Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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Betrag kommt mit auf die Rechnung.«

      »Ach nein«, sagte sie zögernd.

      »Darf ich dem gnädigen Fräulein mit der fehlenden Summe aushelfen?«

      Bärbel blickte auf. Ein schlanker Herr stand neben ihr, dessen schwarze Augen freundlich lächelnd auf dem jungen Mädchen ruhten.

      »Oh …« Bärbel war vollständig verwirrt. Eben noch hatte sie an das kommende Glück gedacht, an die Bekanntschaft, die ihr Kati vorher gesagt hatte, und schon stand solch ein schwarzäugiger Herr vor ihr.

      Er legte das fehlende Geldstück vor die Konditorsfrau nieder.

      »Ich danke Ihnen«, flüsterte Bärbel, »der Papa wird es Ihnen zuschicken. – Vielleicht darf ich um Ihre gütige Adresse bitten.«

      »Es war mir eine Freude und eine Ehre, gnädiges Fräulein!«

      Es fand sich dann ganz von selbst, daß der Fremde neben Bärbel dahinschritt, weil er sie heimbegleiten wollte. Er plauderte entzückend und sagte endlich:

      »Nun muß ich aber das Versäumte nachholen, mein gnädiges Fräulein, – ich habe mich Ihnen noch nicht einmal vorgestellt. Mein Name ist Wolf.«

      »Wolf? – Mit einem ›W‹?«

      »Wilhelm Wolf!«

      »Ach …« ein geradezu verzückter Ausdruck trat in Bärbels Gesicht. Kati hatte recht, das große W kam an sie heran.

      »Wilhelm Wolf«, flüsterte sie.

      »Gefällt Ihnen dieser Name?«

      »Ach – es ist nur wegen der Anfangsbuchstaben. Ich heiße nämlich Wagner. – Trifft sich das nicht reizend?«

      Er fragte schließlich, ob man nicht einen kleinen Umweg machen wollte, und Bärbel gab errötend diesem Wunsche nach. Sie wurde von dem Fremden so ganz als eine Dame behandelt. Außerdem war er ohne Zweifel ein schöner Mann. Aus seiner Unterhaltung erfuhr sie sogar, daß er in Pommern große Rittergüter hatte, die er einstmals erben würde.

      »Der Name Wolf ist in Pommern geradezu berühmt, – unsere Güter sind die größten in der ganzen Provinz.«

      »Ach, dann sind Sie natürlich auch furchtbar reich?«

      »Es geht an.«

      »Was machen Sie denn aber in Dillstadt?«

      »Ich langweile mich fürchterlich, mein gnädiges Fräulein. Eigentlich wollte ich bis Neujahr hier bleiben, aber man findet keinen Anschluß. Wenn ich täglich mit Ihnen plaudern dürfte, bliebe ich auch noch den ganzen Januar hier.«

      »Ich muß aber am sechsten Januar auch wieder nach Dresden zurück.«

      »Erst am sechsten. Könnten wir uns bis dahin nicht noch einmal wiedersehen?«

      Bärbel zögerte mit der Antwort. »Sind Sie ein Tänzer?«

      »Leidenschaftlicher Tänzer, – o, mit Ihnen über das Parkett zu fliegen, – mein gnädiges Fräulein, gäbe es denn für mich ein größeres Glück, als mit Ihnen zu tanzen? Ist hier in Dillstadt kein Silvesterball?«

      »Bei uns – in der Apotheke«, sagte sie kleinlaut.

      »O, die Glücklichen! Die Glücklichen, die dort tanzen dürfen, – zehn Jahre meines Lebens würde ich hingeben, dabei sein zu können.«

      Er schwärmte weiter, und Bärbel wurde es immer wärmer ums Herz. Könnte das wirklich das große Glück sein, das sie nicht von der Hand weisen sollte? Durfte sie Herrn Wolf andeuten, daß er den Eltern seinen Besuch machen sollte, um zum Silvesterball mit eingeladen zu werden? Dann war noch ein Herr mehr. Der Vater hatte doch gesagt, daß er es selbst mit Freuden begrüßen würde, wenn sich noch irgendwo ein Herr einfände.

      Als Wilhelm Wolf plötzlich Bärbels Hand an seine Lippen zog, war Goldköpfchens Entschluß gefaßt. Sie erzählte ihrem Begleiter von dem Fest am Silvesterabend und meinte, die Eltern würden sich gewiß sehr freuen, wenn Herr Wolf daran teilnehmen wolle. Er könnte ja morgen oder übermorgen einen Besuch bei den Eltern machen, dann wäre alles in Ordnung.

      Der junge Rittergutsbesitzer versprach es begeistert. Dann trennte man sich. Bärbel wollte nicht, daß er sie bis vor das Elternhaus begleitete.

      Ihr reizendes Gesichtchen glühte, als sie den Eltern von der neuen Bekanntschaft erzählte.

      »Er ist der berühmteste Rittergutsbesitzer Pommerns. Ach, und schön ist er, außerdem fängt er auch mit einem W an. – Ach, Mutti, du wirst staunen, wenn du ihn siehst!«

      »Was will denn der Mann hier in Dillstadt?«

      »Vati, sperre dich doch nicht länger! – Vielleicht ist es das Lebensglück deiner Tochter.«

      »Bist ein Närrchen, Bärbel, mit fünfzehn Jahren denkt man noch nicht an dergleichen. Außerdem glaube ich nicht, daß er sich bei uns sehen läßt.«

      Aber Wilhelm Wolf kam wirklich am nächsten Tage. Er war liebenswürdig, artig, trotzdem hatte Herr Wagner das Gefühl, daß er nicht richtig handle, wenn er diesen fremden Mann, von dem er gar nichts wußte, in sein Haus einlud. Unauffällig erkundigte er sich in dem Hotel, das Wolf angegeben hatte, und erfuhr dort von dem ihm gut bekannten Inhaber, daß der junge Rittergutsbesitzer anscheinend ein sehr wohlhabender Herr sei und daß er Beziehungen zu allerersten Kreisen hätte; denn darauf deuteten die Briefschaften, die man durch Zufall gesehen habe.

      Das beruhigte Wagner ein wenig, und schließlich wurde tatsächlich die Einladung zum Silvesterball ausgesprochen.

      Überglücklich berichtete Bärbel ihrer Freundin Maria, was sich seit gestern ereignet habe.

      »Das Glück ist mir schnurstracks über den Weg gelaufen, Maria, eure Kati hatte recht! – O, ich werde sehr glücklich mit ihm werden. Du mußt uns später auf unserem Gute besuchen. – Du wirst ja doch einmal meine Schwägerin, du heiratest Joachim, und dann seid ihr bei mir schon heute herzlich zu jedem Schweineschlachten eingeladen.«

      Maria schüttelte den Kopf.

      »Mir wurde großes Weh geweissagt.«

      »Ach was, glaube doch nicht daran!«

      »Bei dir trifft doch auch alles ein, was sie dir gesagt hat. Warum soll ich nicht an meinen Unstern glauben?«

      »Wilhelm Wolf«, flüsterte Bärbel, »ein zweifaches ›W‹.«

      »Hoffentlich wird es kein zweifaches Weh!«

      Bärbel umhalste die Freundin und wirbelte mit ihr durch das Zimmer.

      »Glück wird es, grenzenloses Glück! Ich werde noch heute an Gerhard Wiese schreiben, daß er seine Verehrungen einstellt, und auch Herrn Wendelin werde ich zu verstehen geben, daß ich mich bereits gebunden fühle.«

      Silvester!

      Bärbel wußte sich vor Aufregung kaum zu lassen. Sie sollte Wanda beim Räumen der Zimmer helfen, aber sie stellte sich so ungeschickt dabei an, daß Wanda häufig schelten mußte.

      »Ach, Wanda«, sagte Goldköpfchen plötzlich überglücklich, »wenn einem das Herz so voll ist wie mir, denkt man nicht an Staub und Schmutz. – Für mich kommt heute das große ›W‹.«

      »Was kommt? Großes Weh, und darauf freust du dich?«

      »Ja«, jauchzte Bärbel, streckte den Arm mit dem Staubbesen weit von sich – ein Klirren, die große Vase fiel herab und zerbrach.

      »Die gute Vase«, rief Wanda, »die große, schöne Vase.«

      Bärbel starrte auf die Scherben, dann sagte sie tonlos:

      »Die Vase, – das große Weh ist schon da. – Ach nein, Vase schreibt sich ja mit ’nem V.«

      »Was wird nur die gnädige Frau dazu sagen?«

      »Da hätt’ ich nun mein großes Weh – aber es geht vorüber – Scherben