Martin Lücke

Einführung in die Public History


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vierteljährlich die Zeitschrift The Public Historian4. Sie ist inzwischen das wissenschaftliche Organ des NCPH und dient auch über die USA hinaus als wichtiges Publikationsorgan für die Public History. Zudem veröffentlicht der NCPH seit 1986 vierteljährlich den Newsletter Public History News. Der NCPH betreut ebenfalls die Mailingliste H-Public, die 1994 eingerichtet wurde, sowie seit 2012 den Blog Public History Commons. Dort werden aktuelle Informationen und Diskussionen zum Thema publiziert sowie die Beiträge aus der H-Public-Liste, dem NCPH-Newsletter und Online-Artikel aus The Public Historian zweitveröffentlicht. Im zeitgleich eingerichteten weiteren Blog des NCPH History@work werden vor allem Fragen und Probleme der Praxis behandelt.

      Außerhalb der USA entwickelte sich vor allem in Australien seit Ende der 1990er Jahre eine institutionell verankerte Public History. 1998 wurde an der University of Technology Sidney The Australian Centre for Public History5 als Interessenvertretung gegründet. Derzeit gibt es fünf australische Universitäten mit Public History-Studienangeboten. Seit 1992 veröffentlicht die Australian Professional Historians’ Association die wissenschaftliche Zeitschrift Public History Review (PHR)6, die seit 2006 auch online zur Verfügung steht und neben The Public Historian zu den wichtigsten internationalen Publikationsorganen der Public History zählt. Sie behandelt Fragen der Geschichtsvermittlung und deren Rezeption. Die Zeitschrift versteht sich als Forum für alle Historiker*innen.

      Auch in Europa war seit den 1980er Jahren ein ansteigendes öffentliches Interesse an Geschichte zu verzeichnen. Zu einer breiten Public History-Bewegung kam es jedoch nicht. In Großbritannien entwickelte sich zunächst die „History Workshop“-Bewegung um Raphael Samuel am Ruskin College in Oxford, die sich mit Fragen der Geschichte in der Öffentlichkeit auseinandersetzte. 1996 entstand der erste Public History-Studiengang in Oxford, und inzwischen gibt es an insgesamt fünf britischen Universitäten entsprechende Angebote. Weitere Public History-Studienangebote lassen sich seit 2008 in den Niederlanden an der Universität von Amsterdam, in Belgien an der Universität von Gent und in Polen seit 2014 an der Universität Wrocłav finden. Im Wintersemester 2015/16 starteten zudem in Frankreich der erste entsprechende Studiengang an der Université de Paris Est und in Italien an der Universität Modena und Reggio Emilia. In der Schweiz startet im Wintersemester 2017/18 der Masterstudiengang „Geschichtsdidaktik und öffentliche Geschichtsvermittlung“ der PH Luzern und der Universität Freiburg, der in Zusammenarbeit mit den Universitäten Luzern und Basel sowie der PH St. Gallen durchgeführt wird.

      Eine erste internationale Public History-Konferenz fand 2005 in Oxford unter dem Titel „People and their Pasts“7 statt. Hier referierten vor allem Vertreter aus den USA, Australien und Großbritannien. Eine für alle Beteiligten konsensfähige Definition der Public History wurde hier ebenso wenig gefunden wie die Entscheidung, ob Public Historians in erster Linie studierte Historiker*innen sein sollten oder auch Laienhistoriker*innen sein können. Ziel der Tagung war vielmehr, möglichst vielfältige Sichtweisen zuzulassen und damit neue Perspektiven auf Geschichte in der Öffentlichkeit zu gewinnen.

      2010 wurde schließlich die International Federation for Public History (IFPH)8 gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, im Bereich der Lehre und in der Forschung internationale Kontakte zu vermitteln und den transnationalen Austausch zu unterstützen. Zu diesem Zweck wird jährlich eine große internationale Tagung durchgeführt. Die erste fand 2014 in Amsterdam statt, die zweite 2015 in Jinan, die dritte 2016 in Bogotá und die vierte 2017 in Ravenna. Innerhalb des IFPH wurde eine Untergruppe für den wissenschaftlichen Nachwuchs gebildet. Sie nennt sich Student and New Professional Committee9 und soll Public History-Studierende und Absolvent*innen miteinander in Kontakt bringen.

      Auch in Deutschland stieg seit den 1970er Jahren die Zahl der Absolvent*innen historischer Studiengänge, und spätestens in den 1980er Jahren wurde der Geschichtsboom deutlich spürbar. Immer mehr Historiker*innen wechselten nach dem Studium in Arbeitsfelder außerhalb der Universitäten oder der Schule, waren jedoch, wie in den USA, kaum auf diese Tätigkeiten vorbereitet. Vielmehr ließ sich sogar eine gewisse Ratlosigkeit in den Universitäten beobachten, wie mit dem sogenannten Geschichtsboom umgegangen werden sollte. Auch wenn die Fachdidaktik die Fachhistoriker*innen zu stärkerer Präsenz in der Öffentlichkeit aufrief, blieb unklar, wie diese aussehen sollte.

      Außerhalb der Universitäten nahmen die in den 1980er Jahren gegründeten Geschichtswerkstätten unter dem Motto „Grabe, wo Du stehst“10 die Regional- und Alltagsgeschichte in den Blick und verfassten entsprechende Publikationen. Sie kritisierten die universitäre Geschichtswissenschaft für ihre Fokussierung auf die Politik- und Ideengeschichte, auch die zwischenzeitig erfolgte Aufwertung der Struktur- und Sozialgeschichte reichte ihnen nicht aus. Die Geschichtswerkstätten forderten eine demokratische Aneignung der Geschichte durch die Betroffenen selbst. Einerseits sollten die wissenschaftlich ausgebildeten Historiker*innen mit den Menschen vor Ort zusammenarbeiten und andererseits sollte das alltägliche Leben in den verschiedenen politischen Systemen und damit die „Geschichte von unten“ in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden.11

      Abseits der Geschichtswerkstätten und Universitäten ließ sich zudem in den 1990er Jahren in Folge des Geschichtsbooms eine „Institutionalisierung der öffentlichen Geschichtsdarstellung“ beobachten.12 So konnten sich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeitgeschichtliche Redaktionen mit festen Sendeplätzen etablieren, Verlage publizierten verstärkt populärwissenschaftliche Buchreihen und populäre Geschichtszeitschriften wurden entwickelt. Gedenkstätten erhielten eine stärkere institutionelle öffentliche Förderung, Stiftungen zur Aufarbeitung der deutschen Diktaturvergangenheit entstanden und in den Bundes- und Länderverwaltungen wurden Referate eingerichtet, die sich konkret mit der Förderung von öffentlichkeitswirksamen Geschichtsprojekten auseinandersetzen sollten. Damit erweiterte sich das potentielle Arbeitsfeld von Absolvent*innen der Geschichtswissenschaften. Es dauerte jedoch noch einige Zeit, bis auch die Studiengänge diese veränderte Situation widerspiegelten.

      Einen Vorreiter im Bereich der Geschichtsstudiengänge mit Praxisbezug stellt der 1985 an der Universität in Gießen eingerichtete Magisterstudiengang Fachjournalistik Geschichte dar, der als das erste deutsche Pendant zu den amerikanischen Public History-Curricula gesehen werden kann. Allerdings ist er ganz auf die journalistische Vermittlung von Geschichte in Film-, Funk- und Druckerzeugnissen bezogen. Weitere Studienangebote dieser Art ließen lange auf sich warten.

      Mit der Einführung des Bachelor- und Mastersystems seit 2000 wurden in den Bachelorstudiengängen im Fach Geschichte Praktika verpflichtend eingeführt und facheigene Übungen oder Seminare mit Praxisrelevanz angeboten. Diese Angebote waren aber zunächst kaum konkret in den Lehrplänen verankert, sondern beruhten auf dem Engagement einzelner Dozierender. Ein Beispiel für ein innovatives Public History-Seminar ist das inzwischen über die Grenzen der Universität Bremen bekannte Theaterprojekt „Aus den Akten auf die Bühne“. Darüber hinaus gibt es an verschiedenen Universitäten Public History-Arbeitsbereiche, die Beratungsleistungen und/oder einzelne Praxis-Seminare anbieten. Dazu zählt der 2013/2014 an der Universität Hamburg eingerichtete Arbeitsbereich Public History, der Seminarangebote unterschiedlichster Art rund um Fragen der (Re-)Präsentation von Geschichte im Bachelorstudiengang Geschichte organisiert. Ähnliche Bereiche gibt es beispielsweise an der Universität Münster mit der „Schnittstelle Geschichte und Beruf“ und an der Universität Bielefeld mit dem „Arbeitsbereich Geschichte als Beruf“, die sowohl berufsvorbereitende Informationen vermitteln als auch eigene Praxisseminare durchführen. Eigenständige Public History-Studiengänge werden hier allerdings nicht angeboten. Auch der an der Universität Zürich angesiedelte Weiterbildungsmaster Applied History stellt keinen Studiengang im Sinne der Public History dar. Er bietet vielmehr in erster Linie klassische geschichtswissenschaftliche Seminare für Nicht-Historiker*innen an.

      Erst seit 2008 gibt es mit dem konsekutiven Masterstudiengang „Public History“ an der Freien Universität (FU) Berlin ein Angebot, das sich explizit der Public History in all ihren Formen widmet und eine Alternative zu sonstigen Geschichtsmaster-Programmen bietet. Der Studiengang wird gemeinsam von der Universität bzw. dem Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der FU sowie dem