Wilfried Kürschner

Grammatisches Kompendium


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Konditionierung.

      Weitere Beispiele:

      In der SteigerungSteigerung = KomparationKomparation (▶ Nr. 6.6/3) des Morphems {gern} treten die ausdrucksseitig voneinander völlig verschiedenen Allomorphe gern und lieb- (lieb-er, lieb-st(en)) auf. – Beim MorphemMorphem {geh(en)} sind die Allomorphe /ge</ einerseits und /gIN, gaN/ andererseits lautlich nicht aufeinander beziehbar; letztere sind aber regulär durch AblautAblaut (▶ Nr. 5.2/7) miteinander verbunden.

      5.4/13 NullallomorphNullallomorphAllomorphNull-

      AllomorphAllomorph eines Morphems, das keine materielle (phonische oder graphische) AusdrucksseiteAusdrucksseite hat.

      Beispiel:

      Bei Morphemen wie {Auto, Geist, Flut} hat das MorphemMorphem {PluralPlural} die Allomorphe /s, «r, «n/ mit jeweils materiell fassbarer AusdrucksseiteAusdrucksseite. Bei Morphemen wie {Meister, Löffel} wird das MorphemMorphem {PluralPlural} dagegen materiell nicht ausgedrückt, ist aber in Kombinationen wie die Meister, die Löffel inhaltsseitig in gleicher Weise vorhanden wie in die Autos, die Geister, die Fluten. Es wird daher aus Symmetriegründen häufig die Anwesenheit eines AllomorphAllomorphs mit einer AusdrucksseiteAusdrucksseite postuliert, deren materieller WertWert Null ist. – Weitere Beispiele ▶ Nr. 5.5/9.

      

NullNull (durchstrichene)allomorphNullallomorphe werden mithilfe des durchstrichenen NullsymbolsNullsymboldurchstrichenes Nullsymbol, »∅«, notiert: /maíest«r-∅/, /l¿f«l-∅//.

      5.5 Morphologische Wortbildungslehre

      Den Gegenstand der WortbildungslehreWortbildungslehre bilden komplexer Wortstammkomplexe WortstammStammWort-WortstammkomplexerWortstämme (▶ Nr. 5.4/4), die entweder aus Wortstämmen (z. B. Haus-tür) oder aus Kombinationen aus WortstammWortstammStammWort- und WortbildungsmorphemWortbildungsmorphemMorphemWortbildungs- (z. B. Häus-chen) bestehen und sich in diese Bestandteile zerlegen lassen. Dabei können die bei der Zerlegung sich ergebenden WortstammStammWort-Wortstämme ihrerseits komplex oder aber einfach = GrundmorphemGrundmorphemMorphemGrund-e sein.

       Beispiele für die Zerlegbarkeit in WortstammStammWort-Wortstämme: Haustür: Haus + Tür; Glatteiswarndienst: Glatteis + Warndienst; diese (komplexen) WortstammWortstämme sind ihrerseits zerlegbar in glatt + Eis und warn + Dienst.

       Beispiele für die Zerlegbarkeit in WortstammWortstamm und WortbildungsmorphemWortbildungsmorphem: sonnig: sonn + ig; Häus-chen: Haus + chen; unschön: un + schön; Begründung: begründ + ung; ersteres weiter zerlegbar in be + Grund (▶ Nr. 5.4/1 und 5.4/4WortstammStammWort-).

      Wortstämme der ersten Art heißen KompositumKomposita = zusammengesetztes WortWortzusammengesetzteszusammengesetzte Wörter = ZusammensetzungZusammensetzungen (▶ Nr. 5.5/2Wortstamm); Wortstämme der zweiten Art heißen DerivativumDerivativa = DerivationDerivationen = abgeleitetes Wortabgeleitete Wörter Wortabgeleitetes= AbleitungAbleitungen (▶ Nr. 5.5/5). Zusammenfassend spricht man von WortbildungenWortbildung. Einfache WortstammWortstämme heißen SimplexSimplizia:

      5.5/1 SimplexSimplex

      WortstammWortstammStammWort-, der lediglich aus einem Grundmorphem = StammmorphemStammmorphemMorphemStamm- = einer WurzelWurzelGrundmorphem besteht.

      

das Simplex, des Simplex, die Simplexe (Betonung jeweils auf Sim-) od. die Simplizia (Betonung auf -pli-)

      5.5/2 KompositumKompositum = zusammengesetztes Wortzusammengesetztes WortWortzusammengesetztes = ZusammensetzungZusammensetzung

      WortstammWortstamm, der sich in zwei weitere WortstammStammWort-Wortstämme zerlegen lässt.

      Hauptfälle:

       Substantivkomposita (= NominalkompositaNominalkompositumSubstantivkompositumKompositumNominal-KompositumSubstantiv-)Haustür: einfacher WortstammWortstammStammWort- = GrundmorphemGrundmorphemHaus + einfacher Wortstamm = Grundmorphem TürGlatteiswarndienst: komplexer WortstammWortstammkomplexerkomplexer WortstammGlatteis + komplexer Wortstamm Warndienst

       AdjektivkompositaAdjektivkompositumKompositumAdjektiv-dunkelblau, schwarz-rot-golden/schwarzrotgolden, dauerarbeitslos

       VerbkompositaVerbkompositumKompositumVerb-staubsaugen/Staub saugen, mähdreschen, kaltschweißen

      Nach den Verhältnissen, in denen die Glieder eines KompositumsKompositionsglied inhaltlich zueinander stehen, werden folgende Unterscheidungen getroffen:

       KopulativkompositumKopulativkompositumKompositumKopulativ-: Die Glieder sind inhaltlich gleichgeordnet; z. B.: Hemdbluse (‘Hemd und Bluse’),Dichterkomponist (‘Dichter und Komponist’), mähdreschen (‘mähen und dreschen’)

       DeterminativkompositumDeterminativkompositumKompositumDeterminativ-: Das zweite Glied = das GrundwortGrundwortWortGrund- wird vom ersten Glied = dem BestimmungswortBestimmungswortWortBestimmungs- inhaltlich spezifiziert; z. B.: Milchkanne, Drehtür, dunkelblau, kaltpressen

      Je nachdem, ob der »Kopf« des Kompositums in diesem selber liegt oder außerhalb, wird zwischen endo- und exozentrischen Komposita unterschieden:

       endozentrisches Kompositumendozentrisches KompositumKompositumendozentrisches: Das Kompositum, AB, bezeichnet die im zweiten Glied benannte Größe, B (Formel: »AB ist B«); das zweite Glied kann das Kompositum insgesamt ersetzen (»eine Milchkanne ist eine Kanne«, »kaltpressen ist pressen«)

       exozentrisches Kompositumexozentrisches KompositumKompositumexozentrisches = PossessivkompositumKompositumPossessiv- = BahuwrihiBahuwrihiKompositumBahuwrihi: Das Kompositum bezeichnet nicht die im zweiten Glied benannte Größe, sondern eine explizit nicht genannte Größe, die vom Kompositum insgesamt beschrieben wird; das zweite Glied kann das Kompositum nicht ersetzen (»ein Dummkopf ist kein Kopf«): Grünschnabel, Milchgesicht, Dummkopf

      Der Terminus ZusammensetzungZusammensetzung = KompositionKomposition dient auch zur Bezeichnung des grammatischen Prozesses, der zur Bildung von KompositumKomposita = zusammengesetztes Wortzusammengesetzten Wörtern = Zusammensetzungen führt.

      

das KompositumKompositum, des KompositumKompositums, die KompositumKomposita (Betonung auf -po-)

      das od. der Bahuwrihi, des Bahuwrihi, die Bahuwrihi (Betonung auf -wri-)

      5.5/3 KompositionsfugeFugeKompositions-Kompositionsfuge

      Nahtstelle zwischen den WortstammStammWort-Wortstämmen, die die Glieder eines KompositumKompositums bilden.

      Die KompositionsfugeKompositionsfuge kann durch spezielle FugenelementElementFugen-Fugenelemente gekennzeichnet sein, z. B. -s- in Geburt-s-datum, -er- in Hühn-er-ei, -e- in Schwein-e-fleisch, -(e)n- in Frau-en-arzt, Ente-n-ei (»PlusfugeFugePlus-Plusfuge«). Keine FugenelementFugenelemente treten auf in Haus-∅-tür, Rind-∅-fleisch, Speise-∅-karte usw. (»NullFugeNull-fugeNullfuge«). Der vordere Wortstamm kann auch verkürzt werden, z. B. in Kirch-turm (»MinusfugeFugeMinus-Minusfuge«).1

      5.5/4 DekompositumDekompositum = ParasynthetumParasynthetum

      KompositumKompositum, das als Ganzes aus mehr als zwei Gliedern besteht.

      Erläuterung: