41 Die „International Classification of Impairments, Activities and Participation“ (ICIDH-2) der Weltgesundheitsbehörde WHO unterscheidet seit 1999 zwischen impairment (Schädigung), disability (Beeinträchtigung) und handicap (soziale Benachteiligung); durch Einführung der zusätzlichen Kategorien activity (Beweglichkeit) und participation (Teilhabe) rücken persönliche Fähigkeiten und soziale Teilhabe in den Vordergrund.
42 Die poststrukturalistische Kritik an dieser Unterscheidung verweist darauf, dass bereits die medizinische Kategorie des „impairment“ ein Produkt diskursiver Praktiken ist. Wenn „impairment“ aber naturalisiert und damit entpolitisiert werde, wiederhole dies genau die Logik, die es zu kritisieren gelte.
43 R. Garland-Thomson, Misfits, in: Hypathia 36.3 (2011), S. 591 – 609.
44 Vgl. B. Bannasch / G. Butzer (Hg.), Übung und Affekt, Berlin, New York 2007 sowie den Beitrag von C. Öhlschläger in diesem Band.
45 G. Brandstetter, Tanz-Lektüren, Frankfurt / M. 1995; I. Baxmann, Mythos: Gemeinschaft, München 2000; S. Flach, Körper-Szenarien, München 2003; C. Liebrand / I. Steiner (Hg.), Hollywood hybrid, Marburg 2004.
46 L. Weissberg (Hg.), Weiblichkeit als Maskerade, Frankfurt / M. 1994; W. Erhart / B. Hermann (Hg.), Wann ist der Mann ein Mann?, Stuttgart, Weimar 1997; W. Erhart, Familienmänner, München 2001; C. Benthien / I. Stephan (Hg.), Männlichkeit als Maskerade, Köln, Weimar 2003; aus geschichts- bzw. sozialwissenschaftlicher Perspektive: M. Dinges (Hg.), Männer – Macht – Körper, Frankfurt / M., New York 2005; M. Bereswill / M. Meuser / S. Scholz (Hg.), Dimensionen der Kategorie Geschlecht, Münster 2007; M. S. Micale, Hysterical Men, Cambridge, London 2008; M. Bereswill / A. Neuber (Hg.), In der Krise?, Münster 2011.
47 M. L. Angerer (Hg.), The Body of Gender, Wien 1995; dies., Body Options, Wien 1999.
48 P. A. Treichler / L. Cartwright / C. Penley (Hg.), The Visible Human, New York, London 1998; C. Waldby, The Visible Human Project, London, New York 2000.
49 B. Hauser-Schäublin / V. Kalitzkus / J. Petersen / I. Schröder, Der geteilte Leib, Frankfurt / M., New York 2001; M. Shildrick / R. Mykitiuk (Hg.), Ethics of the Body, Cambridge, London 2005.
50 G. Kirkup (Hg.), The Gendered Cyborg, London, New York 2000.
51 P. Virilio, Die Eroberung des Körpers, München 1994.
52 D. Haraway, Die Neuerfindung der Natur, Frankfurt / M., New York 1995, S. 33 – 72; K. Hayles, How We Became Posthuman, Chicago 1999.
53 M. L. Angerer / K. Peters / Z. Sofoulis (Hg.), Future Bodies, Wien, New York 2003; J. Weber, Umkämpfte Bedeutungen, Frankfurt / M., New York 2003; dies. / C. Bath (Hg.), Turbulente Körper, soziale Maschinen, Opladen 2003.
54 E. List, Grenzen der Verfügbarkeit, Wien 2001; S. Lettow, Biophilosophien, Frankfurt / M., New York 2011. Vgl. auch den Beitrag von K. Palm in diesem Band.
55 Vgl. z. B. M. Schuller / K. Reiche / G. Schmidt (Hg.), BildKörper, Hamburg 1998; B. Heintz / J. Huber (Hg.), Mit dem Auge denken, Zürich, Wien, New York 2001; B. Orland (Hg.), Artifizielle Körper – Lebendige Technik, Zürich 2005.
56 Vgl. z. B. U. Bergermann / C. Breger / T. Nusser (Hg.), Techniken der Reproduktion, Königstein 2002 sowie den Beitrag von B. Mathes in diesem Band.
57 S. M. Squier, Liminal Lives, Durham, London 2004; C. Waldby / R. Mitchell, Tissue Economics, Durham, London 2006; T. Nusser, „Wie sonst das Zeugen Mode war“, Freiburg 2011; I. M. Krüger-Fürhoff, Verpflanzungsgebiete, München 2012.
Zeugung
Bettina Bock von Wülfingen
Einleitung (vom Zeugen und Schaffen)
Ähnlich wie der Begriff Geschlecht ist der deutsche Begriff der Zeugung umfassender und hat in anderen westlichen Sprachen wenig direkte Entsprechung. Er leitet sich vom althochdeutschen „giziogon“ für „fertigen“ bzw. im Mittelhochdeutschen „ziugunge“ ab, was sowohl einerseits auf „Beziehung“ und andererseits auf das „Geschaffene“ im Sinne von „Zeug“ verweist.1 Der Nominativ Zeug meint in seiner mittelalterlichen Bedeutung metallene Gegenstände wie vor allem Rüstzeug und später Schrifttypen in der Druckerei. Besonders die Verbindung des Begriffs mit der mittelalterlichen Zeugdruckerei,2 wobei von Modeln aus Holz oder Metall als ‚Zeug‘ Muster auf Stoffe gebracht wurden, verweist auf die Möglichkeit, dass bereits der damalige Begriff der Zeugung Vorstellungen von Abbilden und Ähnlichkeit implizierte. Eine solche begriffliche Belegung fand nach Jordanova im Englischen mit dem aus der Möbelindustrie stammenden Begriff der reproduction erst im 19. Jahrhundert statt, als dieser Begriff begann, den Begriff der generation zu ersetzen.3
Im Lateinischen wie Englischen wird die Zeugung, wenn nicht mit Reproduktion bzw. Befruchtung (mit dem Wortteil „fertil-“), dann mit „generation“ („to generate: 1. to bring into existence; originate; produce: to generate ideas […]; 4. […] procreate“)4 übersetzt. In beiden Fällen geht es um die Hervorbringung eines Lebewesens durch Befruchtung. Allerdings meint der lateinische Begriff „generation“, eine Übersetzung der aristotelischen Kategorie „genesis“,5 die Überführung vom Nicht-Sein zum Sein – [<< 97] „eine höchst und exklusiv männlich verstandene Zeugung, […][M]it ‚generatio‘ ist davon die Rede, dass einer etwas macht – vor allem etwas Lebendiges.“ 6 Vor allem, aber nicht nur, denn diese Fassung von Zeugung als Schöpfung im kreativen Akt der Befruchtung (wobei die Frucht, die eingesetzt wird, nicht organischer Art sein muss) bezieht sich sowohl auf die göttliche Schöpfung, wie auch die künstlerisch-kreative.7 Beides könnte kaum deutlicher in eins fallen als in dem quasi homosexuellen Zeugungsakt von Michelangelo, dem Fresko „Die Schöpfung Adams“ in der Sixtinischen Kapelle. So wird die Metapher der Zeugung auch im Umgang mit der Schriftkultur immer wieder, etwa in Literatur und Germanistik, bemüht, wenn es darum geht, die Erschaffung von Werken als ehrenhaft aus der eigenen Kraft heraus darzustellen.8
Entsprechend beschrieb die differenz- und symboltheoretische Analyse die kontinuierliche