C. M. Spoerri

Unlike: Von Goldfischen und anderen Weihnachtskeksen


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Lächeln. »Perfetto!« Es fehlte nicht viel, und er hätte sich wahrscheinlich die Hände gerieben wie ein Mafiaboss, der einen Deal an Land gezogen hatte.

      Ich brummte etwas zum Abschied und verzog mich aus der Küche, um den Heimweg anzutreten.

      Okay, ich würde Antonio den Gefallen tun und in mein Apartment zurückkehren. Aber ich würde bestimmt nicht aufräumen. Wenn es etwas gab, das ich noch mehr hasste als diese Weihnachtszeit, dann war es aufräumen! Die kommende Woche würde die Hölle werden, ich wusste es jetzt schon!

      Die kommende Woche würde der Himmel auf Erden werden, ich wusste es jetzt schon! Wenn es etwas gab, das ich noch mehr liebte als diese Weihnachtszeit, dann war es reisen. Und ich war noch nie so weit geflogen wie heute.

      Die Romantikerin in mir juchzte vor Freude und holte ihre Pompons hervor.

      Ich sah auf die Landebahn und zählte die Sekunden, bis wir auf dem Boden aufsetzen würden. Gleich wäre ich wirklich und wahrhaftig zum ersten Mal in Amerika.

      Ein kleiner Wermutstropfen blieb zwar, weil meine Freundin Mary nicht mit dabei sein konnte, aber dennoch klopfte mein Herz so schnell, dass ich es in meinem Hals spürte. Ich war so aufgeregt! Und ich tat zum ersten Mal etwas, das ich nicht wirklich kontrollieren konnte. Etwas, das so gar nicht mir entsprach. Urlaub allein in New York. Zusammen mit Sam. Himmlisch!

      Ich hatte meinem imaginären Kontrollmonster verboten, mitzukommen. Das hier wollte ich genießen, ohne schlechtes Gewissen und ohne diese dumme innere Stimme, die mich ständig tadelte und mir verbot, verrückte Dinge zu tun. Dieser Urlaub gehörte mir.

      Sam hatte erklärt, dass sein Freund Hannes mich vom Flughafen abholen würde, da er selbst verhindert sei. Hannes würde mich dann sicher in die Bronx bringen. Ich war etwas versöhnter gewesen, als Sam mir offenbart hatte, dass ›Sam‹ bloß sein Spitzname war und ich ihn deswegen nicht im Telefonbuch gefunden hatte. Eigentlich hieß er Evan. Ein schöner Name, wie ich fand. Ich würde ihn in Zukunft nur noch so nennen, auch wenn er im Chat gemeint hatte, dass er das nicht wirklich mochte.

      Jetzt freute ich mich einfach nur auf die Kontrollmonster-freien, romantischen Weihnachtstage hier in New York. Die Skyline hatte ich bereits aus der Luft bewundern können – sie war atemberaubend schön! Genau so, wie ich sie immer in Filmen gesehen hatte.

      Ein Ruck ging durch die Maschine, als wir landeten, und mein Herz machte gleichzeitig einen Hüpfer vor Freude.

      Es dauerte gefühlt ewig, bis ich endlich aus dem Flugzeug steigen konnte, um mein Gepäck zu holen. Endlich hatte ich meinen kleinen Koffer in der Hand und mir einen Weg zur Empfangshalle des Flughafens gebahnt, wo ich mich erwartungsvoll umsah.

      Ein schlanker, junger Mann trat auf mich zu und schenkte mir ein schüchternes Lächeln. Er trug einen weißen Pullover, auf dem ich den dunkelblauen Schriftzug ›New York Yankees‹ lesen konnte, darüber eine schwarze Daunenjacke und hellblaue Jeans. Sein blondes Haar war halblang und seine großen, dunklen Augen blickten freundlich. Er war wahrscheinlich Mitte zwanzig, obwohl sein Gesicht sehr jugendlich wirkte.

      Das musste Hannes sein – Evan-Sams Beschreibung passte perfekt auf ihn.

      In dem Moment wusste ich, dass ich keinesfalls auf irgendeinen Massenmörder oder Serienvergewaltiger hereingefallen sein konnte. Massenmörder und Serienvergewaltiger hatten nicht solch freundlich blickende Freunde mit Engelsgesichtern.

      »Bist du Sara?«, fragte er und augenblicklich verliebte ich mich in seinen amerikanischen Akzent.

      »Ja, bin ich!«, rief ich aufgeregt und wusste nicht genau, wie ich ihn begrüßen sollte, bis er mir seine Hand entgegenstreckte. Ich hätte ihn vor Freude auch umarmt, das wäre mir einerlei gewesen. Aber ein Händeschütteln tat es für den Anfang auch.

      »Ich bin Hannes. Freut mich, dich kennenzulernen.« Sein Lächeln wirkte so warm und liebenswert, dass ich ihn auf Anhieb in mein Herz schloss.

      Notiz an mich: Manchmal war es eben doch gut, wenn man etwas Spontanes, Verrücktes tat und nicht immer auf das innere Kontrollmonster hörte.

      »Ich freue mich riesig, hier zu sein«, schwärmte ich und sah mich in der Eingangshalle um. »Danke, dass du mich abholen kommst.«

      »Dein erstes Mal in Amerika?«, fragte Hannes, während er ganz Gentleman-like nach meinem Koffer griff und dann mir voran in Richtung Rolltreppe ging. Darüber erkannte ich ein Schild, das U-Bahn-Stationen anzeigte.

      Ich nickte, merkte dann aber, dass er mich ja nicht sehen konnte, weil ich hinter ihm auf der Rolltreppe stand, also schickte ich ein hastiges »Ja« hinterher.

      »Wie war dein Flug? Gut?«, fragte er weiter, als wir die Rolltreppe verlassen und ein Ticket für mich gelöst hatten.

      »Oh ja, sehr gut«, nickte ich, während wir bei den Gleisen warteten. »Ich liebe es, zu fliegen.«

      Er warf mir von der Seite einen kurzen Blick zu und ich sah, wie sich ein Schmunzeln auf seine Lippen legte. »Ich mag das Fliegen nicht«, gestand er. »Ist mir zu hoch.«

      »Hast du Höhenangst?«

      Ich wusste, dass man solche Fragen nicht bei der ersten Begegnung stellte, aber mir waren die Worte entschlüpft, ehe ich sie aufhalten konnte.

      Hannes nickte knapp und sein Schmunzeln wurde etwas gequält. »Immer schon gehabt.«

      »Oh.« Ich hatte keine Ahnung, wie ich darauf reagieren sollte.

      Warum hatte ich ihm bloß diese blöde Frage gestellt?! Daher sah ich nun betreten zu Boden und begutachtete meine Füße, die in einfachen Turnschuhen steckten. Es war ein absoluter Stilbruch zu meinem wunderschönen, hellgrauen Mantel mit dem weißen Pelzkragen, den ich extra für New York gekauft hatte. Aber auf so einem langen Flug mit Stiefeln unterwegs zu sein, hätte mich wahrscheinlich umgebracht. Und Schuhe ausziehen im Flugzeug – ne!

      »Du bist bestimmt müde von der Reise«, half mir Hannes aus der Klemme.

      Ich nickte – vielleicht ein bisschen zu erleichtert. »Ja, es war wirklich ein langer Flug. Aber es hat sich bestimmt gelohnt.« Ich lächelte ihn an. »Dein Freund Sam hat mir erzählt, dass wir heute Abend zusammen essen werden?«

      Hannes wich meinem Blick aus. »Ja, ich koche für uns«, antwortete er, ohne mich anzusehen. »Ah, da ist unsere Bahn. Komm, dein New Yorker Abenteuer beginnt soeben. Jeder, der diese Stadt besucht, muss mindestens ein Mal in der New Yorker Subway gesessen haben.«

      Das Abteil war zum Bersten voll und ich konnte gerade so einen Stehplatz für mich und meinen Koffer neben Hannes erkämpfen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis wir endlich ausstiegen. Ich hatte unterwegs nicht viel außer Industriegebieten und Wohngegenden zu sehen bekommen, die ich in London auf jeden Fall gemieden hätte. Die New Yorker Skyline konnte ich längst nicht mehr sehen.

      Hier wohnte also Sam-Evan? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man sich in dieser Gegend wohl fühlte. Nun ja, wir würden bestimmt morgen nach Downtown fahren und dann könnte ich mir New York endlich richtig ansehen.

      Hannes führte mich durch Straßen, die etwas heruntergekommen wirkten, in denen sich aber immerhin keine komischen Gestalten herumtrieben. Bei einem hohen Gebäude hielt er an.

      »Hier wohnst du für die nächsten Tage.« Er deutete mit dem Kopf die Fassade empor.

      Ich nickte. Die Gegend hier hatte ich mir bereits auf Google Earth angeschaut und wusste daher, was mich erwartete. In echt wirkte alles aber irgendwie trostloser.

      »Du kannst in meiner Wohnung warten, bis Sam zurück ist. Er erledigt noch ein paar Sachen.« Hannes strahlte mich an.

      Ich nickte erneut. »Gern.«

      Was das wohl für Sachen sein mochten? Hatte er sich etwas für mich einfallen lassen? Ein Geschenk? Irgendeine Aufmerksamkeit?

      Ich konnte es nicht verhindern, dass meine Wangen bei diesen Gedanken warm wurden und mein Bauch zu kribbeln