Martin Lücke

Einführung in die Public History


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liegt in der Vermittlung von theoretisch und methodisch fundierter Geschichtswissenschaft einerseits sowie Praxisfragen der öffentlich wirksamen Geschichtsvermittlung andererseits. Daher werden sowohl klassische historische Seminare angeboten als auch Module rund um Fragen der (Re-)Präsentation, der Geschichtsdidaktik, der Mediengeschichte und des Kulturmanagements. Neben geschichtswissenschaftlichen Methoden werden den Studierenden die Grundlagen des Historischen Lernens, der Oral History, der Material Culture und der Visual History sowie Sound History vermittelt. Auf dieser Basis sollen sie in die Lage versetzt werden, sowohl eigene Geschichtsprodukte zu konzipieren als auch vorhandene Angebote zu analysieren. Die Einsichten in die Praxisarbeit sollen zum einen durch Hausarbeiten in Form von Praxisprojekten gewährleistet werden, zum anderen über die Einbindung von Dozierenden und Gästen aus der außeruniversitären Praxis sowie durch die verpflichtende Teilnahme an Praktika.

      Inzwischen gibt es in Deutschland weitere Public History-Studienangebote. So wurde 2012 an der Universität Heidelberg die Professur für Angewandte Geschichtswissenschaft und Public History eingerichtet. 2015 startete an der Universität Köln der zweite Public History-Studiengang. Weitere Programme sind zum Beispiel an der Ruhr-Universität Bochum in Planung. Darüber hinaus gibt es aber auch Studiengänge ähnlichen Inhaltes, jedoch gänzlich anderen Namens wie die Masterstudiengänge „Fachdidaktische Vermittlungswissenschaften – mediating culture“ an der Universität Augsburg, „Kulturvermittlung“ an der Universität Hildesheim, „Kunst- und Kulturvermittlung“ an der Universität Bremen oder „Empirische Kulturwissenschaft“ mit der Profillinie „Museum & Sammlungen“ an der Universität Tübingen. Die Angebote sind denen der genannten Public History-Studiengänge relativ ähnlich, auch wenn das Feld ‚Geschichte‘ hier jeweils auf ‚Kultur‘ erweitert wird. Hinzu kommt ab 2017 der weiterbildende Studiengang „Politisch-Historische Studien“ an der Universität Bonn, der berufsbegleitend absolviert werden soll und sich an Interessenten wendet, die im Bereich der Vermittlung von Politik und/oder Zeitgeschichte tätig sind.

      Auch wenn die Programme sich unterscheiden, ist doch allen gemein, dass sie sich mit Geschichtspräsentationen im öffentlichen Raum auseinandersetzen. Zudem sind Projektseminare und Praktika integrale Bestandteile der jeweiligen Studienangebote. Die Verknüpfung mit der beruflichen Praxis steht im Mittelpunkt der Studiengänge. Darüber hinaus sind sowohl Fachwissenschaftler*innen als auch Fachdidaktiker*innen in die Lehre eingebunden, sodass sowohl Grundwissen vertieft als auch Vermittlungsfragen behandelt werden.

      Trotz dieser durchaus bemerkenswerten Entwicklung kann im deutschsprachigen Raum nicht von einer Public History-Bewegung gesprochen werden und auch noch nicht von einer eigenständigen Disziplin im universitären Bereich. Die Angebote variieren von einzelnen Seminaren und Übungen über Weiterbildungsstudiengänge bis hin zum Masterstudiengang. Noch fehlt es auch an entsprechenden Graduiertenschulen, auch wenn die Anzahl der Promotionen über Themen der Erinnerungskultur deutlich zunimmt.

      Public History wird aber nicht nur an den Universitäten gelehrt, sondern auch und vor allem außerhalb dieser Einrichtungen umgesetzt. Gerade die Historiker*innen, die nicht in die institutionellen akademischen Bereiche eingebunden sind, haben in der Vergangenheit auf die Gründung einer eigenen Interessenvertretung gedrängt. 2012 wurde schließlich auf dem Historikertag in Mainz die Arbeitsgruppe Angewandte Geschichte/Public History13 innerhalb des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands gegründet. Ziel ist es, die Zusammenarbeit der innerhalb und außerhalb der etablierten Geschichtswissenschaft tätigen Historiker*innen zu verstärken. Daher sieht sich die AG vor allem als Kommunikationsplattform. Dafür werden regelmäßig Workshops zu Themen der Public History durchgeführt, zu denen alle Mitglieder, aber auch weitere Interessierte eingeladen sind. Seit März 2015 gibt es mit den Studierenden und Young Professionals (SYP)14 innerhalb der AG eine Gruppe, die sich aus Studierenden und Absolvent*innen der unterschiedlichen Studiengänge in Deutschland zusammensetzt. Die AG verfügt über kein eigenes Publikationsorgan. Seit 2013 gibt es jedoch das wissenschaftlich ausgerichtete Blog-Journal Public History Weekly15, das wöchentlich kürzere Beiträge zu Themen der Public History mit einem Fokus auf Fragen der Geschichtsdidaktik publiziert, die jeweils mit Kommentaren versehen werden können.

      Public History ist somit auch in Deutschland inzwischen auf dem Weg zur Fachdisziplin. Als solche setzt sie sich nicht nur mit populären Darstellungen geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse auseinander, sondern liefert mit ihren Präsentationen auch Impulse für die Forschung. Sie trägt somit nicht nur zur Rekonstruktion von Geschichte bei, sondern wird Teil der Geschichtskultur. Einen mittlerweile selbst längst historischen Impuls dieser Art lieferte der Fernsehmehrteiler „Holocaust“, der 1979 in Deutschland ausgestrahlt wurde und zu einem „Paradigmenwechsel in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und den NS-Verbrechen“16 führte. Ein weiteres Beispiel stellt die erste Ausstellung über „Verbrechen der Wehrmacht“ dar, die Ende der 1990er Jahre präsentiert wurde und einen neuen Umgang der Geschichtswissenschaft mit Bildern und hier vor allem mit Fotografien einleitete. Der Blick in die Entwicklung populärer Geschichtspräsentationen bietet somit sowohl Einblicke in Tätigkeitsfelder für Absolvent*innen historischer Studiengänge als auch in Forschungsfelder für die Geschichtswissenschaft und besonders für die Public History.

      Literatur

      Ashton, Paul/Kean, Hilda (Hg.): People and their Pasts. Public History Today, Basingstoke 2009.

      Horn, Sabine/Sauer, Michael (Hg.): Geschichte und Öffentlichkeit. Orte – Medien – Institutionen, Göttingen 2009.

      Kean, Hilda/Martin, Paul/Morgan, Sally J.: Seeing History. Public History in Britain Now, London 2000.

      Korte, Barbara/Paletschek, Sylvia: History goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres, Bielefeld 2009.

      Meringolo, Denise D.: Museums, Monuments, and National Parks. Toward a New Genealogy of Public History, Amherst 2012.

      Rauthe, Simone: Public History in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, Essen 2001.

      Der Begriff „Public History“ entstand in den USA, ist aber auch dort nicht eindeutig definiert. Geprägt wurde er von dem bereits erwähnten Robert Kelly, Professor an der University of California in Santa Barbara. Seine in den 1970er Jahren formulierte Definition lautet:

      „Public History refers to the employment of historians and the historical method outside the academia: in government, private corporations, the media, historical societies and museums, even in private practice.“17

      Damit verweist Kelly darauf, dass Public History außerhalb der Universitäten stattfindet, und zwar in Politik und Wirtschaft, in Medien, Museen und Geschichtsvereinen sowie im „privaten Bereich“ und dort insbesondere in der Ahnenforschung. Trotz dieser Aufzählung von Arbeitsfeldern bleibt die Definition unpräzise, was die Inhalte und Methoden der Public History angeht. So bezog sich Kellys Begriff Public History nicht auf die Geschichtsvermittlung in der Öffentlichkeit, sondern allein auf die Beschäftigung von Historiker*innen mit ihren ganz spezifischen Fähigkeiten in den Bereichen Recherche, Analyse und Interpretation außerhalb der Universitäten.18

      Gegner dieser Definition sahen darin eine simple, verkürzende Aufspaltung der Historikerzunft nach ihrer Beschäftigung an oder außerhalb der Universitäten. Sie forderten stattdessen eine Einbindung der Fachhistoriker*innen und weiterer Akteur*innen sowie gleichzeitig eine Ausweitung der Definition auf die Ziele und Inhalte der Public History. Diese sei somit, wie der Historiker Charles Cole in den 1990er Jahren formulierte,

      „history for the public, about the public, and by the public“19.

      Damit wurde die Öffentlichkeit nicht nur zur Zielgruppe, sondern auch zum Thema und zur Produzentin von Geschichtsschreibung erklärt. Dies implizierte, dass die entsprechenden Aktivitäten aller irgendwie an Geschichte interessierten Menschen zur Public History gezählt werden konnten. Diese Ausweitung auf jede Form der Laien-Geschichtsschreibung fand wiederum nicht überall Zuspruch.

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