Hanne-Vibeke Holst

Mann umständehalber abzugeben


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beleidigt an und kann nur schwer seine Unzufriedenheit darüber verbergen, daß ich mich mit einer eigenen Sendung, der Revolution und allem hervortun darf, während er wie alle anderen Doofen das tägliche Geschäft erledigen muß.

      »Du bist nur neidisch!« erklärt die Producerassistentin mit ihrem losen Mundwerk und drückt ihm eine Thermoskanne in die Hand, damit er Kaffee kochen kann. Kirsten ist erst fünfundzwanzig, aber sie hat die notwendige, angeborene Autorität, so daß die alten Primadonnen ihr wie gutdressierte Hunde gehorchen.

      Paul hat aufgehört, mich anzurufen oder mir Nachrichten zu hinterlegen, und es sind auch keine weiteren Umschläge oder Blumenboten gekommen. Da die Rosen schnell verwelken, weil ich weder das Wasser wechsle noch sie schneide, und ich ihm nur einmal in der Kantine über den Weg laufe, wo er – vielleicht mir zu Ehren – mit dem Arm locker um Henriettes Schulter sitzt, fehlt nicht mehr viel, daß ich ihn ganz verdrängen kann. Aber beim Essen mit Frank und Simon, wo ich etwas zuviel Retsina zum Moussaka trinke und die beiden nebeneinandersitzen, sich Küßchen geben und Zärtlichkeiten austauschen und dabei so unglaublich männlich sind, da muß ich doch von ihm erzählen. Und an dem Morgen, als ich sehe, wie er aus ihrem VW Cabriolet aussteigt, krampft sich in mir einiges zusammen.

      Ich versuche einen primitiven Gegenzug – am Wochenende rufe ich einige meiner alten Flammen und Liebhaber an. Der eine würde verdammt gern kommen und hat schrecklich viel Lust, aber er steht kurz vor seiner Hochzeit. Ein anderer irritiert mich bereits fürchterlich während eines Essens in dem neuen thailändischen Restaurant, wo ich mich mit ihm verabredet habe. Den dritten besteige ich sogar, krabble jedoch schnell wieder herunter und lasse ihn frustriert, um nicht zu sagen erzürnt in einem Hotelbett in Vesterbro zurück.

      In den letzten Tagen vor Redaktionsschluß habe ich keine Zeit, an ihn zu denken. Ich bin kurz davor, in Panik zu geraten, aber Søren erweist sich wieder einmal als Kumpel. Er überredet seine Mutter, die Tochter abzuholen, und da seine Krankenschwesterehefrau sowieso Nachtwache hat, kann er unbegrenzt bleiben. So sitzen wir die letzten beiden Abende bis spät in die Nacht da – bis es uns vor den Augen flimmert, der Nacken steif wird und wir nicht mehr in der Lage sind, länger vernünftig zu arbeiten. Erst am Freitag nachmittag – im allerletzten Augenblick – können wir stolz und guten Gewissens das fertige Band dem Sendeleiter abliefern.

      Ich fühle mich ausgelaugt und euphorisch, habe das Gefühl, meiner Vision so nahe wie möglich gekommen zu sein, und spendiere Søren und den anderen im Redaktionsflur Wein. Nachdem die Leute nach und nach mit ihren Beiträgen fertig geworden sind, entwickelt sich das Ganze zu einer Art Umtrunk – zur großen Verärgerung des Sekretariats, in dem die Leute bis zum Ende der Spätnachrichten nüchtern bleiben müssen. So daß der General, der keine Gelegenheit ausläßt, sich aufzublasen, den Redaktionsflur entlanggerollt kommt, um mit seiner Rifle zu drohen. Ich nehme ihm den Wind aus den Segeln, indem ich ihm auch ein Glas anbiete. Er fragt, ob meine Arbeit denn wirklich so gut sei, daß ich es mir erlauben könne, mich selbst zu feiern, und ich antworte »you bet!« und gebe ihm eine Kopie des Bands. Er kann es sich ja selbst angucken, wenn er mir nicht glaubt.

      »Ich habe keine andere Wahl!« sagt er und kippt den sauren Kantinenwein hinunter. Aber er nimmt tatsächlich das Band mit und versichert, daß er es sich sofort anschauen werde.

      Søren und ich werfen uns Blicke zu – ich bin nicht wirklich davon überzeugt, daß der Bericht dem Geschmack des Generals entspricht. Er ist zweifellos mehr für Pulver und Kugel als für eine großartige Oper und Kunst! Während also der General mit dem Band in seinen Pranken den Flur entlangmarschiert, bereue ich bereits, daß ich unbedingt Emma Peel spielen mußte. Es ist schon früher vorgekommen, daß er interveniert hat und in letzter Sekunde eine Umarbeitung gefordert oder eine Sendung aus dem Programm genommen hat. Und natürlich kann er das jetzt auch noch tun.

      Aber genau fünfundfünfzig Minuten später – in denen Søren und ich verschiedene Strategien diskutiert haben, wie wir uns im schlimmsten Fall verhalten, allerdings ergebnislos – kommt er zurück. Mit dem Band in der einen Hand und zwei Flaschen Wein in der anderen.

      »Prima«, sagt er. »Anders, aber gut. Herzlichen Glückwunsch!« Dann gibt er mir das Band und die Flaschen und fordert schroff, daß wir doch bitte schön unser Fest aus Rücksicht auf die arbeitende Bevölkerung in die Kantine verlegen möchten. Ich starre mit offenem Mund auf die beiden Flaschen St. Emilion und komme erst wieder zu mir, als Søren mir in den Rücken boxt und »Wahnsinn!« ruft und die anderen um mich herum ebenfalls ihrer Anerkennung Ausdruck verleihen. Es ist nicht jedem vergönnt, Wein oder öffentliches Lob vom Programmchef zu bekommen. Und schon gar nicht beides zugleich.

      Deshalb hebe ich auch besonders hervor, daß die halbe Ehre Søren gebührt, und überreiche ihm die eine Flasche. Danach gehorchen wir dem Befehl und verlegen das Fest in die Kantine, die zu diesem Zeitpunkt so gut wie leer ist. Wir trinken schnell die beiden Flaschen aus und kaufen weitere, nachdem sich das Gerücht in der Abteilung verbreitet hat und die Gesellschaft immer größer wird. Es ist außerordentlich selten, daß es hier ein Gelage gibt – normalerweise stürzen die Leute nach Hause, sobald sie können. In der Beziehung ist es ein langweiliger Arbeitsplatz.

      Gegen sieben, als ich so viel getrunken habe, daß ich schon links und rechts heftig flirte, taucht Paul auf. Dicht gefolgt von Henriette, die in voller Kriegsbemalung und auf hohen Hacken daherstolziert und aussieht, als wäre sie auf dem Weg in die Stadt, um sich dort zu amüsieren. Im Gegensatz zu mir, ich trage flache Absätze, und von meinem Make-up ist nur noch ein bißchen verschmiertes Mascara übrig.

      »Läuft es gut?« fragt Paul mich.

      Ich nicke und biete überfreundlich Paul und auch Henriette ein Glas Wein an. Paul bedankt sich und setzt sich sofort hin, während Henriette den Kopf schüttelt und stehenbleibt – trippelnd und offensichtlich ungeduldig. Aber als er ihren Wink mit dem Zaunpfahl ignoriert, kann sie nicht länger an sich halten und begeht einen fatalen Fehler.

      »Paul, wir müssen jetzt wirklich gehen, wenn wir nicht ...«

      Paul schaut kaum zu ihr hoch, während er sie auszählt. »Du bist auch eingeladen. Ich habe jedenfalls vor zu bleiben. Okay?«

      Das ist boshaft, und Henriettes Reaktion ist die einzig würdevolle. Sie geht. Verläßt die Kantine und ihren Traum vom Liebhaber Paul.

      Jemand räuspert sich, andere scharren unangemessen mit den Füßen unter dem Tisch, und unmittelbar nach Henriettes Abgang löst die Gesellschaft sich auf. Der Zauber ist gebrochen, die Stimmung kaputt, und den Leuten fallen plötzlich Verabredungen und Versprechen ein, sie bekommen ein schlechtes Gewissen und stürzen heim zu Frau oder Mann. Sogar Søren hat es eilig auszutrinken – er muß seine Tochter bei seiner Mutter abholen –, aber er drückt meinen Arm und bedankt sich für eine tolle Zusammenarbeit, dann ist auch er fort.

      Ich hätte während des allgemeinen Aufbruchs abhauen sollen, bleibe jedoch dummdreist sitzen und schaue ihn herausfordernd an, als wir allein sind.

      »Danke für die Blumen«, sage ich dann.

      »Ach, du hast sie also gekriegt?« erwidert er säuerlich. »Die Dankeskarten sind ja nicht gerade in überwältigender Menge bei mir angekommen.«

      Ich zucke mit den Schultern. Lüge rund heraus und mit voller Absicht.

      »Ich hatte keine Zeit.«

      »Keine Zeit – wofür?«

      »Keine Zeit zum Flirten.«

      Paul bewegt seinen Kopf langsam von einer Seite zur anderen. »Tes –«, sagt er nur. Resigniert und sanft.

      Sein Blick ist wie ein Laserstrahl, der sich durch weiches Fleisch schneidet. Ich schaue weg und sauge meine Zigarette glühendheiß, um den Drang zu überspielen, mich ihm an den Hals zu werfen. Meine Hände auf sein Gesicht zu legen, seine Lider zu küssen...

      »Bist du noch nicht vor Hunger gestorben?« fragt er dann in einer ganz anderen Tonlage, die mich zum Lachen bringt.

      »O doch!« gebe ich aus vollem Herzen zu, und von dort bis zu einem kleinen provenzalischen Restaurant in der Innenstadt ist es nicht sehr weit.

      Beunruhigend