Martin Lücke

Einführung in die Public History


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Forschungs- und Vermittlungsquellen der Public History betrachtet. Dazu werden Materielle Kultur (Irmgard Zündorf), Visual History und Sound History (Martin Lücke), Oral History und Living History (Irmgard Zündorf) als wissenschaftliche Methoden und Vermittlungsansätze erläutert. In den beiden folgenden Kapiteln wird der Umgang mit Geschichte in den Medien (Martin Lücke) sowie in Museen und Gedenkstätten (Irmgard Zündorf) näher betrachtet. Dazu dienen jeweils ein historischer Abriss des Forschungs- und Arbeitsfeldes sowie ein Einblick in theoretische Analysezugänge.

      Das abschließende Kapitel setzt sich dezidiert mit Fragen der universitären Public History auseinander und diskutiert zunächst das Verhältnis von Fachwissenschaft und Praxisbezug in der Lehre (Irmgard Zündorf). Es bietet einen Überblick über mögliche Themen und Ansätze für Masterarbeiten sowie Praxisprojekte und skizziert einen Rahmen für die eigene Projektplanung. Weiterhin werden Fragen geschichtswissenschaftlicher und -didaktischer sowie ethischer Leitlinien für die Arbeit von Public Historians diskutiert. Schließlich werden Ausbildungswege und Berufsfelder für Absolvent*innen vorgestellt, die sich mit der Vermittlung und Präsentation von Geschichte außerhalb der Universitäten und Schulen beschäftigen möchten, sei es im Bereich der Medien, der Museen und Gedenkstätten, der Politik oder der Wirtschaft.

      Die vorliegende Publikation kann all diese Themen nicht umfassend behandeln. Daher wird jeweils am Ende eines Kapitels weiterführende Literatur aufgelistet sowie Hinweise auf Websites wichtiger Institutionen und Publikationsorgane im deutschen und internationalen Bereich gegeben. Die Linklisten können auch online über die Website des Verlages abgerufen werden. Wichtige Erklärungen sind im Text grafisch hervorgehoben. Das Buch schließt mit einer Bibliographie zu allen angeschnittenen Themenfeldern sowie einem Sachregister.

      Diese Einführung baut auf den langjährigen Erfahrungen beider Autor*innen in der universitären Lehre in der Geschichtswissenschaft, der Geschichtsdidaktik und Public History auf, vor allem im Studiengang Public History an der Freien Universität Berlin. An der Recherche, Korrektur und formalen Gestaltung des Buches haben Adrian Lehne, Anna Panhoff, Johanna Heinecke und Hanin Ibrahim mitgewirkt. Bei ihnen möchten wir uns herzlich für die große Unterstützung bedanken.

      In diesem Kapitel wird Public History als Idee und Disziplin vorgestellt. Dazu wird zunächst ihre historische Entwicklung nachgezeichnet, bevor einige mit ihr verbundene Konzepte der Geschichtsschreibung erläutert werden. In einem ersten Schritt soll der historische Werdegang der Public History als Bewegung und Institution, aus den USA kommend und inzwischen auch in Australien und in Europa weit verbreitet, nachgezeichnet werden. Danach werden verschiedene Definitionen von Public History vorgestellt, um anschließend eine eigene Begriffsbestimmung vorzuschlagen. Dabei soll deutlich werden, dass Public History große Schnittmengen mit der Geschichts- bzw. Erinnerungskultur hat. Diese Begriffe sowie weitere in diesem Buch immer wieder auftretende wie Geschichtspraxis und Geschichtsbewusstsein werden Kapitel 1.3 erläutert. Zum Schluss dieses Kapitels wird der Standort der Public History zwischen Wissenschaft und Publikumsansprüchen erörtert.

      Public History hat es schon lange gegeben, bevor der Begriff geprägt wurde. Die Bezeichnung stammt aus den USA, wo sich Public History zunächst als Bewegung außerhalb der Universitäten entwickelte. Aufbauend auf den Ansätzen und Zielen der New Social History der 1960er Jahre sollte eine Geschichte „von unten“ betrieben werden. Dies bedeutete einen Perspektivwechsel weg von der bis dahin betriebenen Politik- und Ereignisgeschichte hin zu einer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Auch das Interesse an Kultur- und Alltagsgeschichte und einer damit verbundenen Regionalgeschichte wuchs. Mit dieser Entwicklung wurden sowohl die Themen als auch die Quellen und Methoden der historischen Forschung ausgeweitet. Zu den neuen Quellen zählten sowohl sogenannte Ego-Dokumente, wie private Briefe und Tagebücher, als auch mündliche Zeitzeug*innenaussagen. Letztere wurden mit der in den 1980er Jahren neu entwickelten Methode der Oral History (Kapitel 3.4) erhoben und analysiert.

      Seit den 1970er Jahren stieg das öffentliche Interesse an Geschichtsdarstellungen. Immer mehr Menschen besuchten historische Ausstellungen, schauten Geschichtsfilme (Spielfilme aber auch Dokumentationen), lasen entsprechende Bücher (sowohl wissenschaftliche Abhandlungen als auch populärwissenschaftliche Darstellungen und Historienromane) oder kauften Geschichtsmagazine. Die steigende Nachfrage wiederum hatte zur Folge, dass immer mehr Angebote geschaffen wurden. Diese Entwicklung wird auch als „Geschichtsboom“ bezeichnet, der bis heute anhält.

      Zudem erfolgte in den 1970er Jahren in den USA der Ausbau des Hochschulsystems. Dadurch stieg die Zahl der Absolvent*innen historischer Studiengänge, die im universitären oder schulischen Bereich keine Anstellung fanden. Auf andere Berufsfelder waren die Studienprogramme jedoch bis dahin nicht ausgerichtet.

      Die Public History-Bewegung kritisierte die universitäre Geschichtswissenschaft, nicht auf das wachsende öffentliche Interesse an Geschichte einzugehen. Sie warf der Fachwissenschaft vor, den Kontakt zur Öffentlichkeit verloren zu haben, nicht mehr für diese zu forschen und zu schreiben, sondern nur noch für die eigenen Kreise zu publizieren. Dagegen wurde gefordert, dass die etablierten Historiker*innen sich mit ihren Fähigkeiten an der Entwicklung populärer Geschichtsdarstellungen beteiligen. Zudem sollte die universitäre Lehre an die veränderten Arbeitsbedingungen der Historiker*innen angepasst werden.

      In der Folge wurden Ende der 1970er Jahre schließlich neue Studiengänge entwickelt, die auf diese Defizite reagierten und die Studierenden auf Tätigkeitsfelder im Bereich der Geschichtsvermittlung außerhalb von Schule und Universität vorbereiten sollten.

      Der erste Public History-Studiengang startete 1976 an der University of California, Santa Barbara unter der Leitung des dortigen Geschichtsprofessors Robert Kelly.1 Weitere Studiengänge, die sich verstärkt mit Vermittlungsfragen von Geschichte in der Öffentlichkeit auseinandersetzten und ganz konkret auf bestimmte Berufe vorbereiteten, folgten. Die Hochzeit dieser Public History-Studiengänge waren die 1980er Jahre, aber auch heute gibt es laut Angabe des Public History Resource Centers in den USA noch an 135 Universitäten entsprechende Angebote.2

      Die Public History-Studiengänge in den USA bieten sowohl klassische geschichtswissenschaftliche Seminare an als auch solche, die sich mit Fragen der Entwicklung, Theorie und Methode der Medien- und Kulturwissenschaften auseinandersetzen. Darüber hinaus gibt es Wahlbereiche zu verschiedenen Praxisfeldern der Public History, die erste Einblicke in die konkrete berufliche Tätigkeit ermöglichen. Diese sind wiederum im Praktikum und auch in der eigenen Abschlussarbeit zu vertiefen. Die Studierenden sollen durch konkrete Beispiele und Gruppenarbeit auf die unterschiedlichen Formen der Präsentation von Geschichte in den verschiedenen Medien vorbereitet werden.

      Einen Überblick über Definitionen, Studien- und Jobangebote in den USA sowie verschiedene Rezensionen und Rezensionsportale bietet das Public History Resource Center. Es definiert sich selbst als Forum, das die Arbeit von Public Historians unterstützt, fördert und verbreitet. Die dortigen Informationen beziehen sich überwiegend auf die USA, gehen aber teilweise darüber hinaus und schließen den gesamten angelsächsischen Sprachraum mit ein. Leider wird die Website in manchen Sparten seit Längerem nicht mehr überarbeitet.

      Neben den Studiengängen zeichnete sich vor allem mit dem 1980 in Pittsburgh als Interessenvertretung gegründeten National Council on Public History (NCPH)3 eine Institutionalisierung der Public History ab. Ziel war es, die verschiedenen Akteur*innen auf dem Feld zu vernetzen und Public History als Disziplin zu professionalisieren, um ihr Ansehen zu fördern. Dafür wurden und werden Konferenzen durchgeführt, Texte über theoretische Grundlagen sowie Praxisfelder publiziert und Hinweise für die universitäre Lehre erstellt. Das NCPH betont einerseits die Eigenständigkeit der Public History und andererseits