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Einführung in die Publizistikwissenschaft


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dysfunktional, aber auch manifest, d. h. sichtbar, oder nur latent, d. h. nicht wahrgenommen, sein (vgl. Beitrag Medienwirkungsforschung, i. d. B.):

      Multifunktionalität von Kommunikation

      • Kognitive Funktionen: Kommunikation ermöglicht Informationsaustausch, Wissenserwerb und Lernen zur Daseinsorientierung, Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung; ein Übermass hingegen kann Informationsüberlastung und Desorientierung zur Folge haben. Kommunikation kann aber auch zu Fehlinformation und Manipulation benutzt werden.

      • Affektive Funktionen: Kommunikation ermöglicht Entlastung oder gar Wirklichkeitsflucht (Eskapismus) durch Unterhaltung als Zerstreuung und Entspannung, aber auch durch die Erzeugung von

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      „Spannung“ (engl. „arousal“). Rezipienten wählen oft gezielt spezifische Medienangebote wie Musikstile aus, um ihre affektive Befindlichkeit zu beeinflussen (engl. „mood management“) (vgl. Beitrag Medienrezeptionsforschung, i. d. B.). Kommunikation über Risiken, Krisen, Terrorismus oder Kriegsgeschehen kann aber auch spezifische Furcht auslösen oder längerfristig unspezifisch Angstgefühle zur Folge haben.

      • Interaktive bzw. parasoziale Funktionen: Kommunikation ermöglicht Kontakt zwischen verschiedenen Personen und den Austausch von Ideen, indem medial vermittelte Kommunikation zu Gesprächen Anlass gibt und so Anschlusskommunikation generiert. Unter dem Begriff der parasozialen Funktion (vgl. Beitrag Medienrezeptionsforschung, i. d. B.) wird die Möglichkeit verstanden, über Massenmedien indirekte Beziehungen zu Medienakteuren zu generieren, etwa durch Identifikation mit (Medien-) Prominenz, Helden und Stars.

      • Integrative Funktionen: Auf der individuellen Ebene übt medienvermittelte Kommunikation vielfältige rituelle Funktionen aus, indem beispielsweise der Zeitablauf durch die Abendnachrichten des Fernsehens oder soziale Situationen wie das Zeitungslesen am Frühstückstisch strukturiert und stabilisiert werden. Kommunikation und Massenmedien ermöglichen in der Gesellschaft zudem Sozialisation und Enkulturation, aber auch Erziehung (vgl. den Beitrag Mediennutzungsforschung, i. d. B.). Durch Kommunikation können Normen gesetzt und Werte vermittelt werden, was die soziale Integration der Individuen in die Gesellschaft ermöglicht. Eher negativ wird mit Kommunikation aber auch die Möglichkeit der sozialen Steuerung, Kontrolle und Machtausübung assoziiert (vgl. Kepplinger 1989).

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      4 Kommunikationsmodelle

      4.1 Was ist ein Modell?

      Modell als vereinfachte symbolische Repräsentation

      Die oben vorgestellten Definitionen von Kommunikation implizieren unterschiedliche Vorstellungen bzw. Modelle oder theoretische Bezugsrahmen des Kommunikationsprozesses. Ein Modell kann als vereinfachte symbolische Repräsentation der Wirklichkeit definiert werden. Dabei soll ein Modell typische Strukturen oder Prozesse der Wirklichkeit abbilden (Isomorphie). Ein Modell erfasst und beschreibt die Realität aber immer aus einer ganz bestimmten Perspektive. Es werden darin gewisse Sachverhalte oder Zusammenhänge betont, d. h. in den Vordergrund gerückt, während andere Strukturen oder Prozesse in den Hintergrund gedrängt oder sogar ganz ausgeblendet werden. Im Unterschied zu den Theorien können Modelle nicht an der Realität überprüft werden, sind also weder wahr noch falsch. Über die Güte eines Modells entscheidet vielmehr dessen Brauchbarkeit bzw. Fruchtbarkeit in Bezug auf das zu verstehende Problem.

      Funktionen von Modellen

      Im Erkenntnisprozess haben Modelle unterschiedliche Funktionen: Sie dienen der Vereinfachung und der Organisation eines Gegenstands bzw. Realitätsausschnitts. Sie ermöglichen dadurch einen Erkenntnisgewinn, leisten in erklärender Hinsicht Vorhersage und erlauben u. U. auch die Messung von Sachverhalten. Zudem gibt es unterschiedliche Typen von Modellen. Unterschieden werden kann einerseits zwischen verbalen bzw. Wort-Modellen und visuellen Bild-Modellen sowie andererseits zwischen Prozess- bzw. Fluss- und Strukturmodellen.

      Vielzahl an Kommunikationsmodellen

      Angesichts der oben diskutierten unterschiedlichen Definitionen von Kommunikation erstaunt es nicht, dass im Verlaufe der Entwicklung der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ganz unterschiedliche Kommunikationsmodelle entwickelt worden sind. Speziell unter den Kommunikationsmodellen kann wiederum unterschieden werden zwischen Übertragungs-, Empfangs-, Herstellungs- und Vermittlungsmodellen.

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      4.2 Kommunikationsmodelle

      Nachfolgend werden selektiv einige Kommunikationsmodelle vorgestellt und erläutert (vgl. McQuail/Windahl 1993; Bentele/Beck 1994; Krippendorf 1994). Leitender Gesichtspunkt bei der Auswahl war, sowohl möglichst verschiedene als auch solche Modelle zu berücksichtigen, die in der Forschungsentwicklung eine wichtige Rolle gespielt haben. Darum werden sie in chronologischer Abfolge präsentiert.

      Die Lasswell-Formel

      Modell

      Harold Lasswell formulierte 1948 ein Wort-Modell, das nicht zuletzt wegen seiner Einfachheit auf die Entwicklung der amerikanischen Kommunikationswissenschaft einen grossen Einfluss ausgeübt hat:

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      Bewertung

      Der Vorteil des Modells besteht darin, dass es einfach ist und den Blick auf wichtige Elemente des Kommunikationsprozesses richtet. Nachteilig ist, dass es einseitig vom Kommunikator ausgeht und Kommunikation nur unter der Perspektive der intendierten Wirkung auf den (einzelnen) Rezipienten thematisiert. Es handelt sich um ein unidirektionales Modell, das Feedback nicht berücksichtigt. Die Differenzierung in fünf separate Forschungsbereiche der Kommunikationswissenschaft verdeckt mögliche Beziehungen zwischen diesen. Ebenfalls nicht explizit erwähnt wird der Kontext, in dem der Kommunikationsakt situiert ist und die Realität, auf die der Kommunikator mit seiner Aussage Bezug nimmt.

      Die Informationstheorie von Shannon und Weaver

      Modell

      Claude Shannon und Warren Weaver (1949), Mathematiker bei der Bell-Telefon-Gesellschaft, formulierten eine statistisch-mathematische Theorie der Kommunikation als Prozess der Informationsvermittlung: Container-Modell. Zentral ist die Encodierung der Information in |122◄ ►123| materielle Signale, die über ein Medium vom Sender zum Empfänger transportiert werden müssen. Der Empfänger muss diese Signale dann wieder decodieren. Weitere Bezüge bestehen darin, dass der Informationsgehalt einer Nachricht als statistisches Mass der Unsicherheitsreduktion definiert wird und Redundanz als inhaltsgleiche Wiederholung den im Kanal vorhandenen Störquellen entgegenwirkt.

      Abbildung 2: Shannon-und-Weaver-Modell

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      Quelle: Nach Shannon/Weaver 1949: 98

      Bewertung

      Die Stärken des Modells, präzise Begriffsdefinitionen und genaue Messbarkeit derselben, lassen sich auf die menschliche Kommunikation mit ihren semantischen und pragmatischen Komponenten nur im übertragenen Sinn anwenden. Dies, weil die Prozesse der En- bzw. Decodierung im Modell ja nur als technische Signal-Übertragung (neutral und möglichst störungsfrei) konzipiert worden sind. Kommunikation wird zudem nur als linearer Einweg-Prozess thematisiert: kein Feedback. Positiv ist, dass auftretende Diskrepanzen zwischen en- und decodierter Botschaft integriert werden.

      Das Kommunikationsmodell von Gerbner

      Modell

      George Gerbner erweiterte 1956 das Modell von Lasswell, indem er einige Aspekte der Wahrnehmungs- und Informationstheorie einbezog. Eine Person nimmt die primäre Wirklichkeit (E) wahr, und zwar in einer spezifischen Situation. Daraus resultiert ein ganz bestimmtes „Bild im Kopf“ als wahrgenommene Wirklichkeit (E1). In einem Kommunikationsakt wird einer weiteren Person durch eine Mitteilung (S|E) über ein Medium (z. B. Sprache) darüber berichtet. Diese Person konstruiert aufgrund dieser sekundären Wirklichkeit (Medienwirklichkeit) wiederum ihr Bild (SE1)