„Public history is a movement, methodology, and approach that promotes the collaborative study and practice of history; its practitioners embrace a mission to make their special insights accessible and useful to the public.“20
Aber auch diese Definition stieß auf Kritik, da Public History zu diesem Zeitpunkt keine Bewegung, sondern bereits in den Institutionen angekommen sei und trotzdem keine eigenständige Methode entwickelt habe. Übereinstimmung herrschte inzwischen jedoch darüber, dass unter Public History mehr verstanden wurde als nur die Arbeit von Historikern außerhalb der Universitäten. Die überarbeitete Definition des NCPH lautet daher:
„public history describes the many and diverse ways in which history is put to work in the world. In this sense, it is history that is applied to real-world issues. In fact, applied history was a term used synonymously and interchangeably with public history for a number of years. Although public history has gained ascendance in recent years as the preferred nomenclature especially in the academic world, applied history probably remains the more intuitive and self-defining term.“21
Auch diese Definition bleibt eher vage und der Hinweis auf die begriffliche Ähnlichkeit zur Angewandten Geschichte (Applied History) erscheint nicht unbedingt hilfreich. Hier findet sich allerdings eine Ähnlichkeit zur deutschen Diskussion, in der ebenfalls kaum zwischen Angewandter Geschichte und Public History unterschieden wird. Ein Unterscheidungsmerkmal könnte höchstens darin gesehen werden, dass die Angewandte Geschichte22 dezidiert alle Geschichtsinteressierten einbinden will und Public History eher auf universitär ausgebildete Historiker*innen zurückgreift.23 So betont Thomas Cauvin, Vorstandsmitglied der internationalen Vereinigung der Public History, dass Public Historians keine Historiker*innen zweiter Klasse seien, sondern ihre Vorgehensweise wie bei allen Historiker*innen auf geschichtswissenschaftlichen Standards beruhe.24
In einer Zwischenbilanz kann festgehalten werden, dass es zwar viele Merkmale gibt, die Public History ausmachen, aber eine konkrete, von allen Public Historians anerkannte Definition nicht existiert. Der frühere Präsident des NCPH erklärt daher auch, Public History sei „easier to describe than define, and you know it when you see it“25. Auf diese vielleicht unvermeidliche begriffliche Unschärfe verweist auch die Formulierung eines Vertreters der australischen Public History-Gemeinschaft. Danach ist Public History
„an elastic, nuanced und contentious term. Its meaning has changed over time and across cultures in different local, regional, national and international contexts.“26
Ziel dieser verschiedenen Definitionsansätze scheint vor allem zu sein, möglichst viele Akteur*innen und viele Formen des Umganges mit Geschichte zu integrieren und daher möglichst offen zu bleiben. So erklärt ein Mitglied der International Federation for Public History (IFPH) nur, dass Public History sich auseinandersetzt mit der
„Gegenwärtigkeit der Vergangenheit – und mit dem Konstruktionscharakter von Geschichte – außerhalb akademischer Gegebenheiten“.27
Wer die Akteur*innen des Faches sind, bleibt dabei ebenso unscharf wie seine methodischen Grundlagen. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es keine eindeutigen Definitionen, sondern eher Umschreibungen. So wird Public History auch als Schirm begriffen, unter dem Konzepte wie Geschichts- oder Erinnerungskultur zusammengefasst werden können.28 Es finden sich jedoch auch konkretere Erklärungen. So verstehen Frank Bösch und Constantin Goschler Public History als
„zunächst jede Form von öffentlicher Geschichtsdarstellung, die außerhalb von wissenschaftlichen Institutionen, Versammlungen oder Publikationen aufgebracht wird“.29
Diese Erklärung verweist sehr schön auf die große Bandbreite der Public History, bezieht jedoch den wissenschaftlichen Blick auf öffentliche Geschichtsdarstellungen nicht mit ein. Die zweite Definition des Historikers Habbo Knoch versteht Public History dagegen dezidiert als
„Teildisziplin der Geschichtswissenschaft […], die öffentliche Repräsentationen von Vergangenheit außerhalb von Fachwissenschaft, Schule und Familie sowie die damit einhergehenden Deutungen zusammen mit ihren Akteuren, Medien, performativen Praktiken und materiellen Objekten daraufhin untersucht, was für wen, wie, mit welcher Bedeutung und zu welchem Zweck als ‚Geschichte‘ konstituiert und verhandelt wird“.30
Diese Perspektive wiederum betont die universitäre Public History. Beide Seiten verbindet folgende, hier verwendete Definition:
Public History wird sowohl als jede Form der öffentlichen Geschichtsdarstellung verstanden, die sich an eine breite, nicht geschichtswissenschaftliche Öffentlichkeit richtet, als auch als eine Teildisziplin der Geschichtswissenschaft, die sich der Erforschung von Geschichtspräsentationen widmet.31
Damit wird der Bezug zur Geschichtswissenschaft und zur Geschichtsdidaktik herausgestellt und die Erforschung aber auch die Entwicklung außeruniversitärer Präsentationen von Geschichte betont. Public History ist somit sowohl Forschungsdisziplin als auch Forschungsgegenstand. In diesem Punkt grenzen sich deutsche Studienangebote von den Public History-Studiengängen in den USA ab, da letztere vor allem eine praxisnahe Ausbildung vermitteln, um die künftigen Absolvent*innen auf den Arbeitsmarkt außerhalb der Universitäten vorzubereiten. Public History in unserem Verständnis setzt sich jedoch darüber hinaus mit öffentlichen (Re-)Präsentationen von Geschichte auseinander, analysiert diese und dekonstruiert darin zum Ausdruck kommende Geschichtsbilder, um den öffentlichen Gebrauch und Missbrauch der Historie zu untersuchen.
In diesem Sinne können auch konkrete Aufgaben der universitären Public History formuliert werden. Danach analysiert sie sowohl Geschichtsdarstellungen als auch entsprechende Diskurse und deren Wirkungen, um das Verständnis des Konstruktionscharakters von Geschichte zu erhöhen. Dabei sollten die medialen, ökonomischen und politischen Einflüsse auf die Darstellung der Vergangenheit herausgearbeitet werden. In diesem Zusammenhang ist zudem die Instrumentalisierung von Geschichte zu reflektieren. Auf diese Weise können die Funktionen der Geschichtsbilder in den jeweiligen Darstellungen entschlüsselt werden, was wiederum deren Wirkung relativieren kann.32 Public History leistet somit sowohl Beiträge zur Geschichtswissenschaft als auch zur Erinnerungs- bzw. Geschichtskultur (siehe Kapitel 1.3).
Die universitäre Public History ist in Deutschland institutionell bislang vor allem an zeithistorischen Professuren angesiedelt. In jüngster Zeit streben aber auch geschichtsdidaktische Lehrstühle ausdrücklich ihre Berücksichtigung an. Zudem wird ebenso die Nähe zu den Kulturwissenschaften betont.33 Letztendlich verbindet Public History geschichtswissenschaftliche, didaktische und kulturwissenschaftliche Methoden und Ansätze miteinander und geht daher in keinem der Fächer allein auf.
Die Fokussierung auf die Zeitgeschichte lässt sich wesentlich darauf zurückführen, dass es innerhalb der Geschichtswissenschaft, aber vor allem auch im gesellschaftlichen Interesse ein „zeitgeschichtliches Gravitationszentrum“34 zu geben scheint, das sich in den vielfältigen Darstellungen zum 20. Jahrhundert als „Zeitalter der Extreme“ (Eric Hobsbawm) ausdrückt. Das besondere Interesse an der Zeitgeschichte lässt sich weiterhin mit ihrem Konfliktpotential als „Streitgeschichte“35 erklären. Dies wiederum kann darauf zurückgeführt werden, dass wir es hier mit einer „Epoche der Mitlebenden“ (Hans Rothfels), die jeweils ihre Sicht auf ihre Geschichte einbringen, zu tun haben. Darüber hinaus ist die Zeitgeschichte für die Public History besonders interessant, weil sie hier in besonderem Maße Audio- und Video-Quellen einbinden kann, die gerade in der Vermittlung größere Aufmerksamkeit erzielen. Gleichzeitig sind diese medialen Geschichtsdarstellungen wiederum Quellen für die Analyse zeithistorischer Vermittlungsstrategien. Besondere Herausforderungen stellen dabei die relativ schnelllebigen Präsentationen im Internet dar, für deren Untersuchung bisher noch kaum Ansätze entwickelt wurden.
Geschichtspräsentationen, die von Public Historians erstellt werden, unterliegen besonderen Anforderungen. Sie sind Geschichte für die Öffentlichkeit und in der Öffentlichkeit. Als solche wiederum können sie auch als „popular history“36 verstanden werden. Damit wird darauf verwiesen, dass Public History Geschichte für ein Nicht-Fachpublikum