Grundzügen beherrscht. Dazu gehören Kenntnisse verschiedener Art, die wir nun den Teildisziplinen zuordnen wollen. Einerseits muss der Lerner die Lautstruktur der Sprache erwerben, also wissen, welche Laute es in der Sprache gibt, wie man sie miteinander kombinieren kann und welche Schriftzeichen den Lauten entsprechen. Im Deutschen gibt es z.B. nicht das englische th (wie in the thing), das vielen deutschen Sprechern daher auch Schwierigkeiten bereitet. Ein deutsches Wort kann z.B. auch nicht mit ng beginnen oder die Lautfolge prz aufweisen, während das in anderen Sprachen durchaus möglich ist. Die Lautstruktur wird in den Teilbereichen Phonetik und Phonologie behandelt (zum Unterschied zwischen beiden vgl. Kap. 21). Die Verschriftlichung der Laute und Lautfolgen, die (Ortho-) Grafie, fällt in das Gebiet der Graphetik/Graphemik.
Nun haben diese ganz elementaren Bestandteile der Sprache, die Laute und Buchstaben, also a, b, c, d, e usw., für sich keine Bedeutung, genauer gesagt: es ist ein Grenzfall, wenn ein einzelner Laut, in der Regel natürlich ein Selbstlaut (Vokal), zugleich einem Wort entspricht. Im |42◄ ►43| Deutschen etwa setzt man die einfachen Vokale nur als Interjektionen ein, die übrigens meistens mit mehreren Buchstaben wiedergegeben werden: ah!, eh!, iiih!, ooh! uuh! Nur Diphthonge (zu griechisch diphthongos ›zweifach tönend‹), z.B. das Ei und die Au, kommen auch als Substantive vor. Im Französischen dagegen kann ein einzelner Vokal nicht nur als Interjektion, sondern auch in anderer Funktion als Wort erscheinen: à, et, y, eau(x), ou/où. Dennoch sind die entsprechenden Bedeutungen nicht den Lauten bzw. Buchstaben als solchen zugeordnet. Die Wörter Bein, dein, fein, Hain, kein usw. haben ja inhaltlich nichts mit Ei (und auch nichts miteinander) zu tun. Normalerweise sind es also bestimmte Lautfolgen, die Einheiten konstituieren, wie sie im Wörterbuch
Lexikologie/ Lexikografie Semantik
beschrieben werden. Die Kunde der Wortbedeutungen bzw. des Wörterbuchschreibens bezeichnet man als Lexikologie bzw. Lexikografie. Die Disziplin der Bedeutungslehre heißt allgemein Semantik. Als wesentlichstes Teilgebiet (u.a. neben der Satzsemantik) umfasst sie die lexikalische Semantik, das Studium der Bedeutung von Einheiten des Wörterbuchs und der Beziehungen zwischen ihnen (was ist z.B. der Unterschied zwischen Junge, Bub, Bube, Bubi und Knabe?).
Morphologie
Abgesehen davon, dass man die Bedeutung der Wörterbucheinheiten kennen muss, ist es auch noch notwendig zu wissen, welche Gestalt sie annehmen können: Wie wird der Plural von Substantiven gebildet? Wie werden Verben konjugiert? Wie werden Adjektive gesteigert? usw. Diese Fragen fallen in den Bereich der Morphologie (von griechisch morphe ›Form‹), die man früher meist als Formenlehre bezeichnete.
Wortbildungslehre
Die lexikalischen Grundeinheiten können auch noch in anderer Hinsicht als der grammatischen abgewandelt bzw. zu neuen Einheiten zusammengefügt werden. So kann man z.B. aus schön ableiten: Schönheit, Schönling, beschönigen, verschönern, geschönt, und in allen diesen Ausdrücken – anders als bei Ei, Bein, dein usw. – handelt es sich bei dem Bestandteil schön um dasselbe Inhaltselement. Der Untersuchung dieser Phänomene widmet sich die Wortbildungslehre.
Syntax
Als höchste Ebene sprachstruktureller Regularitäten wird nach traditioneller Auffassung der Satz angesehen, dem – als letzte Kerndisziplin – der Teilbereich Syntax gewidmet ist. Hier geht es um Fragen wie die folgenden: Aus welchen Elementen setzt sich der Satz zusammen? In welcher Beziehung stehen die Einheiten zueinander? In welcher Reihenfolge werden die Einheiten angeordnet? usw. In dem Satz In jeder Äußerung eines Menschen – liegt – die Summe seiner sprachlichen Vergangenheit erkennen wir z.B. drei Teile, von denen der erste und dritte aus fünf Wörtern bestehen, der zweite nur aus einem; seiner aus dem dritten Teil bezieht sich dabei auf den Ausdruck eines Menschen aus dem ersten Teil. Tauschen wir die ersten beiden Teile gegeneinander aus, haben wir immer noch einen korrekten deutschen Satz vor uns – allerdings mit anderer Bedeutung, nämlich einen Fragesatz.
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Allgemeine Sprachwissenschaft und Linguistik der Einzelsprachen
Die Kerndisziplinen der Linguistik haben wir ausgehend von der Frage eingeführt, welche grundlegenden Kenntnisse man haben muss, um sagen zu können, man habe eine Sprache gelernt. Wir haben uns dabei also mit den konkreten Aufgaben der Beschreibung von Einzelsprachen vertraut gemacht. An dieser Stelle können wir nun eine zweite Grundunterscheidung linguistischer Arbeitsbereiche einführen. Es ist die zwischen einzelsprachspezifischer Linguistik und allgemeiner Linguistik. Welches sind die Aufgaben der allgemeinen Sprachwissenschaft? Zunächst geht es ihr natürlich um das Phänomen langage, also das, was man über die menschliche Sprache überhaupt aussagen kann – Fragen, wie wir sie schon in den vorangehenden Kapiteln erörtert haben und bei denen Feststellungen zu einzelnen langues (meist dem Deutschen) nur als Beispiele gedient haben. Allerdings beschränkt sich die allgemeine Linguistik keineswegs auf die ganz allgemeinen Fragen, vielmehr ist sie eine notwendige Grundlage für jede auf eine Einzelsprache bezogene Untersuchung, so dass man letzten Endes beide Bereiche wiederum nur analytisch voneinander trennen kann. Aufgabe der allgemeinen Linguistik ist die theoretische Fundierung der Beschreibung von Einzelsprachen, sie muss die Kategorien und Verfahren erarbeiten, die wir bei der Analyse verwenden können. Dass diese Aufgabe überhaupt notwendig ist, ist für Laien nicht unbedingt einsichtig: Ergibt sich die ›richtige‹ Beschreibung nicht unmittelbar daraus, welche Elemente und Regeln es eben in der jeweiligen Sprache gibt? Dass es so einfach nicht ist, können wir uns wohl am besten klar machen, wenn wir daran denken, wie schwierig es ist, einem Fremdsprachler die Regeln unserer Muttersprache oder die genaue Bedeutung irgendwelcher Wörter zu erklären. Wir beherrschen die Sprache, d.h. wir können mit ihr umgehen, aber wir können nicht erklären, was wir da genau tun, welchen Regeln wir folgen, warum wir so und nicht anders sagen oder auch in einem Fall so und in einem anderen anders. Sobald man versucht, eine Regel oder eine Wortbedeutung zu beschreiben, muss man bestimmte metasprachliche Ausdrücke verwenden: Dies ist ein Verb und kein Substantiv und deswegen schreibt man es klein. Im Deutschen ist die Form eines Adjektivs nach dem bestimmten Artikel anders als nach dem unbestimmten: ›Ein schwieriger Fall – der schwierige Fall‹, ›der schwieriger Fall‹ ist also falsch. ›Verb‹, ›Substantiv‹, ›Adjektiv‹, ›bestimmter und unbestimmter Artikel‹ sind keine Phänomene, die unmittelbar gegeben wären, es sind theoretische Kategorien – und wenn sie uns relativ vertraut und ›natürlich‹ vorkommen, so nur deswegen, weil wir alle ein wenig grammatische Theorie in der Schule gelernt haben.
Die Bedeutung wissenschaftlicher Theorien
Die meisten haben allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass sie mit dieser Theorie nicht besonders gut zurechtkommen, dass es manchmal mehr Ausnahmen als reguläre Fälle zu geben scheint usw. Für den Sprachwissenschaftler sind solche Erfahrungen eine Herausforderung:|44◄ ►45| Können wir den Sprachgebrauch nicht so beschreiben, dass wir die Regeln verstehen können, brauchen wir dafür nicht vielleicht andere als die bislang benutzten Kategorien? Und so macht man sich an die Entwicklung von Theorien, prüft an der einen oder anderen oder auch an mehreren Sprachen, ob man mit ihnen wohl erfassen kann, welchen Regeln die Sprecher unbewusst ›tatsächlich‹ folgen. Man darf allerdings nicht vergessen, dass solche Theorien in Wirklichkeit immer nur Modelle des Sprachsystems sind; welchen Regeln die Sprecher ›tatsächlich‹ folgen, können wir nicht wirklich wissen.
Das Laieninteresse an der Sprache
Wenden wir uns nun den Teildisziplinen der ›weichen‹ Linguistik zu, die übrigens keineswegs per se weniger theoretisch oder einfacher ist. Sie ist allerdings von allgemeinerem Interesse. Die explizite Erläuterung der Regeln einer Sprache ist ja besonders relevant für solche Personen, die diese Sprache im Unterricht lernen. Da Muttersprachler ihre Sprache schon beherrschen – und da dafür theoretische Kenntnisse nicht nötig sind – haben diese im Allgemeinen keinen großen Bedarf an den Erkenntnissen der ›harten‹ Linguistik (vgl. dazu Textbeispiel 9), jedenfalls dann nicht, wenn sie sich nicht gerade als Fremdsprachenlehrer betätigen. Ein großes Interesse an Sprache überhaupt sowie der eigenen Sprache im Besonderen und auch ein Bedarf an sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen ist dennoch vorhanden, wie man an Laiengesprächen über Sprache und Sprechen erkennen kann, nicht zuletzt auch an vielen unserer Textbeispiele, die von