er mit dem Brandenburgischen Literaturpreis Umwelt für „Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffes“ ausgezeichnet. In der Beschreibung des Buches warnt Grober: „Nachhaltigkeit ist unser ursprünglichstes Weltkulturerbe, ein Begriff, der tief in unserer Kultur verwurzelt ist und den es vor seinem inflationären Gebrauch zu retten gilt.“
Das von Joachim Heinrich Campe 1807 herausgegebene Wörterbuch der deutschen Sprache definiert das Wort „Nachhalt“ als das, „woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält“.
Die Idee aber reicht noch weiter zurück. Sie findet sich im „Sonnengesang“ des Franz von Assisi genauso wie bei den griechischen Philosophen und den Philosophen der Aufklärung. Ulrich Grobers Zeitreise in die Nachhaltigkeit führt an den Hof des Sonnenkönigs [36]und in die deutschen Fürstenstaaten, erzählt von sächsischem Silberbergbau und vom Holzmangel. Und davon, dass die Nachhaltigkeitsidee überall dort, wo sie auftaucht, ein Kind der Krise ist, aber auch die Entstehung eines neuen Bewusstseins markiert: „Des Bewusstseins, dass der Planet, auf dem wir leben, erhalten und bewahrt werden muss.“ So jedenfalls wird das Opus Magnum vom Verlag beschrieben und fasst die jahrhundertelange Geschichte damit in aller Kürze zusammen.
Merke: Ihrem Ursprung nach ist Nachhaltigkeit ein ressourcenökonomisches Prinzip, das ermöglichte, eine Ressource dauerhaft ertragbringend zu nutzen.
Linnés oeconomia naturae
Die Naturlehre bildet den Ausgangspunkt. In dem lateinischen Wort oeconomia steckt das griechische oikos – Haus, Haushalt. Im Kontext von Natur ist damit so viel gemeint wie die Einheit und Ganzheit der Natur, die Mannigfaltigkeit der Arten, der Biodiversität von Flora und Fauna, die Kreisläufe von Werden und Vergehen, Nahrungsketten, Energieströme – das Eigenleben der Natur in seiner ganzen Hülle und Fülle. Mineralreich, Pflanzenreich und Tierreich bilden ein vernetztes Ganzes. Sie sind ein sich selbst regulierender und erhaltender Organismus. Carl von Linné als Vater und Vorläufer der Ökologie schrieb im Rahmen seiner oeconomia naturae um 1750 in diesem Zusammenhang: Es müsse gelingen, die Abläufe der Ökonomie mit den großen, unwandelbaren, gottgegebenen Kreisläufen der oeconomia naturae zu synchronisieren. „Die Natur erlaubt niemandem, sie zu beherrschen“, so Linné.7 Seiner Auffassung nach war die Ökonomie eine nachahmende Wissenschaft. Diese dürfe nicht wider die Natur handeln, sondern müsse dieser folgen und mit den Ressourcen haushalten. Ökologie meint also die Haushaltung mit der Natur.
[37] Zusammenprall von Ökonomie und Ökologie
Mitte des 19. Jahrhunderts prallten Ökonomie und Ökologie aufeinander. Ihre Ziele, Absichten und Vorgehensweise schienen inkompatibel. Denn die Reinertragslehre setzte dem gemäßigten Holzeinschlag ein abruptes Ende. Die neue Lehre fragte allein nach der höchstmöglichen Verzinsung des im Wald investierten Kapitals. Statt eines steten hohen Holzertrages rückte plötzlich der höchstmögliche direkte Geldertrag in den Fokus. Nicht mehr die Produktivität der Natur war der Maßstab, sondern der freie Markt und sein Gesetz von Angebot und Nachfrage. Gewinnmaximierung nicht Naturgesetzmäßigkeit war das neue Credo in Wirtschaft und Gesellschaft. „Die Zyklen der Natur traten zurück gegenüber der Dynamik des Kapitalismus, der Gebrauchswert hinter den Tauschwert“, nennt es Grober.8 Damit wurde das Handlungsprinzip Nachhaltigkeit entwertet. Es sollte über hundert Jahre, bis in 1970er Jahre hinein, dauern, bis die wissenschaftlichen Disziplinen Ökologie und Nachhaltigkeit wieder aufgegriffen wurden.
2.2 Die Grenzen des Wachstums
Eines der in unserer Gesellschaft gern geglaubten Märchen ist die Behauptung, dass die Fortdauer des Wachstums zu einer stärkeren menschlichen Gleichberechtigung führen müsse. Wir haben bereits dargestellt, wie das gegenwärtige Wachstum von Bevölkerung und Kapital tatsächlich die Kluft zwischen arm und reich weltweit vergrößert.
Dennis Meadows
Der Bericht „Grenzen des Wachstums“ (→QR) im Jahre 1972 schlug wie eine Bombe ein. Basierend auf ausgeklügelten Computersimulationen malte er ein düsteres Bild der Zukunft des Planeten, wenn die Menschheit nicht ressourcenverträglicher wird. Der Bericht markiert den Beginn der jüngeren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit nachhaltiger Entwicklung und mahnte eine [38]neue „Weltkonjunkturpolitik“ an. Dennis Meadows und sein Forscherteam warnen: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“9 Nach der Publikation des Berichts wurden nur einige zehntausend Exemplare in den USA verkauft, aber Millionen in übervölkerten Ländern wie den Niederlanden oder Japan. Er wurde in etliche Sprachen übersetzt.
Der Begriff der Nachhaltigkeit erfuhr eine deutliche Ausdehnung in seiner Bedeutung. Insgesamt plädierten die Wissenschaftler für einen dauerhaften, weltweiten Gleichgewichtszustand (Homöostase), der nur durch weltweite Maßnahmen erreicht werden kann. Sie verknüpften gezielt ökonomische, ökologische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit. Dabei basierte die Studie auf dem Modell der Dynamik komplexer Systeme (Systems Dynamics) einer homogenen Welt. Sie berücksichtigte die Wechselwirkungen zwischen Bevölkerungsdichte, Nahrungsmittelressourcen, Energie, Material und Kapital, Umweltzerstörung, Landnutzung u.a. Mittels Computersimulation wurde eine Reihe von Szenarien entwickelt. Die Ergebnisse waren immer ähnlich: ein katastrophaler Abfall in der Weltbevölkerung und dem Lebensstandard innerhalb von 50 bis 100 Jahren, wenn die gegenwärtigen Trends anhielten. Das Fatale der ressourcen- und emissionsintensiven Industriegesellschaft sei, dass das Wachstum nicht linear, sondern exponentiell verlaufe. Diese Form des Wachstums endet langfristig tödlich. Nur wenn das Ruder herumgerissen werde, könne ein ökologischer Kollaps verhindert werden, war Meadows’ Argumentation.
Sich ihrer unvollständigen Datengrundlage bewusst, erstellte das Forscherteam Modellläufe unter Annahme gleichbleibender wie bis zu fünfmal höherer Reserven. Das Anliegen war, „Hinweise auf die im Weltsystem charakteristischen Verhaltensweisen“ zu geben statt fixer Voraussagen.10 Ebenso war es ein Anliegen, dass durch eine [39]Betrachtung der Welt als Ganzes – ohne eine separate Behandlung verschiedener Regionen oder Länder – das heißt durch Simplifizierung – ein Modell überhaupt erst möglich gemacht wurde. Auch hagelte es Kritik am Vorgehen sowie an Annahmen und Berechnungsweisen des Berichts. Diese beruhten jedoch meist auf Fehlinterpretationen. Vielmehr bestätigen einige bereits heute eingetretene Voraussagen die damaligen Prognosen des Berichts. So veröffentlichte Graham Turner von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) im Juni 2008 eine Studie. Dort verglich er die historischen Daten von 1970 bis 2000 mit den Szenarien der Studie und stellte fest, dass viele mit den Vorhersagen des Standardszenarios übereinstimmten und dieses in einem globalen Kollaps Mitte des 21. Jahrhunderts resultieren dürfte.11 Nachhaltig ist anders.
2006 kam es zu einem Update der Studie. In „Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update“ schreiben Meadows und sein Forscherteam: „Die globale Herausforderung kann man einfach zusammenfassen: Um eine Entwicklung tragfähig zu gestalten, muss die Menschheit das Konsumniveau der Armen dieser Welt anheben, gleichzeitig aber den ökologischen Fußabdruck der Menschheit insgesamt senken. Dazu braucht es technologischen Fortschritt, personelle Veränderungen und längere Planungshorizonte.“12