C. M. Spoerri

Unlike: Von Goldfischen und anderen Weihnachtskeksen


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sich wahnsinnig auf mich freue und es kaum erwarten könne, mich endlich live zu sehen. Mir ging es bei ihm genauso. Ich musste zugeben, dass ich mich etwas in ihn verguckt hatte.

      Hach, das würden wundervolle Tage hier in New York werden!

      Beschwingt folgte ich Hannes die Treppe hinauf und wartete, bis er den Schlüssel zu seiner Wohnung herausgesucht hatte. Dabei fiel mir auf, dass seine Hände etwas zitterten, als wäre er nervös.

      »Ich habe selten Frauen zu Besuch«, sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln, als er meinen Blick auf seine Finger bemerkte.

      Ich erwiderte sein Lächeln herzlich. »Ach, das macht doch nichts«, meinte ich schulterzuckend. »Ich bin mindestens genauso aufgeregt wie du.«

      »Du magst Evan … äh … ich meine Sam, oder?«, fragte er mit einem flüchtigen Blick zu mir.

      Endlich schloss er die Tür auf und gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich eintreten konnte.

      »Nun ja, ich kenne ihn ja nur aus dem Chat«, antwortete ich ausweichend, während ich an ihm vorbeiging und im Zimmer stehen blieb, das ich betreten hatte. »Aber das, was ich von ihm kennengelernt habe, mag ich auf jeden Fall. Er ist sehr aufmerksam und freundlich.«

      Hannes war hinter mir ebenfalls in sein Apartment getreten und legte die Schlüssel auf einen kleinen Beistelltisch neben der Tür. »Ich hoffe, er kann sich benehmen«, sagte er. »Willkommen in meinem bescheidenen Heim. Da drüben ist die Toilette, falls du dich frisch machen möchtest, dort die Küche.«

      Er deutete auf zwei Türen, die einander gegenüberliegend von dem kleinen Zimmer abgingen. Ansonsten gab es an Möbelstücken außer einem Ledersofa und einem Fernseher nur einen Holztisch mit zwei Stühlen. Dafür aber jede Menge Dekorationen wie kleine Pflanzen oder Bilder an den Wänden. Hannes hatte sich wirklich ein gemütliches Nest eingerichtet.

      »Das Schlafzimmer ist direkt hier.« Er deutete auf die Couch und schenkte mir ein entschuldigendes Lächeln, das ich jetzt schon öfters bei ihm gesehen hatte. »Ich werde mich dann mal ans Kochen machen. Möchtest du etwas trinken?«

      »Wasser, danke«, antwortete ich und stellte meinen Koffer neben die Tür.

      »Kommt sofort.«

      Hannes verschwand in der Küche und kam wenige Sekunden darauf mit einem Glas in der Hand zurück. »Mach es dir gemütlich«, meinte er mit einem Blick zum Ledersofa.

      »Danke.« Ich nahm das Wasserglas entgegen und trank einen Schluck. Es schmeckte ziemlich komisch … irgendwie nach Chlor. Seltsam …

      Hannes schien mein Gesichtsausdruck aufgefallen zu sein. »Oh, tut mir leid. Unser Leitungswasser hat immer diesen Geschmack. Hab nicht daran gedacht, dass Ausländer das nicht gewohnt sind. Ich werde rasch losgehen und Mineralwasser kaufen.«

      »Nein, mach dir bitte keine Umstände.« Ich hielt ihn am Arm fest, da er direkt losstürmen wollte. »Ich werde mich wahrscheinlich daran gewöhnen.«

      »Sicher?« Er sah mich skeptisch an.

      »Nun ja, ihr trinkt das ja auch, oder?«

      »Na ja, nicht immer. Meist trinken wir Wasser aus der Flasche, da der Chlorgehalt hier in New York schon sehr stark ist. Aber ich werde schnell zu Evan rübergehen – er hat bestimmt noch Mineralwasser.«

      Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer bei der Erwähnung seines Namens. »Ich dachte, er ist noch nicht zu Hause?«, fragte ich mit großen Augen.

      »Ich … äh … ich werde mal schauen gehen. Vielleicht ist er doch schon zurück«, wich Hannes aus, was mich die Stirn runzeln ließ.

      »Ich kann das doch machen«, schlug ich vor.

      »Schon gut. Mach du dich frisch und erhol dich vom Flug«, winkte Hannes ab. »Ich werde mal rübergehen und die Lage checken. Evan kann sehr ruppig sein, wenn er nervös ist – und das wird er bestimmt sein, wenn er dich sieht.« Hannes zwinkerte mir verschwörerisch zu, während er sein strahlendstes Engelslächeln hervorholte. »Ist vielleicht besser, wenn ich kurz mit ihm rede.«

      Ich warf Hannes einen langen Blick zu, dann nickte ich. »Nun gut, ich gehe dann mal kurz in dein Bad, wenn das in Ordnung ist?«

      »Sicher!« Er rief das Wort beinahe. »Bis gleich.« Damit verschwand er aus seiner Wohnung.

      Ich sah stirnrunzelnd auf die Tür, die er hinter sich zugezogen hatte. Dieser Hannes verhielt sich äußerst merkwürdig. Vielleicht sollte ich mir doch Sorgen machen?

      War das hier der Anfang eines Splatter-Movies? Naive junge Frau geht in die Wohnung eines fremden Kerls, der sie gleich mit seinem Freund zusammen vierteilen wird?

       Pssst, Kontrollmonster! Du hast Sendepause!

      Sicherheitshalber suchte ich dennoch nach meinem Handy und wählte Marys Nummer, während ich aus meinem Koffer mein Necessaire hervorsuchte und in Richtung Bad ging. Ich hatte ihr schon eine SMS geschickt, als ich gelandet war, nun war mir aber danach, ihre Stimme zu hören.

      Nach dreimaligem Klingeln nahm sie ab.

      »Sara?« Ihre verschlafene Stimme ließ mich augenblicklich daran denken, dass es bei ihr ja bereits tief in der Nacht sein musste. Hier in New York war es nämlich siebzehn Uhr.

      Ich suchte eine Haarbürste hervor und kämmte damit meine braunen Locken.

      »Oh, tut mir leid, Liebes«, stotterte ich in die Leitung, während ich das Handy zwischen Wange und Schulter einklemmte, um etwas Deo zu benutzen und dann Parfum zu versprühen. »Ich hab vergessen, dass du wahrscheinlich schon schläfst.«

      »Jetzt nicht mehr.« Sie klang munterer und ich hörte ihre Decke rascheln. Vermutlich hatte sie sich im Bett aufgesetzt. »Bist du schon bei Evan?«

      Ich hatte ihr erzählt, dass er nicht Sam hieß.

      »Ja – das heißt: Nein. Ich bin bei seinem Freund Hannes in der Wohnung. Er will für uns heute Abend kochen.«

      Ich legte ein wenig Rouge nach und puderte meine Nase, ehe ich die Wimpern tuschte. Schon sah ich weniger müde aus, als ich mich fühlte.

      »Seinem Freund?! Sag bloß, Evan ist schwul!« Ihre Stimme klang entgeistert.

      Daran hatte ich noch gar nicht gedacht …

      Konnte das sein? Ach du meine Güte, ich hatte einfach angenommen, dass er hetero war. Ich hatte ihn nie danach gefragt … wie peinlich wäre das denn bitte, wenn dieser Hannes und er … wenn sie … MIST!

      Ich verließ das Bad und legte mein Necessaire zurück in den Koffer.

      »Du weißt es nicht«, schlussfolgerte Mary aus meiner langen Pause, in der ich auf meiner Unterlippe herumgekaut hatte.

      »Ähm … nein«, bestätigte ich, während ich ans einzige Fenster trat, das es hier im Raum gab, und hinausblickte. Draußen war nichts als eine weitere Häuserfassade zu sehen. »Aber Evan sieht doch nicht schwul aus, oder?«

      »Du weißt, dass Homosexualität niemandem auf die Stirn tätowiert ist?«, sagte Mary belehrend.

      Ich hasste diesen Tonfall …

      »Und selbst wenn Evan schwul ist …«, begann ich laut und hielt mitten im Satz inne, als ich hinter mir die Tür vernehmlich ins Schloss fallen hörte.

      Einen Moment lang wollte ich einfach nur im Erdboden versinken. Als das jedoch nicht passierte, drehte ich mich wie in Zeitlupe um und betete zu Gott, dass hinter mir nicht gerade Evan stand.

      Gott machte heute wohl blau.

      »Entschuldige, ich muss auflegen«, stammelte ich und ließ mein Handy sinken.

      Da stand er und sah mich mit verschränkten Armen und zusammengezogenen Augenbrauen an: Evan.

      Da stand sie und sah mich mit großen Augen und