C. M. Spoerri

Unlike: Von Goldfischen und anderen Weihnachtskeksen


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ich will kein Schauspieler mehr werden«, ergriff ich die erstbeste Erklärung, die mir in den Sinn kam.

      »Nicht?« Ihre Augenbrauen hüpften in die Höhe und sie strich sich ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren. »Warum denn nicht?«

      Beinahe vermeinte ich, einen enttäuschten Klang in ihrer Stimme zu vernehmen. Aber ich überhörte ihn großzügig.

      »Weil es Wichtigeres im Leben gibt«, war meine einfache Antwort.

      »Oh.« Sie stellte das Glas auf dem Couchtisch ab, der vor uns stand, und als mich ihr Blick wieder traf, war noch stärkere Bewunderung in ihren Augen zu finden. »Du bist so ganz anders als im Chat, weißt du das?«

      Das liegt wohl daran, dass ich nicht der bin, mit dem du gechattet hast, Baby …

      Diese Worte brannten mir auf der Zunge, aber etwas in mir brachte es nicht übers Herz, sie derart vor den Kopf zu stoßen. Wenn diese großen grünen Augen sich mit Tränen gefüllt hätten, hätte ich mir das wirklich nicht verzeihen können … Herrgott noch mal, ich steckte echt in der Scheiße!

      »Ach, und wie bin ich?«, fragte ich gespielt desinteressiert und stellte ebenfalls mein Glas auf den Tisch, um mich dann etwas zurückzulehnen und sie erneut ausgiebig zu mustern. Meine Blicke machten sie nervös, das konnte ich ohne Weiteres erkennen. Und es gefiel mir. Leider …

      »Du bist so … so …« Sie holte tief Luft und begann den Satz nochmals von vorn. »Du bist so … düster.«

      Ich konnte nichts dagegen tun, dass mir ein lautes Lachen entfuhr, das sie zusammenzucken ließ. Wie niedlich sie aussah, wenn sie zusammenzuckte … Ich begann mir plötzlich vorzustellen, wie sie in gewissen Situationen … Shit!

      Ehe meine Fantasie ausufern konnte, biss ich mir auf die Unterlippe, lehnte mich näher zu ihr hinüber und ließ meinen Blick funkeln. Keine Ahnung, wie ihre Augen es schafften, noch größer zu werden und zu einem Dunkelgrün zu wechseln. Es war faszinierend, ihr dabei zuzusehen …

      »Ja, ich bin düster, Baby. Sehr sogar. Daher solltest du dich von mir fernhalten.« Ich raunte ihr diese Worte zu, was meiner Stimme einen heiseren Klang verpasste. Einen Klang, der seine Wirkung nicht verfehlte. Sie wurde knallrot und senkte den Blick.

      »Evan, benimm dich«, erklang Hannes' mahnende Stimme aus der Küche.

      Stalkte uns das Robbenbaby etwa?

      Ich warf einen Blick über die Schulter und meine Miene verfinsterte sich, als ich Hannes mit belehrendem Zeigefinger in der Tür stehen sah. In der anderen Hand hielt er eine Kelle, die er wohl zum Kochen benutzte.

      »Und du lass uns mal endlich für ein paar Minuten in Ruhe, ja?«, knurrte ich ihn an.

      »Nur wenn du dich zu benehmen weißt«, forderte der dreiste Kerl auch noch.

      »Hau ab!«, bellte ich.

      Immerhin verfehlte mein Ton auch bei ihm seine Wirkung nicht. Er hob beide Hände und verzog sich zurück in die Küche.

      Leider hatte sich Sara in der Zwischenzeit etwas gefangen und ihre Wangen überzog nur noch ein dezentes Rosa. Schade, aber ich würde das schnell wieder zu einem Dunkelrot werden lassen.

      Wenn sie schon meinetwegen hier war, durfte ich auch meinen Spaß mit ihr haben, oder? Man bestellte sich doch nicht extra ein Spielzeug aus London, nur um es dann lediglich anzuschauen.

      Na warte, kleine Engländerin, ich zeige dir, was du davon hast, dass du freiwillig hergekommen bist …

      »Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte ich gespielt beiläufig.

      »Nirgendwo. Wir sitzen.«

      Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen und einen Augenblick lang war ich zu überrumpelt, um meinen perplexen Blick zu kontrollieren.

      Verdammt … Nicht nur hübsch, sondern auch noch witzig …

      Bei dieser Frau musste ich wirklich auf der Hut sein.

      Bei diesem Mann musste ich wirklich auf der Hut sein.

      Er war nicht nur sexy, sondern düster-sexy. Von der Sorte ›Bad Boy‹, die gern löchrige Jeans und Kapuzenpullis trugen. Darauf stand ich … leider.

      Ich versuchte die letzten Reste meines Selbstbewusstseins zusammenzukratzen, das er soeben mit einem einzigen Satz in Kombination mit diesem fassungslos verführerischen Blick hatte bersten lassen.

      Ja, ich bin düster, Baby … oh mein Gott, ich stand auf düstere Kerle!

      Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich wieder lockerer wurde und ruhiger atmen konnte.

      Während er mir mit einer Mischung aus Überraschung und Stirnrunzeln in die Augen schaute, bemühte ich mich, in seinem Gesicht zu lesen. Er sah genauso aus wie auf den Fotos, die er mir geschickt hatte. Sein dunkelbraunes Haar war so dicht, dass ich am liebsten meine Finger darin vergraben hätte. Seine blauen Augen sahen mich abwartend an. Aus der Nähe wirkten sie wie tiefe Seen. Ich hatte noch nie in meinem Leben derart blaue Augen gesehen …

      Ja, er sah so aus wie auf dem Foto. Aber er verhielt sich vollkommen anders als im Chat.

      Ich hatte erwartet, dass er auf meinen Witz mit einem Lächeln reagierte, wenigstens einem Schmunzeln – irgendeinem Anzeichen dafür, dass er meinen Scherz lustig fand. Im Chat hatte er immer so viele Smileys geschickt, weil er meinen Humor mochte. Aber jetzt glich sein Gesicht eher einem Emoticon, das in eine Zitrone gebissen hatte. Er schien seinerseits meine Mimik zu studieren und zu versuchen, mich einzuschätzen.

      Er wirkte wie ein Mann, der keinem vertraute. Und dennoch kannte ich diese offene, gesprächige Seite von ihm. Die Seite, die mit mir schon stundenlang gechattet hatte. Über Gott und die Welt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich es schaffen würde, diese Seite hinter seiner düsteren, abweisenden Maske hervorzukitzeln. Schließlich war ich angehende Psychologin!

      Herausforderung angenommen! Ich werde deine Fassade zum Einsturz bringen, Bad Boy.

      Ich straffte die Schultern und sah mich suchend um. »Wo genau soll ich schlafen?«, fragte ich, um die peinliche Stille zwischen uns zu vertreiben, die schon viel zu lange andauerte.

      Es war eine gute Frage. Eine sehr berechtigte. Denn auf dem einzigen Schlafplatz, den es hier gab, saßen wir gerade. Und es stand außer Frage, dass ich zusammen mit Hannes in einem Bett schlief. Aber ich war mir sicher, Evan und er hatten sich dafür schon eine Lösung ausgedacht – und die wollte ich jetzt hören.

      Einen Augenblick lang schien Evan von meiner Frage überrumpelt zu sein, dann zuckte er mit den Schultern. »Hannes wird sicher sein Bett hergeben«, sagte er so laut, dass sein Freund es hören musste.

      Tatsächlich streckte der blonde Typ keine Sekunde später den Kopf durch die Küchentür. »Ja, das mache ich. Ich werde in der Zwischenzeit bei Evan auf der Couch schlafen.«

      Ehe ich etwas antworten konnte, war Evan aufgesprungen und stieß dabei fast sein Wasserglas um.

      »WAS hast du da gesagt?!«, rief er entrüstet. »Kommt nicht in Frage! Du wirst bestimmt nicht bei mir schlafen!«

      Ich sah stirnrunzelnd zu Evan hoch und erhob mich dann ebenfalls. »Ich kann sonst auch … ähm … vielleicht gibt es hier eine Jugendherberge oder so?«, startete ich den Versuch, den aufkeimenden Streit zu schlichten. Denn dass es einen geben würde, konnte ich Evans wutentbrannter Miene ohne Weiteres ansehen. Dazu hätte ich nicht mal Psychologie studieren müssen.

      Hatten die beiden sich denn nicht darüber unterhalten, wo ich schlafen würde?

      Typisch Männer …

      »Die Alternative ist, dass du ihr dein Bett anbietest«, meinte Hannes und hielt Evans flammendem Blick stand. Wahrscheinlich hatte Hannes' Ego einen eingebauten Feuerlöscher, anders war diese Ausdauer nicht zu erklären, mit der er Evan die Stirn bot.

      »Mein