DVD mit umfangreichem Therapiematerial enthält
Motsch, H.-J., Marks, D.-K., Ulrich, T. (2016): Wortschatzsammler. Evidenzbasierte Strategietherapie lexikalischer Störungen im Kindesalter. Ernst Reinhardt, München / Basel.
Kürzere Falldarstellungen finden sich zudem bei
Marks, D.-K. (2015): Wortschatzsammler im Schulalter – Kasuistische Illustrationen. Logos 23 (4), 280-289 sowie
Ulrich, T., Schneggenburger, K. (2012): Lexikalische Strategietherapie für Vorschulkinder mit dem „Wortschatzsammler“. Sprachförderung und Sprachtherapie in Schule und Praxis 2 (2), 63-71.
Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe Das Ziel der Wortschatzsammler-Therapie besteht darin, die Reaktionen des Kindes in den Situationen zu verändern, in denen ihm lexikalisches Wissen fehlt oder dieses nicht abrufbar ist. Über den Einsatz von Erwerbs-, Speicher- und Abrufstrategien erhält das Kind die Möglichkeit, eigenaktiv seine lexikalische Entwicklung voranzutreiben. Die Therapie stellt somit „Hilfe zur Selbsthilfe“ dar (Motsch et al. 2016).
Prinzipien Viele wortschatzauffällige Kinder haben in der Vergangenheit negative Erfahrungen aufgrund ihrer lexikalischen Defizite gemacht. Für viele Kinder ist die Tatsache, dass sie die Bezeichnungen für viele Dinge nicht kennen oder zu wenig Wissen über Wörter haben, ein Grund für Scham und Frustration. In unserer Gesellschaft ist Nicht-Wissen zudem grundsätzlich negativ besetzt, weshalb selbst wir Erwachsenen uns oft davor scheuen, etwas zu fragen, da wir Angst haben, dies könne eine „dumme“ Frage sein. Innerhalb der Wortschatzsammler-Therapie soll diese Grundhaltung verändert werden: Das Entdecken von unbekannten Wörtern wird nun zum Erfolgserlebnis für die Kinder. Sie erfahren, dass das Nicht-Kennen oder das Nicht-Wissen als etwas Positives aufgefasst wird und schöpfen daraus den Mut, sich fehlendes Wissen aktiv zu erfragen. Die Fragen des Kindes werden als Geschenke aufgefasst. Sie sind besonders wertvoll, da sie dabei helfen, die lexikalische Entwicklung des Kindes voran zu treiben (Kap. 1). Es ist wichtig, dass auch die Eltern und Bezugspersonen des Kindes eine wertschätzende Haltung gegenüber den kindlichen Fragen einnehmen.
Die Rahmenhandlung der Therapie bildet eine Schatzsuche mit dem Piraten Methode Tom, einer Zweihandpuppe. Mit ihm darf das Kind auf eine Schatzsuche gehen. Ziel der Schatzsuche ist es, möglichst viele Schätze in Form von unbekannten Dingen zu sammeln.
Unbekannte Dinge (= Schätze) bei der Schatzsuche:
■ Die Wortbedeutung ist unbekannt: „Ich weiß nicht, wofür man das braucht, was man damit macht, ...“
■ Die Wortform ist unbekannt: „Ich weiß nicht, wie das heißt.“
■ Wortform und / oder Wortbedeutung sind gerade aktuell nicht abrufbar: „Ich kenne das, aber weiß nicht mehr, wie das heißt.“
Die Erwerbs-, Speicher- und Abrufstrategien werden am Modell der Handpuppe Tom präsentiert. Da die Vermittlung der Strategien nicht direkt, sondern in Form des Modelllernens erfolgt, können bereits Kinder im frühen Vorschulalter mit noch eingeschränkten metalinguistischen und -kognitiven Fähigkeiten diese imitieren und übernehmen. Zudem wird über den Einsatz einer Handpuppe selbst in der Einzeltherapie stets eine „Dreier-Konstellation“ hergestellt, in der eine Person fragen, eine weitere antworten und das Kind beobachten kann.
neuer Blick Der neue Blick ist der erste Schritt in ein verändertes Wortlernverhalten. Bei den Kindern soll die Neugier auf neue Wörter geweckt werden. Sie lernen, ihre Aufmerksamkeit stärker auf die Dinge, Tätigkeiten und Personen in ihrer Umgebung zu lenken, die sie noch nicht kennen, als auf das, was ihnen schon bekannt ist. Diesen „Entdeckerblick“ (Motsch et al. 2016, 131) erwerben die Kinder zunächst mit dem Blick in die Schatzkiste. Während sie in den ersten Stunden oftmals erst einmal die bekannten Dinge herausholen und stolz mit einem „Das kenn ich schon!“ präsentieren, erfahren sie durch die Reaktion von Tom („Ach schade, dann ist das ja kein Schatz für dich!“), dass sie an dieser Stelle „umdenken“ müssen. Das Finden von Schätzen wird vor allem in den ersten Therapiestunden besonders stark positiv verstärkt („Du weißt nicht, wie das heißt? Prima, dann hast du ja schon einen Schatz gefunden!“), um dies zu unterstützen. Einmal erworben soll der „Entdeckerblick“ von den Kindern mit in ihren Alltag genommen werden, so dass sie auch außerhalb des Therapieraums und der Therapiestunde ihre Augen und Ohren für neue und unbekannte Wörtern offen halten.
neuer Mut Mit dem Entdecken eines Gegenstandes oder einer Handlung als „Schatz“ stellt das Kind somit fest, dass ihm lexikalisches Wissen zu einem Referenten fehlt. Es kann sich nun helfen, indem es sich das fehlende lexikalische Wissen eigenaktiv erfragt. Am Modell der Handpuppe Tom werden unterschiedliche Fragestrategien angeboten, mit denen verschiedene Aspekte des Wortwissens erfragt und so die gefundenen Schätze semantisch oder phonologisch elaboriert werden können.
Mögliche Fragen nach der Wortbedeutung sind:
■ Was macht man damit?
■ Wofür braucht man das?
■ Wer hat so etwas?
■ Wie sieht das aus?
■ Wer macht so etwas? (bei Verben)
■ Was kenne ich, das so ähnlich ist?
Mögliche Fragen nach der Wortform sind:
■ Wie heißt das?
■ Wie nennt man das?
■ Was macht er / sie? (bei Verben)
Während in der Elaborationstherapie der Therapeut ihm wichtig erscheinende Merkmale auswählt und dem Kind anbietet, entscheidet im Wortschatzsammler-Konzept das Kind selbst, welches die „wichtigen Informationen“ sind, die ihm zu seinem Schatz fehlen und die es sich erfragen möchte. Ist das Kind unsicher über die Funktion und den Gebrauch eines Gegenstandes, wird es danach fragen; ist es unsicher über die Klanggestalt des Wortes, wird es vor allem danach fragen. Der Therapeut sowie das Modell der Handpuppe Tom unterstützen das Kind dabei, immer stärker eigenaktiv und zielgerichtet Fragen zu seinen Schätzen zu stellen. Während viele Kinder zu Beginn der Therapie noch nicht genügend Mut aufbringen, um Fragen zu stellen, ist erfahrungsgemäß spätestens in der fünften Therapiestunde jedes Kind dazu in der Lage, eigenaktiv und selbstständig Fragen zu seinen Schätzen zu stellen.
neues Knowhow Unter dem neuen Know-how werden unterschiedliche Strategien zusammengefasst, mit denen zum einen das Einspeichern und zum anderen der Abruf von Wörtern unterstützt werden sollen. Bei den Vorschulkindern sind dies im Wesentlichen zwei Speicherstrategien (oder „Tricks“).
Speicherstrategien Silbisches Durchgliedern: Das silbische Durchgliedern ermöglicht es, vor allem längere oder phonologisch komplexe Wortformen besser analysieren und im mentalen Lexikon abspeichern zu können. Hierzu werden die Silben des Wortes geklatscht, geklopft oder gehüpft. Dieser Speichertrick kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn das Kind Silbenauslassungen oder -hinzufügungen vornimmt (z. B. Fiebermeter, Stethostoskop). Die Anzahl der korrekten Silben kann dann zusätzlich über das Legen von Steinchen o. Ä. visualisiert werden.
Aktivieren des Rehearsal-Prozesses (Zaubertrick): Über eine Aktivierung des Rehearsal-Prozesses soll die bei lexikalisch gestörten Kindern oftmals eingeschränkte Kapazität der phonologischen Schleife des Arbeitsgedächtnisses (Kap. 2) kompensiert werden. Während sprachunauffällige Kinder etwa ab dem Schuleintritt das Rehearsal bewusst als Strategie einsetzen (Gathercole et al. 1994), können über die kindgerechte Vermittlung als Zaubertrick bereits die vierjährigen wortschatzauffälligen Kinder von dieser äußerst effektiven Arbeitsgedächtnisunterstützung Gebrauch machen (Ulrich / Schneggenburger 2012). Beim Zaubertrick wird das zu merkende Wort dreimal etwas verlangsamt, aber mit korrekter Betonung gesprochen. So wird das Wort „in den Kopf des Kindes gezaubert“.
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