Wie gehe ich mit meinen Emotionen um?
● Wie reagiere ich auf die Emotionen anderer?
● Welche Art Beziehung biete ich meinem Gegenüber an?
● In welche Rolle (Retter, Mutter, Freund,...) begebe ich mich?
● Woher (aus meinen früheren Beziehungen) kenne ich diese Rolle?
Analytische Philosophie: Die Tradition der Analytischen Philosophie widmet sich der Analyse von Sprache und Argumentationen. „Kritisch“ bedeutet hier nach Aufbau und Logik von Argumentationsweisen, sowie nach deren sprachlichen Mitteln zu fragen. Kenntnisse aus Sprachwissenschaften wie z.B. der Semiotik helfen bei dieser Form der kritischen Analyse.
Aus der Perspektive der Analytischen Philosophie lassen sich kritisch reflektorische Fragen ableiten wie z.B.:
● Welches sind die zentralen Thesen und Argumentationen in den Aussagen des Gesprächspartners/der Gesprächspartnerin oder eines Textes?
● Wie logisch ist der Aufbau der Argumente?
● Welche Worte werden genutzt, und wie werden sie genutzt?
● Welche rhetorischen oder anderen sprachlichen Mittel (Vergleiche, Metaphern, etc.) kommen zum Einsatz?
● Inwieweit sind Beschreibung und Bewertung getrennt oder verschränkt?
Kritischer Rationalismus: In der Tradition des Kritischen Rationalismus, der das vorherrschende Paradigma der Naturwissenschaften ist, bedeutet „kritisch“, nach der empirischen Beweislage zu fragen. Hier steht vor allem die quantitative Forschung, das systematische Testen von Hypothesen möglichst mittels kontrollierter Experimente, im Vordergrund. Dabei gilt das Prinzip der „Falsifikation“, d.h. ein Experiment muss so angelegt sein, dass die Hypothese widerlegbar ist. Wissen gilt immer als vorläufig, wird aber in dem Maße robuster, wie es über die Anzahl vertrauenswürdiger empirischer Studien unterstützt wird. Diese Perspektive profitiert vom Wissen um Forschungsmethoden und wird vor allem in der sogenannten „Evidenzbasierten Praxis“ (Kap. 3.3.3) vertreten.
Reflexionsfragen aus der Perspektive des Kritischen Rationalismus können z.B. sein:
● Wie viele Studien gibt es zu diesem Phänomen/dieser Behauptung?
● Inwieweit belegen bzw. widerlegen Studien die Behauptungen?
● Wie solide sind diese Studien aufgebaut und wie aktuell sind sie?
● Anhand welcher Stichproben und welcher Messungen kommen die Ergebnisse zustande?
● Wie glaubhaft sind ihre Ergebnisse?
● Wie robust ist die empirische Beweislage insgesamt?
Kritische Theorie. In der Denktradition der Kritischen Theorie stehen Aspekte der Macht im Mittelpunkt. „Kritisch“ meint hier, Machtstrukturen und -prozesse in den Blick zu nehmen und dominante Ideologien in Frage zu stellen, um Hegemonien und Unterdrückung zu erkennen und zu begegnen. Theoretische Konzepte der „Frankfurter Schule“ der Soziologie, sowie poststrukturalistische Theorien bieten dabei besondere Orientierung.
Reflexionsfragen, die sich aus der Perspektive der Kritischen Theorie ergeben, sind z.B.:
● Was wird als „normal“ oder „ideal“ angenommen?
● Wie sind Machtdynamiken darin involviert?
● Welche Personengruppen oder Institutionen profitieren von der dominanten Idee des „Normalen“?
● Wessen Perspektive wird repräsentiert und wessen Blickwinkel wird ausgeblendet oder abgewertet?
● Wie hat sich eine bestimmte Idee durchgesetzt, wie wird sie aufrechterhalten oder verändert?
● Welche Formen des Widerspruchs oder Widerstands gibt es? usw.
2.3.2 Kritische Reflexion in der Sozialen Arbeit
Kritische Reflexion in der Sozialen Arbeit kann alle fünf Traditionen kritischen Denkens nutzen. In besonderer Weise aber gilt es, die Kritische Theorie in der Reflexion zugrunde zu legen, weil sie die machtpolitischen Dimensionen des Handelns fokussiert, die in den Routinen des Alltags nicht wahrgenommen werden oder schnell wieder aus dem Blickfeld und dem Bewusstsein geraten. So eignet sich Kritische Theorie besonders, um zum Beispiel den gesellschaftlichen und kulturellen Vorstellungen von Normalität, an denen sich Fachkräfte orientieren und die auch in die institutionellen Aufträge Sozialer Arbeit eingeschrieben sind, zu hinterfragen. Interessiert daran, warum etwas so und nicht anders interpretiert oder getan wird, versucht Kritische Reflexion auf diese Weise, den verborgenen Zusammenhängen zwischen dem Individuellen und dem Sozialen, zwischen dem Persönlichen und dem Politischen auf die Spur zu kommen.
„Kritische Reflexion in der Sozialen Arbeit bedeutet das Erschüttern grundlegender, sozial dominanter und oft unbewusster Annahmen, die Individuen verinnerlicht haben, und zwar insbesondere Annahmen darüber, wie die Soziale Welt konstituiert ist und wie sie funktioniert, mit dem Ziel, diese Annahmen und die damit verbundenen Handlungsoptionen überarbeiten zu können und so zu einer veränderten professionellen Praxis zu gelangen“ (Fook/Gardner 2007, 21, Übers. d. A.).
Die Suche nach unausgesprochenen Annahmen
Mit „Annahmen“ sind hier jene Ideen gemeint, die unserem Denken oder Handeln zugrunde liegen und aus denen wir nächste Schritte und logische Schlussfolgerungen ableiten. Oft benennen wir diese Annahmen nicht klar, sondern sie bleiben unausgesprochen, weil wir davon ausgehen, dass sie logisch, selbstverständlich und richtig sind. Annahmen lassen sich in ihren Varianten unterscheiden in (Brookfield 2011):
Kausale Annahmen: Kausale Annahmen sind jene, in denen wir von ursächlichen Zusammenhängen zwischen Faktoren ausgehen. „A ist der Grund für B“ ist eine klassische Kausalkonstruktion. Aber auch „Wenn-dann“–Verknüpfungen, die streng genommen nur Korrelationen beschreiben, werden oft als Ursachenkonstruktion präsentiert oder interpretiert.
Präskriptive Annahmen: Präskriptive Annahmen beruhen auf Wert- und Normvorstellungen, die vorschreibenden Charakter haben. Es sind jene Ideen, die sich in „soll“ und „sollte“, in „muss“, „müsste“ oder „darf nicht“ Formulierungen wiederfinden lassen. Ethische, moralische sowie rechtliche Vorstellungen und Kodifizierungen gehören in diese Kategorie, aber auch viele sedimentierte Gewohnheiten und Konventionen des Denkens und Handelns. Aufgrund ihrer orientierenden Funktion bestimmen präskriptive Annahmen Denken und Handeln mit besonderem Nachdruck und sind oft emotional aufgeladen.
Paradigmatische Annahmen: Paradigmatische Annahmen bezeichnen grundlegende, als völlig selbstverständlich verinnerlichte Vorstellungen, die von einer Mehrheit der Gesellschaft oder der relevanten sozialen Gruppe geteilt werden. Obwohl diese Annahmen im Verlauf der Geschichte sozial gewachsen sind, lassen sie sich oft nur mit Mühe als Konstrukte erkennen, sondern werden als „natürlich gegeben“ wahrgenommen. Paradigmatische Annahmen zu erschüttern kann einem inneren Erdbeben gleich kommen, wenn damit unsere Sicht auf die Welt oder unsere Identität in Frage gestellt wird. Entsprechend groß sind Verwirrung und Widerstände gegen kritische Anfragen an paradigmatische Annahmen. Spätestens hier kann Kritische Reflexion auch zu einem als zutiefst unangenehm und schmerzhaft empfundenen Prozess werden.
Da individuell und kollektiv verinnerlichte Ideen miteinander verschränkt sind, ist der Kontext, in dem etwas gedacht, gesagt oder getan wird, stets von Bedeutung. Insofern lässt sich die Prüfung persönlicher Annahmen und Praxis erweitern um den Fokus auf Gruppen, Organisationen oder größere gesellschaftliche Diskurse, die in ihren kollektiven Denk- und Handlungsweisen auch bestimmte Annahmen verinnerlicht und oft strukturell verankert haben. Ein kritischer Blick auf diese Verflechtung zeigt mitunter, dass die Grundsätze, die offiziell handlungsleitend sind, nicht deckungsgleich mit der tatsächlichen Handlungslogik sind. Argyris und Schön (1999) nannten diese Inkongruenz den Unterschied zwischen „espoused theory“ und „theory-in-use“.
„Espoused theory“: heißt so viel wie „die Theorie, der ich zu folgen