Charles Dickens

Nikolas Nickleby


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Price, konnte aber dabei ein geschmeicheltes Lächeln nicht unterdrücken, denn sie war hübsch und in ihrer ländlichen Weise ein wenig kokett, Nikolas ein feiner junger Mann und nach ihrer Ansicht das Eigentum einer anderen – lauter Gründe, die ihr das alles höchst pikant erscheinen ließen. »Fanny würde mir Vorwürfe machen. – Aber kommen Sie, wir wollen ein bißchen Karten spielen.«

      Mit den letzten Worten, die sie laut sprach, trippelte sie weg und hängte sich an ihren stämmigen Yorkshirer.

      Nikolas wußte nicht, was er aus alldem machen sollte. Das einzige, was er begriff, war, daß Miss Squeers ein recht gewöhnlich aussehendes und ihre Freundin ein ganz hübsches Mädchen waren. Aber es blieb ihm keine Zeit, über die Sache weiter nachzudenken, denn der Tisch war inzwischen abgewischt und das Licht geschneuzt worden, und er konnte nicht gut anders, als sich mit zu einer Partie »Spekulation« niederzusetzen.

      »Wir sind nur vier, Tilda«, sagte Miss Squeers mit einem bedeutsamen Blick auf Nikolas, »wir werden daher wohl am besten zwei gegen zwei spielen.«

      »Und was meinen Sie dazu, Mr. Nickleby?« fragte Miss Price.

      »Mit dem größten Vergnügen«, erwiderte Nikolas und warf, ohne zu ahnen, welch entsetzlichen Verstoß er beging, seine Spielmarken, die aus Dotheboys-Hall-Geschäftskarten bestanden, mit denen, die Miss Price zugeteilt waren, zusammen.

      »Nun, Mr. Browdie«, sagte Miss Squeers hysterisch lachend, »wollen wir Bank gegen sie halten?«

      Der Yorkshirer, augenscheinlich verblüfft über die Unverschämtheit des neuen Hilfslehrers, willigte ein, und Miss Squeers schoß mit krampfhaftem Lächeln einen Giftblick auf ihre Freundin.

      Nikolas war am »Geben« und bekam gleich anfangs günstige Karten.

      »Wir werden gewinnen«, sagte er.

      »Tilda hat ja schon etwas gewonnen, was sie vermutlich nicht erwartete; nicht wahr, Tildchen?« versetzte Miss Squeers boshaft. »Lumpige ›zwanzig‹, liebste Fanny«, gab Miss Price zurück, sich anstellend, als hätte sie den Doppelsinn der Frage nicht verstanden.

      »Du bist ja heute abend merkwürdig kurz von Begriffen«, höhnte Miss Squeers.

      »O im Gegenteil«, entgegnete die Müllerstochter. »Aber dir scheint etwas über die Leber gelaufen zu sein. – Nicht?«

      »Mir?« rief Miss Squeers, sich in die Lippen beißend und zitternd vor Eifersucht. »Nicht daß ich wüßte.«

      »Nun, das ist ja höchst erfreulich«, höhnte Miss Price. »Aber gib acht, dein Haar geht aus den Locken, liebste Fanny.«

      »Kümmere dich nicht um mich«, zischte Miss Squeers, »du tätest besser, auf deinen Partner zu achten.«

      »Ich bin Ihnen für diese freundliche Erinnerung sehr verbunden, Miss Squeers«, mischte sich Nikolas ein, »ich bin ganz Ihrer Meinung.«

      Der Yorkshirer schlug sich ein paarmal mit der geballten Faust über die Nase, wie um in Übung zu bleiben, bis er genügend Veranlassung haben werde, sie auf das Gesicht seines Widersachers fallen zu lassen, und Miss Squeers warf ihren Kopf mit solcher Entrüstung zurück, daß der durch die Bewegung ihrer üppigen Locken erzeugte Windstoß beinahe das Licht ausgelöscht hätte.

      »Ich habe wahrhaftig noch nie solches Glück gehabt«, hetzte die kokette Müllerstochter weiter, als einige Spiele absolviert waren. »Das kommt von Ihnen, Mr. Nickleby. Ich wollte, Sie wären immer mein Partner.«

      »Ich könnte mir nichts Besseres wünschen«, erwiderte Nikolas galant.

      »Aber Sie werden ein böses Weib bekommen, wenn Sie so viel Glück im Spiel haben«, prophezeite Miss Price.

      »Nicht, wenn Ihr Wunsch in Erfüllung ginge«, entgegnete Nikolas.

      – Es wäre schon eine kleine Jahresrente wert gewesen, mit anzusehen, wie Miss Squeers während dieses Geplänkels den Kopf in die Höhe warf und der Kornhändler seine Nase bearbeitete, während es Miss Price einen Riesenspaß bereitete, die beiden eifersüchtig zu machen, und Nikolas in glücklicher Ungewißheit nicht entfernt daran dachte, welches Unheil er anrichtete. –

      »Die Unterhaltung bleibt ja, wie es scheint, ganz uns überlassen«, scherzte Nikolas, sah sich in heiterster Laune am Tische um und raffte zugleich die Karten zusammen, um aufs neue zu geben.

      »Sie leiten die Konversation doch so trefflich«, fauchte Miss Squeers, »daß es jammerschade wäre, Sie zu unterbrechen. Nicht wahr, Mr. Browdie? Hi, hi, hi.«

      »Ja, nun«, entgegnete Nikolas, »wenn sonst niemand anders etwas spricht!«

      »Ihr könnt euch doch miteinander unterhalten, wenn ihr schon nicht mitreden wollt«, hetzte Tilda ihren Bräutigam. »John, warum bist du denn so stumm?«

      »Stumm? –!?« wiederholte der Yorkshirer.

      »Ja, ja, stumm und dämlich. Sprich doch auch etwas.«

      »Also guat!« schrie der Kornhändler und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Nacher sag i, der Teifel soll mi lotweis holen, wann i dös länger mit anschaug. Glei gehst mit mir nach Haus, und der Maulheld da soll sich auf an Leibschaden g'faßt machen, wann er mir unter die Hand kommt.«

      »Um Gottes willen, was ist denn geschehen?« rief Miss Price mit geheucheltem Erstaunen.

      »Heim kommst mit mir, sag i dir«, wiederholte der Yorkshirer mit Nachdruck.

      Miss Squeers ihrerseits brach in einen Strom von Tränen aus, der zum Teil seinen Grund in der tödlichen Kränkung, zum Teil in dem ohnmächtigen Wunsch hatte, irgend jemand das Gesicht mit ihren süßen Fingernägelchen zu zerkratzen.

      Und was war schuld an alldem? Miss Squeers hatte ihr Teil dazu beigetragen, da sie sich der hohen Ehre einer Anwartschaft auf den Brautstand gerühmt, ohne hinreichende Gründe dafür zu haben – Miss Price hatte mehrere Hebel spielen lassen, einmal den, die Freundin für die Anmaßung, mit ihr hinsichtlich eines Titels, auf den sie kein Recht hatte, zu rivalisieren, zu bestrafen, und zweitens den, dem Kornhändler einen augenfälligen Beweis zu liefern, welche große Gefahr ihm aus einem längern Hinausschieben der Trauungszeremonien erwachsen könnte, während das Scherflein des armen Nikolas in der gedankenlosen Heiterkeit einer halben Stunde und in dem aufrichtigen Wunsche bestand, jeden Verdacht, es könne zwischen ihm und Miss Squeers ein Liebesverhältnis bestehen, ad absurdum zu führen.

      »Und Fanny schwimmt gar in Tränen«, rief Miss Price, als setze sie dies in neuerliches Erstaunen. »Ja, was soll denn das heißen?«

      »Oh, Sie wissen es nicht, Mamsell, natürlich, Sie können es ja nicht wissen. – Bitte, inkommodieren Sie sich doch nicht mit Fragen«, fauchte Miss Squeers mit einem Gesicht, das man bei Kindern eine Fratze genannt haben würde.

      »Na, so etwas ist mir doch, weiß Gott, noch nicht vorgekommen«, rief Miss Price.

      »Mir ganz egal, ob Ihnen so etwas vorgekommen ist oder nicht, Mamsell«, entgegnete Miss Squeers grob.

      »Sie sind ja ungeheuer höflich, Mamsell«, höhnte die Müllerstochter.

      »Ich brauche nicht zu Ihnen zu kommen, um mir Unterricht in Höflichkeit geben zu lassen, Mamsell«, belferte Miss Squeers.

      »Es hätte auch keinen Zweck, wo sowieso Hopfen und Malz verloren ist«, entgegnete Miss Price prompt.

      Miss Squeers wurde blutrot bis über die Ohren und dankte Gott, daß sie keine so freche Stirn wie gewisse Leute habe, und Miss Price ihrerseits wünschte sich Glück, nicht wie gewisse Personen vom Neidteufel besessen zu sein. Miss Squeers erging sich daraufhin in Bemerkungen hinsichtlich der Gefahren, die man laufe, wenn man sich mit ordinären Leuten einlasse, eine Ansicht, der Miss Price rückhaltlos beipflichtete.

      »Tilda!« rief Miss Squeers schließlich mit Würde, »ich hasse dich.«

      »Und ich gedenke wahrhaftig auch nicht meine Liebe an dich zu verschwenden«, revanchierte sich Miss Price und zerrte ihre Hutbänder mit einem zornigen Ruck zu. »Du wirst dir noch