Auch Mukopolysaccharidosen sind erblich bedingt; bei ihnen kommt es in der Regel zu Ablagerungen vor allem im Zentralen Nervensystem (ZNS) und im Skelett, die zu einem progressiven Verlauf der Krankheit und einem frühen Tod führen können (ACHSE e. V. 2010, 81). Bekannt sind sieben Formen von Mukopolysaccharidosen, wobei nicht alle zwangsläufig eine geistige Beeinträchtigung zur Folge haben.
2.2.3 Störungen im Fettstoffwechsel
Lipidosen
Auch Fette (Lipide, Lipoide) sind wichtige Bausteine. Bei Störungen des Fettstoffwechsels kann es zur Speicherung dieser Substanzen kommen, die z. B. zu vorzeitigem Abbau von Funktionen führen. Lipidosen betreffen vor allem Nervenzellen und verursachen Funktionsstörungen der Ganglienzellen, wodurch es zu Demenz und zum Abbau erworbener Fähigkeiten kommen kann (Reece et al. 2016, 186ff.; Steffers / Credner 2011, 225ff.).
Früherkennung durch Neugeborenenscreening
Einige Erkrankungen lassen sich kurz nach der Geburt durch entsprechende Untersuchungen nachweisen, einige werden routinemäßig durchgeführt. Ziel des sogenannten Neugeborenenscreenings ist es, bestimmte Erkrankungen, wie angeborene Stoffwechselerkrankungen und Endokrinopathien, die sich mit hoher Sicherheit diagnostizieren und therapieren lassen, frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Das Neugeborenenscreening wird bundesweit durchgeführt und von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert. Durch die Abnahme von Blut des Neugeborenen (ca. 3. Lebenstag) können von den hier aufgeführten angeborenen Stoffwechselerkrankungen Galaktosämie und Phenylketonurie erfasst werden.
2.3 Exogene Faktoren
äußere Einflüsse
Bei exogenen Faktoren handelt es sich um Störungen und Schädigungen, die durch exogene (von außen wirkende) Faktoren auf das Kind vor, während und nach der Geburt einwirken können. Abhängig vom Zeitpunkt der Schädigung kann zwischen prä-, peri- und postnatalen Formen unterschieden werden.
2.3.1 Pränatale Ursachen
Pränatal bedeutet vorgeburtlich und bezeichnet demnach Schädigungen, die vor der Geburt auftreten. Die pränatale Phase und zu diesem Zeitpunkt auftretende Schädigungen, können, wie in Tabelle 4 ersichtlich, eingeteilt werden.
Tab. 4: Einteilung der pränatalen Phase und der möglichen auftretenden Schädigungen
Bezeichnung | Zeit | Auftretende Erkrankungen |
Blastemphase | Befruchtung bis 15. Schwangerschaftstag (SST) | Blastopathien |
Embryonalphase | 15. SST bis 8. Schwangerschaftswoche (SSW) | Embryopathien |
Fetalphase | 9. SSW bis Geburt | Fetopathien |
Entwicklungsstörungen
Schädigungen in der Embryonalphase können – abhängig vom Zeitpunkt des Auftretens – zu sehr schweren Entwicklungsstörungen des Embryos führen. Schädigungen in der Fetalphase, die durch Wachstum und Reifung der Organe gekennzeichnet ist, können zu Reifungs- und Funktionsbeeinträchtigungen führen (Hasselblatt et al. 2015, 74ff.).
teratogene Noxen
Die pränatale Entwicklung kann durch vielfältige schädliche Einflüsse beeinträchtigt werden. Dazu gehören physikalische, chemische, biologische Einflüsse sowie Erkrankungen der Mutter, die zu Störungen in der Entwicklung, Fehlbildungen und zu Behinderungen führen können. Diese Faktoren werden teratogene Noxen (giftige Substanzen / Ereignisse) genannt. Ursachen der pränatalen Schädigungen können Infektionen, Strahlen, Gifte (Medikamente, Alkohol, Drogen) sein.
Pränatale Infektionen
diaplazentare Übertragung
Vorgeburtliche Infektionen können eine geistige Beeinträchtigung als Folge haben. Die meisten Infektionen können diaplazentar, d. h. über die Plazenta auf das ungeborene Kind übertragen werden, einige (Zytomegalie, HIV) auch über die Muttermilch. Tabelle 5 gibt eine Übersicht über die häufigsten pränatalen Infektionen.
Tab. 5: Übersicht pränatale Infektionen (Steffers / Credner 2011, 20f.; Hasselblatt et al. 2015, 102ff.)
Erkrankung | Erreger | Folgen/Symptome |
Röteln | Erstinfektion der Schwangeren mit Rubellavirus (Rötelnvirus) | Rötelnembryopathie (Gregg-Syndrom);HerzfehlerKataraktInnenohrschwerhörigkeit |
Toxoplasmose | Toxoplasma gondii (rohes Fleisch, Katzenkot) | Fetopathie;Enzephalitis, Vergrößerung von Leber und Milz, Hydrozephalus |
Zytomegalie | Herpes-Virus (CMV) | Fetopathie;Innenohrschwerhörigkeit, Hydrocephalus, Vergrößerung von Leber und Milz |
Lues oder Syphilis | Bakterium Treponema pallidum spp. pallidum (Infektion durch die Mutter während der Schwangerschaft oder Geburt) | Lues connata;Meningitis, Hydrocephalus, Gehörlosigkeit |
HIV/AIDS | HI-Virus | Vergrößerung von Leber und Milz, ständig wiederkehrende Infektionskrankheiten |
Listeriose | Listeria monocytogenes (wird übertragen durch Milch, rohes Fleisch, Rohkost) | Granulome in allen Organen (gutartige, knötchenförmige Gewebeneubildungen) Pneunomie, Meningitis |
Strahlen
Mutationen
Strahlen können zu einer Vermehrung der Spontanmutationen führen. Die Mutationsrate steigt mit der Höhe der Strahlenbelastung an; es kommt zu Störungen der Zellteilungen. Die teratogene Wirkung von Strahlen zeigt sich z. B. bei den Opfern der Atombombenkatastrophen von Hiroshima und Nagasaki (Neuhäuser 2013, 130); aber auch Röntgenbestrahlung kann das Kind im Mutterleib gefährden.
Chemische Noxen
Zu den chemischen teratogenen (äußeren) Faktoren, die diaplazentar die Entwicklung des ungeborenen Kindes beeinträchtigen und zu Wachstums-, Funktionsstörungen sowie zu Fehlbildungen führen können, zählen Alkohol, Drogen, Nikotin und Medikamente.
Alkohol
Aufgrund seiner Fettlöslichkeit geht Alkohol leicht diaplazentar auf das Kind über, das pränatal noch nicht über ausreichende Enzyme zum Abbau verfügt, sodass das Kind den gleichen Blutalkoholspiegel wie die Mutter hat. Abhängig von der Menge des Alkohols kann eine Alkoholembryopathie entstehen (Kap. 3.1).
Drogen
Zu den chemischen Noxen mit teratogener Wirkung gehören außerdem Drogen (z. B. Kokain, Heroin, LSD). Die klinische Beobachtung belegt bereits Entzugserscheinungen von betreffenden Neugeborenen (Neuhäuser 2013, 127f.).
Medikamente
Des Weiteren gibt es einige Medikamente, deren Einnahme bei schwangeren Frauen zur Beeinträchtigungen der Entwicklung des Ungeborenen führt. Das bekannteste Beispiel stellt das Medikament „Thalidomid“ dar, im Volksmund unter dem Markennamen „Contergan“ bekannt, das 1961 zu Beeinträchtigungen und Fehlbildungen der Extremitäten (nicht zu geistiger Behinderung!) führte. Weitere Medikamente mit teratogener Wirkung sind Zytostatika (Substanzen, die das Zellwachstum hemmen, z. B. bei einer Chemotherapie) sowie bestimmte Sexualhormone. Eine ausführliche Übersicht gibt Neuhäuser (2003, 198).
2.3.2 Perinatale Ursachen
Geburtskomplikationen
Zu den perinatalen Risikofaktoren, die eine geistige Beeinträchtigung hervorrufen können, zählen Geburtskomplikationen, die zu mangelnder Sauerstoffversorgung des Kindes führen. Diese werden hypoxisch-ischämische Enzephalopathien genannt. Auch eine Frühgeburt ( Geburt vor Beendigung der 37. SSW p. m.) kann zu Entwicklungsstörungen führen (Psychrembel 2010, 697).
2.3.3 Postnatale Ursachen
Auch nach der Geburt kann es aufgrund von Erkrankungen und Unfällen zu geistigen Behinderungen kommen.
Entzündungen des ZNS
Zu den Erkrankungen gehören Entzündungen des Zentralen Nervensystems: bei der Meningitis kann es zur Entzündung