fragte er und warf beunruhigt seine Handschuhe auf den Küchentisch.
»Der Staatsminister hat angerufen. Per Vittrup. Er will mich zur Umweltministerin machen.«
Man kann von niemandem, der nicht vorbereitet ist, erwarten, eine solche Aussage zu erfassen. Auch nicht, wenn sie wiederholt wird. Wieder und wieder.
»Du machst Witze.«
Erst als sie zum fünften Mal versicherte, dass es die Wahrheit war, drang es zu ihm durch. Er ließ sich auf den anderen Trip-Trap fallen. War an der Grenze zwischen Lachen und Weinen, erleichtert, dass es nichts Schlimmeres war, und gleichzeitig wie ausgebombt. Ein Volltreffer hatte seine Vorstellungen in Schutt und Asche gelegt, sein Luftschloss pulverisiert. Wie sollte er sich gegen eine solche Übermacht behaupten können? Der Staatsminister, fuck you!
Sie griff nach seiner Hand.
»Du musst keine Angst haben. Ich werde ablehnen. Ich habe eine halbe Stunde Bedenkzeit bekommen. Sie rufen in ein paar Minuten wieder an.«
Thomas schüttelte den Kopf. Er war schon vorher leicht angetrunken gewesen, aber jetzt war ihm komplett schwindelig. Aber noch bevor er wieder klar im Kopf werden konnte, durchbrach das Läuten des Telefons die Pause.
Sie fuhren zusammen wie ratlose Kinder, die gegenseitig Hilfe in ihrem Blick suchten.
»Sag ja«, sagte Thomas da.
»Bist du sicher?«
Er nickte.
»Was ist mit Afrika?«
»Afrika kann warten. Das regeln wir schon. Machen es später.«
Das Telefon klingelte wieder. Charlotte griff danach, aber stoppte die Bewegung.
»Bist du sicher?«
»Ja! Nimm schon ab und sag ja! Ich liebe dich!«
»Wirklich?«
»Ja!«
»Warum?«
»Es ist deine Pflicht. Du kannst es dir nicht erlauben, nein zu sagen.«
Charlotte nickte, ohne noch weiterer Vertiefung zu bedürfen. So einfach war es eben. Sie musste.
»Okay!« Charlotte räusperte sich, nahm den Hörer und sprach wieder mit der Sekretärin, die erneut durchstellte.
»Aber ich werde keine Geisel sein«, murmelte sie mahnend am Hörer vorbei, während sie wartete, länger als das letzte Mal. Inzwischen saß Thomas da und vertiefte sich in ihre grünbraunen Augen, bis sie zu einem Strom wurden, der ihn mitriss. Nicht, weil er fünf Schnäpse zu viel gehabt hatte – es war die Art, wie er sie wahrnahm. Für ihn war sie alle Kontinente auf einmal, sie war Norden und Süden, Kälte und Wärme, Trockenheit und Regen. Von Anfang an, vom ersten Tag an, dem ersten Sommer an, hatte er ihre Klüfte und Schluchten geliebt, ihre Täler und Bergpässe, die undurchdringlichen Wälder und blühenden Felder. Wenn es ihm zugestanden hätte, hätte er sie damals auf der Stelle mitgezogen, direkt in sein Bett, statt Wochen auf eine vorsichtige Annäherung zu verwenden. Als sie sich ihm an dem frühen Morgen endlich hingegeben hatte, berauscht und fröhlich, war es, wie er es erträumt hatte. Ein Geheimnis, das sich Blatt für Blatt entfaltete. Seither hatte es für ihn keine anderen Frauen auf dieser Welt gegeben. Dass er auch der einzige Mann in ihrem Leben war, daran hatte er keinen Zweifel. Das war es nicht, wovor er Angst hatte. Er hatte Angst, sie zu verlieren, auf dieselbe Weise, wie man plötzlich den Halt verlieren kann. Und vielleicht war das das drängendste Gefühl in diesem Moment, bevor der Staatsminister ans Telefon kam. Das Gefühl von Gefahr. Und als sich der Staatsminister offenbar meldete und sie sich halb wegdrehte, wusste er es. Dass sie sich schon ein wenig entfernt hatte.
Charlotte bemühte sich, gefasst und wohl überlegt zu klingen, als der Staatsminister sie fragte, ob sie den ersten Schock überwunden hatte.
»Ja«, antwortete sie.
»Habt ihr Familienrat gehalten?«
»Ja, das haben wir.«
Jetzt klang sie so nüchtern und gefasst, dass Per Vittrup schon anfing zu befürchten, dass sie nein sagen würde. Was Meyer als Risiko angesehen hatte. Aber das gehörte wohl größtenteils zum Spiel gegenüber Gert, der immer noch stinksauer war. Um ihn glauben zu machen, dass diese Charlotte Damgaard wahrlich nicht nur irgendjemand war, der schwanzwedelnd Order parierte.
»Also, was sagst du?«, fragte er leicht, mit einem Lächeln in der Stimme.
»Ich sage, ja, danke ...«
»Das freut mich zu hören!«
»... unter der Bedingung, dass ich nicht zur Geisel der Regierung werde.«
»Geisel? Könntest du das erläutern?«
»Dass ich nicht gezwungen werde, meine Ansichten zu ändern, dass ich das Recht habe, die Entscheidungen zu treffen, die ich für richtig halte, und dass ich einen gewissen Spielraum habe im Verhältnis zur Regierungspolitik. Ich bin ja doch radikaler als Søren Schouw, und das würde ich auch gerne bleiben.«
»Äh, Politik ist ja die Kunst des Möglichen ... Also, manche Kröte muss man schon schlucken.«
»Das ist klar«, sagte Charlotte. »Ich kenne auch die Regierungsgrundsätze zur Umweltpolitik. Aber wenn es etwas bringen soll, jemanden wie mich in den Sessel zu hieven, dann muss ich meine Integrität wahren können. Andernfalls ist es für mich selbst ohne Bedeutung und zutiefst unglaubwürdig für die Menschen, die mich kennen, und für das, wofür ich stehe.«
»Das ist klar«, sagte der Staatsminister und notierte sich Stichworte auf einem Block, der vor ihm lag. »Bedingung«, »nicht Geisel«, »Kröten schlucken« stand schon da. Jetzt fügte er noch »Integrität« hinzu, und »Glaubwürdigkeit« mit drei Ausrufezeichen.
Er war so eingenommen von diesen Schlüsselwörtern, die all das waren, von dem er sich gewünscht hatte, dass sie es sagen würde, dass er es versäumte, konkret zu werden. Das war ein Fehler. Aber es wurde ihm erst sehr viel später klar, wie gravierend dieser Fehler war.
»Mit der Erfüllung dieser Bedingungen wären wir uns dann also einig?«, fragte er aufgeräumt und konnte geradezu hören, dass Charlotte Damgaard tief Luft holte, wie eine zweifelnde Braut vor dem Altar, bevor sie antwortete.
»Ja, dann sind wir uns einig.«
»Ja, dann, willkommen im Club. Dann hoffe ich nur, dass du ein hübsches Kleid für den Empfang bei der Königin hast. Und damit überlasse ich dich dem Stab. Es erfordert einiges an Logistik, sich um alles zu kümmern. Sie werden dich in Kürze zurückrufen. Wir sehen uns morgen.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, drehte sie sich zu Thomas um und gehörte wieder ihm. Großäugig und verletzlich, wie nur er sie kannte: »Bist du sicher, dass ich das schaffen kann?«
»Natürlich kannst du das! Sonst hätten sie dich nicht gefragt!«
Dann stand er auf, ging zu ihr und nahm sie in den Arm, zog sie ganz eng zu sich.
»Glückwunsch, Schatz.«
»Du bist dabei, oder?«, fragte sie und legte ihre Wange an seine Schulter.
»Natürlich. Ich halte dir den Rücken frei. Immer.«
Er küsste sie, lange und leidenschaftlich, registrierte zur gleichen Zeit seine beginnende Erektion bei der leichten Berührung ihrer breiten Hüften und ihr spontanes Zurückweichen. Und als das Telefon wiederum klingelte, wusste er, dass sie schon dabei war, von ihm wegzutreiben.
»So, jetzt fährt der Zug«, murmelte er mit belegter Stimme, die Nase in ihrem winterblonden, locker aufgesteckten Haar. Wie immer duftete sie angenehm nach Heu und Hafer. Aber als er sie losließ, nahm er einen neuen, herben Geruch wahr, einen Geruch wie von einem Raubtier in Gefahr.
»Du musst keine Angst haben«, flüsterte er.
»Habe ich auch nicht«, lächelte sie, nahm den Hörer und sagte ihren Namen mit einer Autorität,