Rübezahl.«
Der Maler lachte. »Dann brauche ich mir mein Bett nicht erst herbeizuzaubern. Wenn Ihr mir also eines geben wollt, Herr Förster, will ich Euch reichlich belohnen.«
Mit weit geöffneten Augen lauschte Pommerle der Unterhaltung. Die Förstersleute führten die beiden Fremden in ihr Wohnzimmer und machten sich dann an die Arbeit, das kleine Fremdenzimmer, oben im Hausgiebel, behaglich herzurichten.
Pommerle schmiegte sich an den Maler.
»Das sind gute Leute, nicht wahr, Onkel Rübezahl?«
»Sehr gute Leute.«
»Denen schenkst du doch auch etwas?«
»So?«
»Ja, du mußt alle Steine, die hier umherliegen, in Gold verwandeln, dann freut sich der Förster.«
»Wenn er uns ein schönes Bett gibt und wenn du darin recht brav schläfst, mein kleines Pommerle, kann ich das wohl machen.«
»Tue es doch, lieber Rübezahl, denn die Leute sind so gut zu uns.«
Inzwischen hatten die Förstersleute alles hergerichtet. Auf Spiritus wurde rasch ein heißer Tee bereitet, ein paar Eier in die Pfanne geschlagen; und schon erschien die Hausfrau wieder, um die späten Gäste zu bewirten.
Pommerle aber schüttelte den Kopf. Nur mit Mühe zwang es sich, ein Glas Tee zu trinken, das Essen verweigerte das Kind.
»Nur ein kleines Häppchen,« sagte die Frau.
»Laß nur,« erwiderte der Förster, »ich fürchte, die Kleine wird uns krank werden.«
»Sie mag sich furchtbar geängstigt haben.«
»Nun, der gute Rübezahl hat sich ihrer ja angenommen.«
Dann drängte der Maler, daß sich das Kind niederlege. Begleitet von der Förstersfrau und dem Maler betrat das Kind das Fremdenzimmer, wo man es auskleidete, denn die Zähne schlugen ihm vor Kälte zusammen.
»Wenn sie nur nicht krank wird,« flüsterte die Förstersfrau dem Maler zu. Dann neigte sie sich über das Bett des Kindes und strich ihm zärtlich über die Wange. »Nun schlafe recht gut, kleines Mädchen, Onkel Rübezahl paßt gut auf, daß dir kein Leid geschieht.«
»Du gute Frau, ich will dir noch etwas sagen.«
»Was denn, mein kleines Mädchen?«
»Der Rübezahl hat gesagt, weil ihr so gut seid, werden morgen alle Steine zu Gold.«
»So, hat er das gesagt?«
»Ja.«
»Na, dann werden wir ja sehr reich sein. Nun aber schlafe.«
Die gutherzige Frau drückte der Kleinen einen Gutenachtkuß auf die Stirn und verließ das Zimmer. Dann trat auch der Maler an das Bett heran.
»Brauchst dich nicht zu ängstigen, Pommerle, ich bin nebenan, und wenn du etwas willst, brauchst du mich nur zu rufen.«
»Ich fürchte mich gar nicht, Onkel Rübezahl, aber bleibe doch noch ein bißchen bei mir.«
So setzte sich denn Paeschke am Bettchen des Kindes nieder.
»Bringst du mich morgen an die See?«
»Erst gehen wir zur Tante, und später kommst du an die See.«
»Bald?«
»Ja, Pommerle, nun aber mußt du erst schlafen.«
»Die Wellen kennen mich, Onkel Rübezahl. – O, wie wird sich das Wasser freuen, wenn ich wiederkomme. Dann rauscht es hoch auf. – Ach, Onkel Rübezahl, das ist so schön!«
Der Maler legte dem Kinde seine kühlen Hände auf die heiße Stirn.
»Dann kommt auch der Vater wieder zu mir, – ich sitze neben ihm, und er macht die Netze heil. Nicht wahr, Onkel Rübezahl, der Vater ist nicht im Himmel, er ist daheim am Strande und wartet auf mich?«
»Jetzt schlafe aber, kleines Mädchen.«
»Morgen komme ich wieder an die See!«
Dann schloß Pommerle die Augen und sank bald in tiefen Schlaf.
Inzwischen hatte Maler Paeschke von dem Forsthause aus an die verschiedensten Ortschaften telephoniert. Nichts blieb unversucht. Als man sich mit Krummhübel in Verbindung setzte, kam von dort der Bescheid, daß man zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen, vermisse. Die näheren Beschreibungen wurden gegeben, und so konnte in später Nachtstunde ein Polizeibeamter Professor Bender die Nachricht bringen, daß man nach dem Forsthause Wolfshau ein kleines Mädchen, das auf den Namen Pommerle höre, wohlbehalten eingeliefert habe, von Jule freilich fehlte jede Spur.
Jule ist in Angst und Not
Frohen Mutes, in der Aussicht auf die drei Mark Trägerlohn, war Jule Kretschmar mit den beiden fremden Damen zurück nach Krummhübel gegangen. Als der Ort in Sicht kam, wies er mit dem ausgestreckten Arme auf den Ort.
»Jetzt können Sie nicht mehr fehlgehen, ich kehre nun um. Das Tragen kostete drei Mark.«
»Du wirst uns das Gepäck bis zum Hotel tragen.«
Jule schaute stumpfsinnig vor sich nieder. Dann schüttelte er den Kopf.
»Das geht nicht, ich muß zurück, ich muß doch ein kleines Mädchen nach der Koppe bringen.«
»Wir haben aber ausgemacht, mein Junge, daß du uns das Gepäck bis nach Krummhübel trägst.«
»Dort ist Krummhübel.«
»Du bist ein recht dreister Knabe. – Hier hast du zwei Mark und nun lauf.«
»Drei Mark haben wir ausgemacht«
Die eine der beiden Dornen machte eine Bewegung mit der Hand, als wolle sie dem Knaben eine Tracht Prügel verabreichen. Da schleuderte Jule die beiden Rucksäcke im Bogen von sich, riß der anderen Dame die zwei Mark aus der Hand und eilte in langen Sprüngen davon.
Jetzt galt es, das Pommerle einzuholen. Es würde sich ganz gewiß nicht verlaufen haben, hatte es doch das Schlesierhaus hoch oben immer vor Augen. Außerdem stieg das kleine Ding lange nicht so rasch wie er, und so hoffte der Knabe, daß er Pommerle vor dem Schlesierhause wiederfinden werde.
Er eilte sehr rasch aufwärts. Klettern konnte er wie eine Katze, so nahm er den kürzesten weg. Ging nicht in Kehren hoch, stieg geradewegs bergan, kletterte über die Felsblöcke, hielt sich mit beiden Händen daran fest und gelangte in reichlich der halben Zeit nach dem vereinbarten Ziele.
Suchend schaute er sich um. Pommerle war nirgends zu sehen. So betrat er die Baude, und als er auch hier das kleine Mädchen nicht erblickte, wandte er sich an einen der Bediensteten. Er erfuhr, daß Pommerle gesehen worden war; doch habe man das Kind wieder aus den Augen verloren. Jedenfalls sei es hinauf zur Koppe gegangen.
Jule wurde unruhig. Ihm kam beängstigend in den Sinn, daß er an Pommerle sehr unrecht gehandelt habe. Der Kleinen war das Gebirge vollkommen fremd, sie hatte keine Ahnung, wie weit der Weg, wie hoch die Berge waren. Wie leicht konnte sie sich verlaufen. Er hatte mit den beiden Damen nicht zurückgehen dürfen, er hätte bei Pommerle bleiben müssen. Gewaltsam beruhigte er sich. Es war doch aber Pommerles größter Wunsch gewesen, über alle Berge hinwegschauen zu können. So war es zweifellos hinauf auf die Koppe gelaufen, um von dort aus weit ins Tal schauen zu können.
Sehr eilig wanderte der Knabe zum Gipfel der Koppe empor. Nicht einmal eine Erfrischung hatte er im Schlesierhause zu sich genommen. Er hatte jetzt nicht eher Ruhe, als bis er Pommerle wiedergefunden.
Auf der Koppe fragte er wieder nach einem kleinen Mädchen, und aufgeregt erzählten die Leute, daß ein kleines Mädchen allein hier oben angekommen sei, das bitterlich geweint