Lassen wir lieber alles beim alten, Mama.«
Am heutigen Vormittag gab es in der Küche allerlei zu tun, so war sich das Kind selbst überlassen. Man hatte Goldköpfchen ein Töpfchen gegeben, in dem es gleichfalls ein Gericht bereiten sollte.
Gegen Mittag klingelte es.
Bärbel, der es ganz besondere Freude machte, die Tür zu öffnen, eilte hinaus, noch ehe sich Toni die andere Schürze umgebunden hatte, und öffnete.
Draußen stand ein Herr, der den Hut in der Hand hielt und erstaunt das kleine Mädchen anschaute.
Bärbel sah nur den Hut und erinnerte sich daran, daß gestern Toni einen Mann an der Hintertür fortgeschickt hatte. So benutzte sie jetzt dieselben Worte und sagte kurz:
»Hier wird nicht gebettelt!«
Bums, war die Tür wieder zu, gerade in dem Augenblick als Toni erschien.
»Wer ist denn draußen, Bärbel?«
»Einer, der gebettelt hat.«
»Na, dann ist’s gut.« Toni ging in die Küche zurück, da klingelte es zum zweitenmal.
Und nun klärte sich der Irrtum auf. Es war Dr. Wendt, der erwartete Tischgast, der sich über das Betragen des kleinen Mädchens vor Lachen schüttelte.
Kurz vor dem Essen erschien Bärbel, die sich den Onkel Doktor prüfend anschaute.
»Bist du auch so ein Onkel Doktor, wie er zur Mutti kommt?«
»Was kommt denn zu deiner Mutti für ein Onkel?«
»Zu meiner Mutti und zu das Zwilling.«
»Nein, solch ein Doktor bin ich nicht. Ich komme auch nicht zu deiner Mutti, sondern zu deiner Großmutti und zu deiner Tante.«
»Was willst du denn bei deiner Großmama?«
»Sie hat mich zum Mittagessen eingeladen.«
Bärbels Augen glitten an der etwas korpulenten Erscheinung herab. Besonders der rundliche Bauch interessierte das Kind.
»Willst du bei uns essen?«
»O nein, Bärbel, wenn deine Eltern Besuch bekommen, erzählen sie sich mit ihm, und deswegen komme ich auch her.«
»Essen willst du nicht?«
»Das auch.«
»Kommst du auch zu Tante Agnes?«
»Freilich.«
»Hat Tante Agnes auch einen Zwilling?«
»Frage nicht so viel, Bärbel«, warf das junge Mädchen dazwischen.
»Bringst du Tante Agnes einen Zwilling? Der Onkel Doktor hat der Mutti auch einen Zwilling gebracht.«
»Jetzt geh einmal hinaus in die Küche und sage der Toni, daß sie die Suppe bringen kann.«
Bärbel verschwand. Schließlich saß man gemütlich beim Essen, wobei Bärbel den neuen Onkel nicht aus den Augen ließ. Als man aber endlich vom Tisch aufstehen wollte, rief das Kind leidenschaftlich:
»Bitte, liebe Großmama, laß den Onkel noch ein bißchen sitzen.«
»Warum denn?«
»Er hat so viel Fleisch geeßt und zweimal Speise. – Jetzt wird gleich der Bauch platzen!«
»Bärbel!«
»Ooch – ich hab’s gesehen, Großmama, der Bauch ist immer dicker geworden, und du hast gesagt, dann platzt er.«
Wieder befand sich Frau Lindberg in größter Verlegenheit und gab rasch die Erklärung zu dieser Äußerung.
»Bärbel möcht’ doch halt so gern sehen, wenn du platzt!«
»Wenn du noch weiter so redest, Bärbel«, flüsterte Tante Agnes dem Kinde zu, »platze ich vor Ärger.«
Jauchzend schlug die Kleine die Hände zusammen. »Ach, Tante Agnes, du bist so lieb, – nun platze!«
»Geh jetzt hinaus in die Küche und sage Toni, daß sie abräumen kann.«
Dann forderte Frau Lindberg den Gast auf, hinüber ins Wohnzimmer zu kommen, denn die Situation begann wieder recht peinlich zu werden.
In der Küche aber richtete Toni ein noch viel größeres Unheil an. Sie riet Bärbel, recht artig zu sein, denn der Onkel Doktor, der heute zu Besuch gekommen sei, wäre hier, um Tante Agnes später zu heiraten.
Bärbel wollte natürlich noch weitere Erklärungen haben, und Toni wußte sich nicht anders zu helfen, als Bärbels Vater und Mutter anzuführen, die ja auch verheiratet seien.
»Und wo ist der Joachim?«
»Kinder kommen erst, wenn die Tante Agnes ein Weilchen verheiratet ist.«
»Warum kommen Kinder nicht gleich?«
»Die müssen erst geboren werden.«
»Wo werden die Kinder geboren?«
»Das weiß ich selbst nicht, Bärbel, das geht dich auch nichts an.«
Aber das Kind war mit dieser Antwort durchaus nicht zufrieden. Als es zurück ins Zimmer kam und den Onkel Doktor neben Agnes sitzen sah, der verstohlen nach der Hand des jungen Mädchens faßte, stellte sich die Kleine vor ihn hin und fragte:
»Onkel Doktor, – wenn du Tante Agnes heiratest, kaufst du dir dann auch einen Zwilling?«
Agnes glaubte, in die Erde sinken zu müssen. Zwischen ihr und Doktor Wendt war noch keine Aussprache erfolgt; und nun kam dieses vorlaute Kind dazwischen und zerstörte die feinen Fäden, die sich zwischen beiden gesponnen hatten.
Frau Lindberg nahm Bärbel an der Hand. Auch sie war innerlich sehr zornig, und kurzerhand sperrte sie die Kleine in die Toilette.
Dann aber geschah schon wieder etwas, was sich die Kleine nicht erklären konnte. Mit hochrotem Gesicht kam Tante Agnes, nahm Bärbel auf den Arm, trug sie hinüber ins Wohnzimmer und küßte sie vor der Großmama und dem fremden Doktor stürmisch.
»Du kleine Glücksbringerin, du sollst doch dabei sein, wenn wir unsere Verlobung feiern.«
Mit mißtrauischen Blicken schaute Bärbel den Onkel Doktor an. Als der nun auch das Kind emporhob, wehrte sich die Kleine verzweifelt.
»Laß mich los!«
»Hast du mich denn nicht lieb, Bärbel?«
»Nein!«
»Warum denn nicht?«
Scheu blickte das Kind zur Großmutter hinüber. »Wenn ich dich was frage, sperrt mich die Großmama ein. Bärbel ist dir nur gut, wenn du den Bauch platzen läßt.«
»Das nächste Mal, Bärbel.«
»Wenn ist das nächste Mal?«
»Wenn ich wiederkomme.«
»Ooch – kommst du bald wieder? Platzt dein Bauch mit ’nem dollen Krach?«
»Ja, ja.«
»Was hast du denn in dem Bauch?«
»Luft.«
»Ooch …«
»Jetzt laß den armen Onkel endlich in Ruhe, Kind, der Onkel gehört der Tante Agnes und nicht dir.«
»Tante Agnes, hast du dir den Onkel gekauft?«
»Ja.«
»Kostet er einen Taler?«
»Dieses Kind ist fürchterlich«, flüsterte Frau Lindberg ihrem zukünftigen Schwiegersohne zu, »Sie dürfen der Kleinen die vielen Fragen nicht übelnehmen.«
»O, lassen Sie die Kleine ruhig fragen, gnädige Frau, sie ist reizend.«
»Großmama – der Mann sagt auch Frau und nicht