von Männern und Frauen, Kindern, Jugendlichen, Rentnern, der nationalen Varietäten BRD-/West-, DDR-/ Ostdeutsch, Österreichisch, Schweizerisch usw. Auch die Dialektologie,
Dialektologie
die ihre Aufgabe lange darin sah, die ›reinen, unverfälschten‹ Dialekte zu beschreiben (und zu bewahren), ist heute soziolinguistisch orientiert und geht auch den Fragen nach, welche regional gekennzeichneten Formen – einen ausgeprägten Dialekt oder eine abgeschwächte Form oder eine landschaftlich gefärbte Umgangssprache… – wer wann
Historiolinguistik
wie einsetzt. Dasselbe können wir für die Historiolinguistik feststellen, denn selbstverständlich sind auch die einzelnen Sprachstadien nicht homogen, sondern sozial geschichtet und sie spiegeln die gesellschaftliche Struktur einer geschichtlich umgrenzten Kommunikationsgemeinschaft. Eine scharfe Abgrenzung der Soziolinguistik ist auch nicht möglich gegenüber der Teildisziplin, die als Pragmalinguistik
Pragmatik
oder Pragmatik (von griechisch pragma ›Handlung‹) bezeichnet wird und die Sprechen als eine Form menschlichen Handelns begreift. Dass eine Abgrenzung zur Soziolinguistik kaum möglich ist, ergibt sich daraus, dass, wer sprachlich handelt, natürlich als soziales Wesen handelt. Mitunter – besonders in der Forschung der DDR – sprach man in diesem Zusammenhang auch von kommunikativ-funktionaler Sprachbetrachtung. Über solche Begriffe wie auch über eine ohnehin nicht mögliche saubere Abgrenzung dieser Disziplinen lohnt es jedoch nicht zu streiten. Am sinnvollsten ist es, hier zusammenfassend von der Linguistik des Sprachgebrauchs, der Parole-Linguistik zu sprechen, so wie man die Kerndisziplinen, die langues beschreiben, als Systemlinguistik zusammenfasst.
Damit soll die Übersicht über linguistische Subdisziplinen abgeschlossen werden. Die ›Landkarte‹ ist allerdings nicht vollständig, sondern zeigt nur die größten Kontinente, mit denen wir uns auf unserer kleinen Erkundungsfahrt begnügen müssen. Die folgenden Kapitel sind nun nicht für jeweils einen dieser Teilbereiche reserviert, vielmehr wollen wir von einzelnen Phänomenen und Fragestellungen ausgehen und auf theoretische und methodische Fragen sowie auf Aspekte der Beschreibung der Sprache und ihres Gebrauchs immer dort eingehen, |48◄ ►49| wo es sinnvoll erscheint. Wir beginnen bei dem, was für jeden Sprachteilhaber am leichtesten zugänglich ist, nämlich einzelne sprachliche Zeichen, und wollen zunächst – wie oben angekündigt – Saussures Modell des sprachlichen Zeichens vorstellen.
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8 Sprachzeichen als psychische Größen
Das sprachliche Zeichen hat zwei Seiten
Die Wörter einer Sprache, die lexikalischen Einheiten, müssen wir lernen, das ist selbstverständlich. Es sind eben konventionelle Zeichen. Das Lernen eines Zeichens führt dazu, dass es Bestandteil der Kenntnisse eines Menschen ist, und dies bedeutet, dass es sich um eine psychische Größe handelt. Die Sprachkenntnis besteht also darin, dass ein Mensch in seinem Kopf über eine Menge von Einheiten verfügt, bei denen ein Zeichenkörper konventionell mit einer bestimmten Bedeutung verbunden ist. Es handelt sich daher um komplexe Einheiten, die aus der Verbindung von zwei Größen, Ausdruck und Inhalt, bestehen. Dass die Verbindung konventionell ist, heißt auch, dass weder eine
Die Verbindung ist arbiträr
bestimmte Bedeutung natürlicherweise mit einem bestimmten Zeichenkörper verbunden wird, noch dass ein bestimmter Zeichenkörper natürlicherweise auf eine bestimmte Bedeutung hinweist. Saussure nennt dies die Arbitrarität des Zeichens (l’arbitraire du signe). Tatsächlich gibt es in Sprachsystemen fast überhaupt keine ikonischen Elemente; nur einigen Randerscheinungen kann ein solcher Charakter
Lautmalerei: Onomatopoetika
zugesprochen werden. Dies sind vor allem lautnachahmende Ausdrücke wie kikeriki, cocorico oder cock-a-doodle-doo, die mehr oder weniger gut den Hahnenschrei imitieren und in dieser konventionellen Form in das Lexikon der deutschen, französischen bzw. englischen Sprache eingegangen sind. Solche Zeichen nennt man onomatopoetische (von griechisch onomatopoiein ›benennen‹ – die ursprüngliche Bedeutung enthält also nicht die Komponente ›lautmalerisch‹).
Die Inhaltsseite: signifié
Daran, dass die Bedeutung psychisch gespeichert ist, würde wohl niemand zweifeln. Denn gespeichert haben wir ja nicht etwa die konkrete Vorstellung des einen Telefons, das jemand meint, wenn er sagt Geh mal zum Telefon – und natürlich schon gar nicht das Telefon selbst, denn physische Objekte kann man gar nicht im Kopf speichern. Immerhin wäre es denkbar, dass das, was wir da gespeichert haben, visuelle Eindrücke der diversen Telefone sind, die wir im Laufe unseres Lebens gesehen haben. Dann würde allerdings jeder mit dem Ausdruck Telefon etwas anderes verbinden. Das ist ja wahrscheinlich auch der Fall, für jeden ergeben sich individuelle Assoziationen auf Grund der |49◄ ►50| jeweils besonderen Erfahrungen, die er mit diesem Gerät gemacht hat. Diese individuellen Assoziationen können aber nicht Bestandteil des Sprachsystems sein, denn sie sind eben nicht kollektiv verbindlich und konventionalisiert. Zum Sprachsystem gehört vielmehr nur eine sehr abstrakte Bedeutung, die im Duden Universalwörterbuch folgendermaßen (wohl nicht ganz glücklich) umschrieben wird: ›Apparat (mit Handapparat und Wählscheibe oder Drucktasten), der über eine Drahtleitung oder drahtlos Telefonate möglich macht‹. Diese Komponente des Zeichens nennt nun Saussure zunächst concept, und er führt dann dafür den Terminus signifié ein. Der signifié ist also die psychisch gespeicherte abstrakte Bedeutung eines Zeichens.
Die Ausdrucksseite: signifiant
Schwieriger zu verstehen ist schon, dass auch die lautlichen und grafischen Komponenten psychisch gespeichert und abstrakt sind, denn bei ihnen handelt es sich ja durchaus um reale, physikalische Phänomene. Dennoch – oder vielmehr gerade deswegen, weil die jeweils realen Lautfolgen oder grafischen Gebilde empirische Einzelphänomene sind – müssen wir von ihnen eine abstrakte Vorstellung haben, so abstrakt, dass man in verschiedenen konkreten Realisierungen immer dasselbe Element wiedererkennen kann. So erkennen wir in den folgenden Realisierungen immer denselben Zeichenträger wieder:
Auch wenn man dieses Wort akustisch realisiert, kann man das auf sehr verschiedene Weise tun. Psychisch gespeichert ist jedoch nur das abstrakte Laut- oder Schriftbild, das von diesen Verschiedenheiten absieht. Saussure nennt dies (unter Beschränkung auf die gesprochene Sprache) zunächst image acoustique und führt dann dafür den Terminus signifiant ein. Dieser soll von jetzt an auch bei uns den Ausdruck Zeichenträger ersetzen. Das Zeichen wird danach von Saussure wie in Abbildung 8 modelliert.
Die Konventionalität der Zeichen
Signifié und signifiant bilden zusammen das sprachliche Zeichen (signe linguistique). Sie sind, wie Saussure sagt, miteinander verbunden wie zwei Seiten eines Blattes Papier. Auf Grund der festen Zuordnungskonvention im Rahmen des einzelsprachlichen Systems ruft ein signifiant im Geiste unmittelbar den zugehörigen signifié hervor – und andersherum. Die Beziehung ist nicht auflösbar. Man spricht sprachlichen Zeichen deshalb die Eigenschaft der Konstanz zu. Wer also willkürliche Veränderungen in den Zuordnungen vornimmt (und nicht wenigstens sicherstellt, dass diese Sonderkonventionen auch von anderen übernommen werden), kann mit Hilfe des gegebenen Sprachsystems nicht mehr kommunizieren (vgl. dazu das Textbeispiel 10). Dies gilt, obwohl es ja im Prinzip gleichgültig (arbiträr) ist, welcher signifiant einem bestimmten signifié zugeordnet wird und die verschiedenen Einzelsprachen ganz unterschiedlich verfahren. Dies zeigt noch einmal die große Bedeutung der Konventionalität des sprachlichen Zeichens. Sprachzeichen funktionieren eben immer nur im Rahmen des Systems einer langue.