bisher semantisch und phonologisch erarbeiteten Obstsorten „Zitrone, Orange, Apfel, Kirsche“ in mehrfacher Ausführung als Bildkarten kopiert und auf einen Stapel gelegt. Die Aufgabe des Kindes ist es, immer eine Karte vom Stapel aufzudecken und so schnell wie möglich zu benennen. Der Therapeut stoppt die Zeit, die benötigt wird, um den ganzen Stapel „abzuarbeiten“.
In der Kleingruppentherapie oder der unterrichtintegrierten Förderung eignen sich Wettspiele zwischen unterschiedlichen Teams besonders gut, um emotionalen Druck hervorzurufen.
Neben der Optimierung des Zugriffs auf die Wörter des exemplarischen Therapiewortschatzes kann auch die grundsätzliche Optimierung von Abrufprozessen in den Blick genommen werden. So können die Kinder lernen, Abrufhilfen vom Gesprächspartner einzufordern bzw. zu entscheiden, ob sie tatsächlich externe Hilfen benötigen oder sich stattdessen selbst Abrufhilfen geben können. Das eigene Deblockieren des Abrufs über selbst generierte Hinweise wird im Rahmen eines strategieorientierten Vorgehens mit den Kindern erarbeitet und eingesetzt (Kap. 4.2.3).
4.2.3 Strategietherapie
Strategieorientierte Ansätze zielen auf die Vermittlung von allgemeinen lexikalischen Lernstrategien. Ziel ist es, das Kind bei der eigenaktiven Erweiterung seiner lexikalischen Fähigkeiten über die konkrete Therapiesituation hinaus zu unterstützen. Hierzu werden ihm unterschiedliche Strategien an die Hand gegeben, mithilfe derer es
■ auf unbekannte Wörter aufmerksam werden soll (Erwerbsstrategien),
■ lernt, Wörter sicherer im mentalen Lexikon zu verankern (Speicherstrategien) und
■ Möglichkeiten erwirbt, mit Schwierigkeiten beim Zugriff auf diese Wörter umzugehen (Abrufstrategien).
Gerade mit älteren Kindern und Jugendlichen können zusätzlich auch kompensatorische Strategien zur Erleichterung der alltäglichen Kommunikation erarbeitet werden.
Selbstmanagement Während Lernprozesse in Elaborations- und Abruftherapien eher implizit innerhalb der gemeinsamen Spielhandlung stattfinden, setzt das strategieorientierte Vorgehen einen hohen Grad an Sprachbewusstheit voraus. Metasprachliche und -kognitive Elemente werden eingesetzt, um das Wortwissen selbst zum Gegenstand der Betrachtung zu machen.
Im Sinne des „Selbstmanagements“ (Glück 2007, 154) wird der selbstständige und bewusste Umgang mit den lexikalischen Lücken unterstützt. Die Kinder und Jugendlichen sollen zu „Experten ihrer eigenen Störung“ werden. So sind sie mitverantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung von Unterstützungsangeboten in ihrem Alltag (Glück 2007; Motsch et al. 2016).
Ziel des strategieorientierten Vorgehens ist es stets, die in der umgrenzten Therapiesituation erarbeiteten Prinzipien, Strategien und Verhaltensweisen in den kommunikativen Alltag des Kindes zu übertragen, um unmittelbar die Partizipation und Teilhabe zu verbessern.
4.3 Exemplarische Vorstellung von Therapiemethoden
4.3.1 PLAN – Patholinguistische Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen
Die Patholinguistische Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen (PLAN) wurde von Siegmüller / Kauschke (2013) als sprachsystematisches Therapiekonzept entwickelt. Zuzuordnen sind die in PLAN vorgeschlagenen Übungsbereiche in erster Linie den beiden Säulen der Elaborations- und der Abruftherapie (Abb. 10). Der hierarchische Aufbau der unterschiedlichen Therapiebereiche ermöglicht es dem Therapeuten, auf unterschiedlichen Niveaus in die Therapie einzusteigen und somit die Auswahl der Therapiebereiche an der individuellen Symptomatik des Kindes zu orientieren. Die Therapiebereiche selbst finden stets als exemplarische Arbeit mit einem ausgewählten Therapiewortschatz innerhalb eines semantischen Feldes statt.
Therapiebereiche bei PLAN (nach Siegmüller / Kauschke 2013; Siegmüller et al. 2016)
1. Begriffsbildung
2. Erwerb und Festigung von Wörtern
3. Strukturierung und Organisation von Wortbedeutungen
4. Wortform: Repräsentation und Zugriff
Methodenvielfalt Grundsätzlich werden in den verschiedenen Therapiebereichen unterschiedliche Methoden eingesetzt und miteinander kombiniert (Siegmüller / Kauschke 2013; Siegmüller et al. 2016):
■ Inputspezifizierung: Neue Wörter werden hochfrequent und prägnant im Sprachinput präsentiert. Hintergrund ist die Annahme, dass spracherwerbsgestörte Kinder nur unzureichend dazu in der Lage sind, die relevanten Informationen aus dem alltäglichen Sprachinput zu extrahieren (Kap. 2.3) und daher einen spezifisch aufbereiteten, „konzentrierten“ Sprachinput benötigen. Hierzu stehen zwei unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung:
– Inputsequenz: Die Therapeutin liest dem Kind eine Geschichte vor, in der die relevanten Zielstrukturen (z. B. die Wörter des exemplarischen Therapiewortschatzes) besonders gehäuft vorkommen. Das Kind ist ausschließlich in der Zuhörer-Rolle (Rupp 2013). Begleitendes Bildmaterial kann eingesetzt werden, so dass eine Situation ähnlich einer Bilderbuchbetrachtung hergestellt wird (Kauschke et al. 2016).
– Interaktive Inputspezifizierung: Kind und Therapeutin handeln gemeinsam im Spiel, das die Therapeutin sprachlich mit dem spezifisch aufbereiteten Sprachinput begleitet. Kauschke et al. (2016) favorisieren aufgrund der höheren Inputstärke die reinen Inputsequenzen.
■ Modellierung der kindlichen Äußerungen: Fehlerhafte oder unvollständige kindliche Äußerungen werden über den Einsatz von korrektivem Feedback oder anderen Modellierungstechniken korrigiert, umgeformt oder erweitert (Dannenbauer 2002; Füssenich 2002).
Eine Übersicht über Modellierungstechniken mit Beispielen findet sich bei
Rupp, S. (2013): Semantisch-lexikalische Störungen bei Kindern. Sprachentwicklung: Blickrichtung Wortschatz. Springer, Berlin / Heidelberg, 173.
■ Übungen: Semantische oder phonologische Repräsentationen werden innerhalb von rezeptiven oder produktiven Übungen gefestigt.
■ Metasprache: In metasprachlichen Einheiten wird über die Struktur des mentalen Lexikons reflektiert (z. B. Anordnung von Nomen in Begriffshierarchien).
Auswahl von Therapiebereichen Der Therapiebereich „Begriffsbildung“ wird für Kinder empfohlen, denen bereits grundlegende, vorsprachliche Konzepte fehlen. Ihnen sollen umfangreiche, konkrete Erfahrungen mit den Dingen ermöglicht werden. Erst nachdem die Kinder Gelegenheit zur Exploration des Materials bekommen haben, folgen spezifische Inhalte der lexikalischen Therapie in den folgenden Therapiebausteinen.
Der Therapiebereich „Erwerb und Festigung von Wörtern“ zielt auf eine Erweiterung des rezeptiven und expressiven Wortschatzumfangs. Zudem soll innerhalb dieses Therapiebereichs der Fast-mapping-Prozess des Kindes angestoßen werden. Neue Wörter werden innerhalb dieses Therapiebereichs zunächst rezeptiv, anschließend expressiv gefestigt.
Im Therapiebereich „Strukturierung und Organisation von Wortbedeutungen“ wird vor allem die Speicherqualität der semantischen Repräsentationen sowie ihre Vernetzung im mentalen Lexikon in den Blick genommen. Methodisch werden semantische Merkmale erarbeitet und versprachlicht sowie semantische Sortier- und Kategorisierungsübungen durchgeführt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Unterstützung taxonomischer Gliederungsprinzipien. Zudem werden semantische Relationen, z. B. die Begriffshierarchien bei Nomen oder die Antonymie bei Adjektiven, visualisiert.
Der vierte Therapiebereich „Wortform: Repräsentation und Zugriff“ fokussiert schließlich die Ausdifferenzierung sowie den verbesserten Zugriff auf die phonologischen Wortformen. Dieser Übungsbereich richtet sich in erster Linie an wortfindungsgestörte Kinder (Siegmüller / Kauschke 2013; Siegmüller 2008; Beier 2013; Beier / Siegmüller 2013; Gnadt 2016).