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Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage


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Diese Haltung ist, sieht man sie im Zusammenhang mit Schleiermachers Auffassung zur Bedeutung der Bekenntnisse für die dogmatische Reflexion (vgl. die in Anm. 17 und 18 nachgewiesenen Zitate von Martin Ohst), durchaus konsequent. In der Aufklärungstheologie freilich spielte lange die (in anderem Kontext auch durch von Cölln und Schulz geteilte[52]) Vorstellung eine Rolle, »durch die Autorität der evangelischen Fürsten und aufgrund einer Einigung der bedeutendsten Theologen [könne] ein neues öffentliches Bekenntnis verfaßt« werden.[53] Eine solche Hoffnung auf ein zeitgemäßes protestantisches Bekenntnis, in dem die seit der Reformationszeit neu aufgelaufenen bibelwissenschaftlichen Einsichten berücksichtigt sind und das zugleich die Klärung innerprotestantischer Lehrdifferenzen |74|dokumentieren würde, kann Schleiermacher nicht nachvollziehen. Er würde nur »Verderben davon ahnden«,[54] weil ein solches Bekenntnis den innerkirchlichen Pluralismus und die protestantische Streitkultur beschädigen müsste und insofern »leicht ein Idol werden kann«,[55] als sich die Kirche dadurch jenes »Joch todter Worte und eines todten Glaubens«[56] auflegen würde, vor dem zu warnen nach Schleiermacher gerade die Pointe der Erinnerung an die Übergabe der »Confessio Augustana« ist.

      3. Die Überwindung der Spannung zwischen Bekenntnisbindung und Freiheit durch pragmatischen Konservatismus: Das Beispiel Apostolikumstreit

      |78|a) Harnack erklärt die Parole »Das Apostolikum soll abgeschafft werden« für kontraproduktiv. Denn sie würde »zur Waffe in der Hand der Gegner des Christentums werden, würde dem hohen religiösen Werte und dem ehrwürdigen Alter des Apostolikums gegenüber eine Ungerechtigkeit sein, würde ferner eine Vergewaltigung der evangelischen Christen bedeuten, die ihren Glauben […] im Apostolikum ausgedrückt finden, und würde endlich der Art nicht entsprechen, in der sich die Kirchen der Reformation zu den Glaubenszeugnissen der Vergangenheit gestellt haben« (670: Nr. 3).

      b) Neben diesem – wenn man so will – konservativen Argument schärft Harnack aber auch ein, dass eine »Anerkennung der Apostolikums in seiner wörtlichen Fassung« keineswegs »eine Probe christlicher und theologischer Reife« ist (670: Nr 6). Vielmehr ist der Anstoß an bestimmten Bekenntnisformulierungen für den gebildeten Christen sogar unvermeidlich. Insbesondere aus der Formulierung ›Empfangen vom Heiligen Geist, geboren aus der Jungfrau Maria‹ ergibt sich ein »Notstand […] für jeden aufrichtigen Christen«. Gleichwohl hält es Harnack für »eine haltbare und sittlich zu rechtfertigende Position«, wenn jemand, »der an jenem Stück und an ähnlichem Anstoß nimmt«, dennoch »in der Kirche, sei es auch als Lehrer, bleibt« (671: Nr. 8).

      c) Die Warnung vor Abschaffungsparolen (a) und die Einschärfung der Kritisierbarkeit des Symbols (b) werden schließlich flankiert durch die – gleich am Anfang des Textes formulierte – Perspektive auf ein neu formuliertes Bekenntnis, »das das in der Reformation und in der ihr folgenden Zeit gewonnene Verständnis des Evangeliums deutlicher und sicherer ausdrückte und zugleich die Anstöße beseitigte, die jenes Symbol [sc. das Apostolikum] in seinem Wortlaut vielen ernsten und aufrichtigen