Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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den Scherz, dem Kinde rasch die Mütze vom Kopfe zu nehmen. Sie versteckte sie hinter dem Rücken.

      »Siehst du – nun ist die Mütze fort, das kommt davon, weil du nicht folgst.«

      Bärbel schaute sich um und machte ein betrübtes Gesicht.

      »Wenn du mir jetzt versprichst, artig und folgsam zu sein, werde ich einmal pfeifen, vielleicht kommt dann die Mütze wieder.«

      »Pfeif doch mal!«

      Tante Agnes tat es, zog die Mütze rasch hinter dem Rücken hervor und reichte sie dem beglückten Kinde.

      Für wenige Augenblicke ließ man Bärbel außer acht. Frau Lindberg und ihre Tochter flüsterten zusammen: aber da wurden sie schon wieder von Bärbel gestört.

      Mit strahlenden Augen blickte das Kind die Tante an.

      »Pfeif doch noch mal, Tante!«

      »Warum denn?«

      »Ich hab’ die Mütze fliegen lassen.«

      »Aber, Bärbel!«

      »Pfeif nur!«

      Die Mütze war fort, und so war man gezwungen, ohne Kopfbedeckung Bärbel mitzunehmen. Tante Agnes zog natürlich sogleich das Fenster empor, aus Angst, Goldköpfchen könnte noch das Jäckchen und das kleine Handtäschchen fliegen lassen.

      Das Kind hatte aber schon wieder neue Interessen. Auf einer Zwischenstation war eine Dame eingestiegen, ein Herr war aufgestanden und hatte ihr seinen Platz angeboten.

      »Was spielen die beiden, Großmama?«

      »Wenn man artig ist, dann steht man auf und macht älteren Leuten Platz; und wenn man ein Herr ist, macht man der Dame Platz.«

      Im nächsten Augenblick sprang Bärbel vom Schoße der Tante.

      »Wenn ich nun steh’, macht man mir dann auch Platz?«

      »Du bist noch ein kleines Mädchen, Bärbel, und kleine Mädchen brauchen nicht zu sitzen, wenn große Leute im Abteil sind. Im Gegenteil, kleine Mädchen müssen den großen Leuten immer Platz machen.«

      Da krabbelte die Kleine wieder auf den Schoß der Tante und betrachtete interessiert den jungen Herrn, der so artig aufgestanden war.

      Aber lange blieb das Kind nicht sitzen. Mit einem Sprung war es wieder herunter, machte dem jungen Herrn einen artigen Knicks und sagte, indem es auf Tante Agnes wies:

      »Bitte, Mann, setze dich!«

      »Wohin denn, kleines Mädchen, es ist ja kein Platz frei.«

      Bärbel tippte der Tante auf die Oberschenkel. »Da – wo Bärbel gesessen hat!«

      Tante Agnes wurde glühend rot, die Insassen des Abteils lachten leise.

      »Bleib nur ruhig sitzen, kleine Bärbel, ich steige gleich aus.«

      »Willst du nicht zu den Tieren gehen?«

      »Nein.«

      »Großmama, kann der Mann nicht mitkommen?«

      »Das ist ein Herr, Bärbel.«

      Bärbel wies auf einen Arbeitsmann. »Ist das dort auch ein Herr?«

      »Ja.«

      »Und ist das dort eine Frau oder eine Dame?«

      »Du sollst nicht so viel fragen, Kind, sonst kehren wir um und fahren nicht in den Zoologischen Garten.«

      Wieder hielt der Zug, wieder stiegen zwei Damen ein, die von Bärbel genau betrachtet wurden. Die eine strich dem Kind zärtlich über das goldene Haar.

      Bärbel sah an ihr empor, schaute der Reihe nach die anderen Insassen an, ließ wieder den Blick lange auf der Eingestiegenen haften und sagte laut und vernehmlich:

      »Du bist keine schöne Dame!«

      Die Stirn der Bezeichneten furchte sich; und während Tante Agnes das Kind rasch wieder auf ihren Schoß nahm, erklärte Bärbel treuherzig:

      »Nein, du bist keine schöne Dame.«

      Frau Lindberg ersehnte das Ende der Fahrt. Mit diesem vorlauten Kinde konnte noch allerlei Unangenehmes passieren. Sie wollte mit der Beleidigten ein Gespräch anknüpfen; aber die Fremde erklärte schnippisch, es sei ein Skandal, wie schlecht in der heutigen Zeit die Kinder erzogen würden. Auf weitere Fragen Frau Lindbergs gab sie keine Antwort mehr.

      Endlich war der Zoologische Garten erreicht, und nun riß Bärbel die Augen weit auf. Besonders die Giraffe flößte ihr die größte Ehrfurcht ein.

      »Großmama – das ist ’ne feine Rutschbahn!«

      Es ging weiter zu den Affen, von denen sich Bärbel kaum trennen konnte.

      Auch das Kamel interessierte das Kind stark, das eben von einer Dame gefüttert wurde. Frau Lindberg hatte Mühe, das Kind fortzubekommen.

      »Ich will dir doch auch noch die Löwen zeigen, Goldköpfchen.«

      Als man vor den Käfig der mächtigen Katzen trat, erhob sich der Löwe und ging in den Hintergrund zurück. Bärbel winkte ihm.

      »Komm, Löwe, fürcht’ dich nicht, ich tu’ dir nichts!«

      Aber der Löwe kam nicht wieder vor; und Bärbel war der festen Überzeugung, daß das Tier vor ihr Angst habe.

      Die Vögel interessierten das Kind weniger, es wollte wieder zurück zu den Affen und zum Kamel. Da Bärbels Wangen glühten und das Kind von all dem Neuen so erregt war, beschloß man, nur einen Teil des Gartens zu besichtigen, um dem Kinde nicht noch mehr neue Eindrücke zu verschaffen.

      Auf dem Rückwege stellte Goldköpfchen Hunderte von Fragen. Unermüdlich gab Frau Lindberg Antwort.

      Da wollte die Kleine wissen, ob auch die Kamele in den Himmel kämen, und ob der Zieraffe den langen Hals unter den Beinen durchstecken könne. Warum das Zebra gestreift wäre, ob es der Wärter mit Papier beklebt oder so angestrichen habe.

      Was das Kamel in den großen Hökern habe, und dergleichen mehr.

      Zu einem peinlichen Auftritt kam es auf der Heimfahrt. Man hatte diesmal die elektrische Bahn benutzt, und als man eben im Wagen Platz genommen hatte, rief Bärbel jubelnd:

      »Großmama – dort sitzt noch ein Affe!« Das Kind wies auf einen Herrn, dessen Gesicht allerdings einige Ähnlichkeiten mit einem Affen hatte. Ehe es Frau Lindberg verhindern konnte, stand Bärbel vor dem lesenden Herrn, der jetzt aufblickte, und sagte:

      »Warum bist du denn nicht im Käfig?«

      Frau Lindberg holte die Kleine sofort zurück und verwies ihr energisch jedes weitere Wort.

      Aber leise flüsterte Bärbel doch:

      »Hast du nicht noch ein Stückchen Zucker für den lieben Affen?«

      Man stieg schließlich an der nächsten Haltestelle aus, nahm ein Auto und fuhr heim.

      Heute war es sehr schwer, Bärbel zur Ruhe zu bringen. Die Großmama mußte erst ernstlich böse werden, ehe sich das Kind dazu bereit fand, die Augen zu schließen.

      Noch mehrere Tage lang sprach Goldköpfchen von nichts anderem als von den Tieren im Zoologischen Garten. Toni, das Mädchen für alles, hörte sich geduldig die Berichte an, die das Kind gab. Und Bärbel konnte nicht aufhören zu erzählen, von all dem Neuen und Schönen, was es gesehen hatte.

      Während das Kind in der Küche die gute Toni belästigte, beratschlagten Mutter und Tochter im Wohnzimmer, was man heute mittag wohl mit der Kleinen anfinge, denn man hatte zu Tisch einen Herrn zu Besuch, der seit längerer Zeit Heiratsabsichten auf Agnes kundgab. Selbstverständlich hatte man vor Bärbel alles streng geheimgehalten, denn das kleine Plappermäulchen konnte Mutter und Tochter in die größte Verlegenheit bringen.

      »Wir werden Bärbel ruhig mitessen lassen«, meinte Agnes, »Herr Dr. Wendt liebt Kinder und wird