      »Bärbel!«

      Stotternd gab das Kind auf Befragen die nötigen Erklärungen. Dann langte der Vater nach dem Rohrstock, und nun setzte es eine gehörige Tracht Prügel.

      »Ich wollte nur Geld verdienen«, stieß Bärbel schluchzend hervor.

      »Darum hast du dich nicht zu kümmern, dein Vater verdient das Geld, merke dir das!«

      Sie schluchzte bitterlich. »Nun tut die ganze Hinterbrust weh – und es war doch so schön!«

      »Wo ist Joachim?«

      »Er ist fortgelaufen.«

      »Du bleibst heute den ganzen Abend in der Stube; und wenn ich eine einzige Klage höre, gibt es nochmals Prügel.« »Ach, Vati, – das wird die Hinterbrust nicht vertragen.«

      »Du bist still und hast nichts zu antworten.«

      Da setzte sich Goldköpfchen folgsam auf ihr kleines Stühlchen und überlegte, wie merkwürdig es doch in der Welt zuging. Wenn der Vati Geld verdiente, bekam er keine Prügel; und wenn sie sich abmühte, setzte es Schläge. Ob der Joachim auch Prügel bekam? Aber so sehr Bärbel auch von dieser Frage bewegt wurde, sie wagte nicht mehr, den Mund zu öffnen.

      Zehn Minuten später hörte sie allerdings, daß sich auch über Joachim ein Strafgericht ergossen hatte, denn des Bruders Stimme tönte in schrillsten Klagetönen durch das ganze Haus.

      »Hau’ doch den Emil, der war der Anstifter!«

      Schließlich saß auch er im Zimmer der Großmutter und rieb sich von Zeit zu Zeit den schmerzenden Rücken.

      Bärbel tröstete ihn herzlich. »Unsere armen Hinterbrüste! Aber weine nicht so sehr, Joachim, es wird bald wieder besser.«

      »Wenn der Emil keine Prügel gekriegt hat, hau’ ich ihm morgen die Jacke voll!«

      Vom Teufel, der immer anders wollte

      »Mutti, Mutti!« Durch Bärbels Stimme zitterte heiße Erregung, als sie durch den Garten stürmte, um der Mutter, die seit einigen Tagen das Bett verlassen hatte, die schreckliche Botschaft zu bringen. »Mutti, Mutti!«

      Keuchend gelangte das Kind bei Frau Wagner an, die in einem Liegestuhl lehnte, den Kinderwagen mit den Zwillingen neben sich.

      »Was ist denn los, Goldköpfchen, du bist ja so erhitzt?«

      »Mutti, der Mann hat den ganzen Bauch kaputt, und aus dem Bauch kommt alles raus!«

      »Was ist los? Welcher Mann?«

      »Der Mann, der den Stall macht und die vielen Bretter hat.«

      »Der Zimmermann Krause, – was ist mit ihm?«

      »O, Mutti, alles kommt aus dem Bauch raus, – alles, was er im Bauche hat.«

      »Um Gottes willen, Kind, ist ein Unglück geschehen?«

      »Komm, Mutti!«

      Frau Wagner erhob sich in grenzenloser Aufregung. Konnte es möglich sein, daß der Zimmermann verunglückt war? Sie warf noch einen Blick auf die schlafenden Zwillinge; dann folgte sie der davonstürmenden Bärbel.

      Im Hofe saß Krause und bohrte in ein Brett Löcher.

      »Sieh, Mutti, sieh doch!«

      »Was hast du denn, Bärbel?«

      »O – auch aus dem Arm kommt alles raus und aus dem Bauch!«

      Nun blickte auch der Zimmermann auf; aber auch er konnte sich die Aufregung des Kindes nicht erklären.

      »Was kommt denn aus dem Bauch heraus, Goldköpfchen?«

      »Sieh doch, sieh«, sagte das Kind ungeduldig und wies auf die vielen Sägespäne, die in der Schürze des Zimmermanns lagen. »Genau wie bei Olga, als ihr der Joachim den Bauch aufgeschnitten hatte.«

      Frau Wagner mußte sich niedersetzen, denn der Schreck war ihr in die Glieder gefahren. Sie hatte an ein Unglück geglaubt: und nun hatten die Sägespäne, die auf der Arbeitskleidung des Mannes lagen, das Mißverständnis herbeigeführt.

      Sie begriff, daß Bärbel, die damals so bitterlich geweint hatte, als man ihre Puppe zerschnitt, nichts anderes glaubte, als daß jeder Mensch mit diesem Material ausgefüllt sei und daß Krause unbedingt ein Loch im Bauche haben mußte.

      Es gab eine lange Erklärung, bis Bärbel schließlich verlangte, daß die Mutti ihrer Olga nun auch etwas anderes in den Bauch setzen sollte, genau so, wie es die Menschen hätten.

      Unter belehrenden Reden kehrten die beiden in den Garten zurück, und schon von weitem erklang das Geschrei der Zwillinge.

      »Ach, wenn wir ihnen doch endlich das Maul stopften.«

      »Kleine Kinder haben kein Maul, Goldköpfchen, sondern einen niedlichen Mund.«

      »Warum steckst du ihnen nicht immerzu den Pfropfen in den Mund?«

      »Das verstehst du noch nicht, mein Kind. – Aber schau’ mal, dort drüben ist die Großmama und pflückt Erdbeeren. Willst du ihr nicht helfen?«

      Frau Wagner, die noch stark angegriffen war, sehnte sich nach Ruhe und war froh, die ewig fragende kleine Tochter los zu werden.

      Bärbel war natürlich sofort bereit, mit der Großmama Erdbeeren zu pflücken.

      »Ich gebe dir die schönen grünen, und die roten ess’ ich auf.«

      »Wenn du mir nicht alle Erdbeeren gibst, Kind, darfst du nicht mitpflücken.«

      »Ich esse aber so gerne Erdbeeren.«

      »Du bekommst nachher das Obst, wenn es gewaschen und eingezuckert ist.«

      »Ach, Großmama, ich ess’ es aber auch so gerne, ohne zu waschen.«

      »Du weißt, Bärbel, der liebe Gott paßt genau auf; und wenn du eine Erdbeere naschst, ist er böse.«

      Bärbel schaute ein Weilchen zum Himmel empor, dann sagte sie zaghaft. »Großmama, – wenn aber so viele Wolken am Himmel sind, kann dann der liebe Gott auch durchgucken?«

      »Ja.«

      Nun ging es ans Pflücken. Aber plötzlich flogen laut schreiend mehrere Krähen über den Garten, und diesen Augenblick benutzte das Kind, um eine große Frucht in den Mund zu schieben.

      »Großmama?«

      »Was willst du?«

      »Hast du gehört, – eben sind Vögel vorbeigeflogen. Hat der liebe Gott auch nach den Vögeln gesehen?«

      »Ja.«

      »Na,