Magda Trott

Pucki


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hatte Pucki den wettergebräunten Mann kennengelernt. Nun war Michael lange wieder fort.

      Beim Schmanzbauer und dessen Frau lebte noch seine alte Mutter, die neunzigjährige Frau Teck. Bis in ihr hohes Alter war sie tätig gewesen, ein Bild unermüdlichen Fleißes und rastlosen Eifers. Nun ging es mit ihr bergab. Weder die Füße noch die Augen wollten mehr mitmachen, und Großmutter Teck war gezwungen, in der Stube zu sitzen. Nur stricken konnte sie noch, daher regten sich die alten Hände auch jetzt unermüdlich. Der Schmanzbauer und seine beiden Söhne brauchten sich über fehlendes Wollzeug nicht zu beklagen.

      Die einzigen Besucher, die gelegentlich zur Schmanz kamen, waren die Försterleute Sandler. Hin und wieder statteten auch Niepels dem brummigen Alten, der ständig eine kurze Pfeife im Munde hatte, einen Besuch ab, doch der Schmanzbauer taute stets nur ein wenig auf, wenn Sandlers kamen. Sonst war er meistens stumm. Für Pucki hatte er jedoch stets ein freundliches Wort. Die Kleine mit ihrem hellen Kopf war ihm ans Herz gewachsen. Auch Pucki liebte den Schmanzbauer, der zwar recht brummig aussah, ihr jedoch noch nie ein böses Wort gesagt hatte.

      Pucki freute sich daher auf den Besuch am heutigen Tage.

      »Dort ist nicht nur Wald, Rose, dort wächst auch Getreide, und eine grüne Wiese ist ebenfalls da. Vielleicht sehen wir auch ein Reh, wenn wir durch den Wald gehen.«

      Man machte sich auf den Weg. Sogar Förster Sandler begleitete heute die Seinen. Waltraut, die Zweijährige, blieb bei Minna daheim, während Pucki und Rose vergnügt neben den Försterleuten einherschritten.

      »Wird die Schmanzgroßmutter sich über die Decke freuen!« sagte Pucki und packte die kleine Flechtarbeit immer wieder aus, um sie genügend bewundern zu können. »Die alte Frau hat ganz verschrumpelte Haut, Rose, sie sieht nicht mehr schön aus.«

      »Aber sie ist eine gar fleißige Frau«, sagte Förster Sandler mahnend. »Ich wäre stolz, wenn meine Pucki in ihrem Leben halb so viel arbeiten würde wie die gute Großmutter Teck.«

      »Werd' ich schon machen, Vati! Pucki hat doch so 'ne schöne Decke gearbeitet.«

      Rose sah auf ihre leeren Hände. Die von ihr gefertigte Decke war das Eigentum der Frau Sandler geworden, denn Rose hatte das Bedürfnis gehabt, der guten Tante, die ihr so viel Freude bereitete, etwas zu schenken.

      »Soll ich der alten Großmutter Blümchen pflücken?«

      »Tu das, mein Kind«, erwiderte Frau Sandler, »sie wird sich darüber freuen.«

      »Aber ich schenke ihr doch was Schöneres, Mutti? Eine Handarbeit, hast du mal gesagt, macht dir immer die meiste Freude.«

      »Die alte Frau wird sich auch über die Blümchen freuen, Pucki.«

      »Na, dann wollen wir mal sehen, worüber sie sich mehr freut. Ich glaube doch, sie freut sich über die Decke am meisten.«

      Nach einer halbstündigen Wanderung kam das schmucke Häuschen in Sicht. Erst hatte man noch an einigen Feldern entlang zu gehen, auf denen das Korn hin und her wogte. Blaue und rote Blumen waren zwischen den Halmen sichtbar.

      Mit einem Freudenruf eilte Rose darauf zu. Oh, wie leicht würde es sein, aus allem was es hier gab, einen schönen Strauß zusammenzufügen.

      Eine Ähre ragte hoch über die andern hinweg. Unwillkürlich blieb Roses Blick an ihr haften. Die sollte das Allererste sein, was sie für ihren Strauß haben wollte. Schon streckte sie die Hand danach aus.

      »Halt, halt! Nicht so stürmisch, Kind.« Frau Sandler hielt sie zurück, »du darfst keine von den Ähren abreißen.«

      »Ach ...« Rose wurde dunkelrot, ohne eigentlich zu wissen warum.

      Die Försterin strich ihr lächelnd über das Haar. »Ein Kornfeld, mein Kind, ist etwas Heiliges, an dem niemand sich vergreifen darf.«

      Mit großen Augen blickte Rose auf die sich im Winde wiegenden Ähren hin.

      »Dass ein Kornfeld einmal so aussehen könnte, habe ich nicht gewusst. Wir machten im Frühling einmal eine Wanderung mit unserem Lehrer, und dabei kamen wir an ein Feld, das wir für eine Wiese hielten, denn es sah aus, als wüchse Gras darauf. Er aber sagte, das sei ein Kornfeld, und nun ... und nun ...«

      »Ganz recht. Wenn die Saat aufgegangen ist, sehen die Hälmchen zuerst nicht viel anders aus als Gras. Dann aber werden sie höher und immer höher, bekommen Ähren und blühen ...«

      »Und dann sind sie das liebe Brot«, fiel Pucki altklug ein.

      Die Mutter lächelte. »Nun, das nicht. Aber die Ähren enthalten schließlich Körner, und wenn das Getreide gereift, geerntet und ausgedroschen ist, kommen die Körner zur Mühle. Aus ihnen entsteht das Mehl, und aus diesem wird dann das Brot gemacht. Alle Halme, die du hier siehst, Rose, gehören dem Schmanzbauern. Wollte jeder Vorübergehende sich an den Ähren vergreifen, sie abpflücken oder die Halme gar niedertreten, würde er um den Lohn seiner Arbeit gebracht und müsste schließlich womöglich verhungern.«

      »Darf ich auch die schönen Blumen nicht pflücken?« fragte das Kind schüchtern.

      »Oh, doch, Kornblumen und den roten Mohn darfst du pflücken. Doch nur das, was du vom Wege aus erreichen kannst. Aber sehr vorsichtig musst du sein, damit du keinen Halm knickst.«

      »Und wie heißen diese hohen Halme?« fragte Rose schüchtern.

      »Ach, ihr armen Stadtkinder«, lachte der Förster, »wie vieles euch doch fremd bleibt von dem, was es in der schönen freien Gotteswelt gibt. Das ist Roggen, kleines Mädchen. Schau, dort drüben steht auch Getreide. Aber das ist Weizen, und von dem kommt das feine weiße Mehl für Brötchen und Kuchen, und dort hinten ...«

      »Oh – oh – oh!«

      »Was ist denn los!«

      »Der Osterhase!« rief Rose und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen.

      Nun lachte Pucki laut auf. »Hast du gehört, Vati? Das soll der Osterhase sein, jetzt, wo wir im Sommer sind. – Der Osterhase! Das ist doch bloß ein ganz gewöhnlicher Hase! Ein Meister Lampe! Hahaha!«

      Pucki konnte sich kaum wieder beruhigen.

      »Du brauchst gar nicht so zu lachen. Wenn du einmal in die Stadt kommst, nennst du am Ende auch einmal dies oder das mit falschem Namen. Und dann kann Rose dich auslachen. Sie hat eben noch keinen lebenden Hasen gesehen.«

      Endlich war das Haus des Schmanzbauern erreicht.

      Erfreut begrüßte die Bäuerin die Ankommenden.

      »Wie wird sich die Mutter freuen, so lieben Besuch zu bekommen.«

      »Ich bringe ihr auch was mit, Tante Teck.«

      »Wer ist denn das da?«

      »Ein kleines Mädchen, das wir uns aus der großen Stadt geholt haben.«

      »Sie ist aber viel größer als du, Pucki. Sei uns herzlich willkommen, Kind. Nun rasch ins Haus, ich habe es mir schon gedacht, dass ihr heute kommen würdet. Großmutter hat dafür gesorgt, dass ihr einen schönen Rosinenkuchen bekommt.«

      Im Zimmer am Fenster saß der Schmanzbauer.

      Wortkarg, wie immer, begrüßte er die Gäste und auch Rose, die ein wenig verlegen ihren Feldblumenstrauß in den Händen hin und her drehte. Er hielt es aber nicht für nötig, während der Begrüßung die Pfeife aus dem Munde zu nehmen.

      Die Mutti näherte sich indessen der Großmutter und wünschte ihr das Allerbeste zu ihrem neunzigsten Geburtstage.

      Aber schon kam auch Pucki herbeigelaufen.

      »Großmutter, du alte Großmutter, ich habe was Schönes für dich gemacht. Sieh mal her, eine ganz bunte Decke. Die wird dir wohl gefallen. Und ich wünsche dir, dass du immer so schön alt bleibst und recht warm hinter dem Ofen sitzt. Und wenn ich wiederkomme, dann bäckst du wieder 'nen großen Kuchen mit Rosinen. – Freut dich die Decke, alte Großmutter?«

      »Freilich, freilich, du gutes Kind«,