Reinhilde Stöppler

Einführung in die Pädagogik bei geistiger Behinderung


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Entzündung des Gehirns kommen. Diese Entzündungen können – je nach Schwere und Verlauf – eine geistige Behinderung nach sich ziehen.

      Unfälle

      Verkehrsunfälle und häusliche Unfälle des Kindes können zu einem schweren Schädel-Hirn-Trauma führen; in bestimmten Fällen können durchaus Entwicklungsverzögerungen und geistige Beeinträchtigungen resultieren. Sauerstoffmangelzustände, z. B. nach einem Ertrinkungsunfall, oder auch Verbrennungskrankheiten können zu Hirnschädigungen führen (Neuhäuser 2013, 134ff.).

      Auf der Basis dieses Kapitels können Sie nun die Übersicht der häufigen Syndrome in Kapitel 3.1 besser verstehen und einordnen.

      „Richtlinien zur Mutterschaft“

      Aus medizinischer Sicht stehen schwangeren Frauen und Familien verschiedene Untersuchungen zur Vorsorge und zur Wahrung der Gesundheit eines Kindes zur Verfügung. Dazu wurden „Richtlinien zur Mutterschaft“ durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (2011) formuliert, die für behandelnde MedizinerInnen einen Katalog ärztlicher Untersuchungs- und Beratungsschwerpunkte enthalten und z. B. die Überwachung von Risikoschwangerschaften sowie die Untersuchung auf Infektionskrankheiten (Röteln, Hepatitis B, evtl. HIV, etc.) vor und nach der Geburt oder Fehlgeburt umfassen.

      Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG)

      Das Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) regelt z. B. vor dem Hintergrund der Diagnose Trisomie 21 eine umfassende Beratung und Aufklärung der werdenden Eltern. Schwerpunkte der Beratung stellen Informationen u. a. auch zum Leben von Kindern und erwachsenen Menschen mit geistiger und / oder körperlicher Behinderung dar. In Tabelle 6 werden die zentralen Methoden der pränatalen Diagnostik skizziert.

BezeichnungZeitpunktVerfahrenMöglichkeitenRisiken
Praenatestmöglich ab vollendeter 9. SSWEntnahme einer Blutprobe der Mutter zur Isolierung fetaler DNA-Fragmente (Bißwanger-Heim 2012, A697).molekulargenetischer Bluttest zur Feststellung einer fetalen Trisomie 21 (Klinkhammer / Richter-Kuhlmann 2013, A166)keine
Ultraschalluntersuchung (Sonografie)9.-32. SSWÜber einen Schallkopf werden Wellen ausgesendet, wobei vaginale Ultraschallverfahren (vor 12. SSW) und Ultraschallverfahren über die Bauchdecke (ab 20. SSW) unterschieden werden. Zwischen 9. und 32. Schwangerschaftswoche sind drei Ultraschalluntersuchungen vorgesehen.
Feststellung der Schwangerschaftswoche
Erkennen von Mehrlingen
Kontrolle der Herztätigkeit des Kindes
Feststellung von Fehlbildungen
keine
Ersttrimesterscreening12.-14. SSWÜber Ultraschall werden u. a. die Nackentransparenz sowie das Nasenbein gemessen, frühe Fehlbildungsdiagnostik möglich (erweitertes Ersttrimesterscreening). Durch das Alter der werdenden Mutter sowie der genauen Schwangerschaftsdauer können durch statistische Werte Risiken ermittelt werden.
Risikoerkennung von z. B. Trisomie 21 oder Herzfehlern
Aussagen über Schwangerschaftsverlauf bzw. die Entwicklung des Kindes möglich
keine
Bluttest11.-14. SSWIm Blut der Frau werden die Werte von zwei Eiweißstoffen gemessen. Durch die Hinzunahme der Ergebnisse des Ultraschalls kann ein Risikowert anhand von Statistiken errechnet werden.Aussagen über Schwangerschaftsverlauf bzw. die Entwicklung des Kindes möglichkeine
Zweittrimesterscreening15.-18. SSWErweiterter (Organ-) Ultraschall. Außerdem zusätzlich Bluttests (Messung von Alphaproteinen) oder eigenständig zur Bestimmung von Hormonund weiterer Eiweiß-werte.Aussagen über Schwangerschaftsverlauf bzw. die Entwicklung des Kindes möglichkeine
Chorionzottenbiopsie11.-14. SSWDurch einen Einstich in die Bauchdecke wird Chorionzottengewebe (Mutterkuchengewebe) der werdenden Mutter entnommen.Feststellung von
chromosomalen Aberrationen
metabolischen Aberrationen
genetischen Erkrankungen
Das Risiko einer Fehlgeburt liegt zwischen 0,5 und 2 %.
Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese)14.-20. SSWDurch einen Einstich in die Fruchtblase werden Fruchtwasser sowie Zellen des ungeborenen Kindes entnommen.
Feststellung von Anomalien nach Auffälligkeiten bei der Ultraschalluntersuchung
Bestimmung des Chromosomensatzes des Kindes und Untersuchung auf Erbkrankheiten und chromosomale Aberrationen
Das Risiko einer Fehlgeburt liegt zwischen 0,5 und 1 %.
Nabelschnurpunktion (Kordozentese)ab 18. SSWMithilfe einer Ultraschallkontrolle wird mit dem Einstich durch die Bauchdecke der werdenden Mutter Blut des Kindes aus der Nabelschnur entnommen und untersucht.
Abklärung eines Infektionsverdachtes beim Kind
Überprüfung der Werte einer unklaren Fruchtwasseruntersuchung
Feststellung des Chromosomensatzes des Kindes sowie die Möglichkeit, Infektionen oder eventuelle Blutarmut zu diagnostizieren.
Das Risiko einer Fehlgeburt liegt zwischen 1 und 3 %.

      Kritik

      Aufgrund des Risikos einer Fehlgeburt werden die verschiedenen Untersuchungen der pränatalen Diagnostik z. T. kritisiert und stehen durch ihren möglichen selektierenden Charakter häufig im Fokus der medizinisch-ethischen Diskussion.

      „Während sich bei der bisher üblichen vorgeburtlichen Diagnostik auch Befunde mit therapeutischen Konsequenzen ergeben können, erfolgt das Frühscreening ausschließlich mit der Begründung, Ungeborene mit Chromosomenabweichungen herauszufiltern, damit Frauen sich gegebenenfalls für einen Abbruch entscheiden können. Das Angebot des Frühscreenings bestärkt Menschen in der Überzeugung, dass die Geburt eines behinderten Kindes vermeidbar ist und vermieden werden sollte und stellt damit eine kulturelle Abwertung aller Menschen dar, die von Geburt an oder später mit einer Behinderung leben müssen“ (Wegener 2007, 45).

      Auch wenn sich komplizierte Eingriffe, die mögliche Folgen und Risiken nach sich ziehen, durch einen nicht-invasiven Test wie z. B. der 2012 neu vorgestellte Bluttest zur Diagnostik von Chromosomenfehlverteilungen unterbinden lassen, bleibt die bereits angesprochene Kritik durch Wegener die gleiche. Der ehemalige Bundes-Behindertenbeauftragte Hüppe reagiert mit ähnlichen Argumenten auf den Bluttest. Eine „Rasterfahndung“ nach Menschen mit Trisomie 21 werde erzeugt, da keine therapeutischen Zwecke verfolgt werden. Durch die unkomplizierte und risikolose Blutentnahme sinke zudem die Hemmschwelle, an einer solchen Untersuchung teilzunehmen (Richter-Kuhlmann 2012, 1).

      Neuhäuser, G., Steinhausen, H.-C., Häßler, F., Sarimski, K. (Hrsg.) (2013): Geistige Behinderung: Grundlagen, Erscheinungsformen und klinische Probleme, Behandlung, Rehabilitation und rechtliche Aspekte. 4. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart

      Reece, J. B., Urry, L.