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Sprachtherapie mit Kindern


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      Abklären der Therapieindikation Aufgrund der extrem hohen individuellen Variabilität des Wortschatzes ist es nahezu unmöglich, eine verlässliche subjektive Einschätzung hinsichtlich der Angemessenheit von Wortschatzumfang und -komposition zu treffen. Zwar lassen sich aus der Spontansprache des Kindes sehr wohl erste Hinweise auf lexikalische Defizite sammeln und erkennen (Kap. 2). Gerade im schulischen Kontext stellt die Beobachtung des Verhaltens sowie die Analyse der Spontansprache in der Regel den ersten Schritt dar, um auf potenziell lexikalisch auffällige Schüler überhaupt erst aufmerksam zu werden. Besteht in der Sprachdiagnostik im schulischen oder im therapeutischen Bereich nun aufgrund erster Beobachtungen der Verdacht auf eine lexikalische Störung, so muss dieser jedoch zwingend durch den Einsatz von mindestens einem normierten und standardisierten Testverfahren objektiviert werden.

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      Beschreibungen deutscher Diagnostikverfahren (teils mit kritischer Reflektion) finden sich bei:

      Kannengieser, S. (2015): Sprachentwicklungsstörungen – Grundlagen, Diagnostik und Therapie. 3. Aufl. Elsevier, München,

      Motsch, H.-J., Marks, D.-K., Ulrich, T. (2016): Wortschatzsammler. Evidenzbasierte Strategietherapie lexikalischer Störungen im Kindesalter. Ernst Reinhardt, München / Basel und

      Rupp, S. (2013): Semantisch-lexikalische Störungen bei Kindern. Sprachentwicklung: Blickrichtung Wortschatz. Springer, Berlin / Heidelberg.

      aktiver / expressiver Wortschatz Der Umfang des aktiven (oder expressiven) Wortschatzes wird ermittelt, indem die Wortproduktionsfähigkeiten für ein exemplarisches Set an Wörtern erhoben werden. Bei Vorschul- und Schulkindern wird dies in der Regel über das Benennen von Bildern umgesetzt, für Kleinkinder sowie Kinder mit kognitiven Einschränkungen bietet sich das Benennen von Real- oder Spielgegenständen an. Für Kinder in den ersten drei Lebensjahren stehen Fragebögen zur Verfügung, in denen die Eltern die Wörter ankreuzen müssen, die ihr Kind bereits verwendet (Tab. 12).

Elternfragebögen
ELFRA 1 (Grimm/Doil 2006)12 Monate
ELFRA 2 (Grimm/Doil 2006)24 Monate
ELAN-R (Bockmann/Kiese-Himmel 2012)18 bis 26 Monate
FRAKIS (Szagun et al. 2009)18 bis 30 Monate
SBE-2-KT (von Suchodoletz/Sachse 2011a)21 bis 24 Monate
SBE-3-KT (von Suchodoletz/Sachse 2011b)32 bis 40 Monate

      Da das zu benennende Itemset naturgemäß nur einen winzigen Ausschnitt aus dem Gesamtwortschatz eines Kindes darstellt, kommt der sorgfältigen Auswahl der Zielitems sowie einer qualitativ hochwertigen Normierung an einer möglichst umfangreichen Stichprobe eine entscheidende Rolle zu. Aus diesem Grund sollten Testverfahren bevorzugt werden, die die Auswahl ihrer Testitems nachvollziehbar begründen und anhand der Itemkennwerte belegen, dass diese Items besonders gut dazu geeignet sind, zwischen sprachauffälligen und sprachunauffälligen Kindern zu unterscheiden. Bei der Normierung sollten die Alterskohorten maximal die Spanne von einem Jahr umfassen, um den enormen Entwicklungsveränderungen im Bereich des Wortschatzes Rechnung zu tragen (Tab. 13).

Aktiver/expressiver Wortschatz
SETK 2: „Produktion I Wörter“ (Grimm et al. 2016)2;0 bis 2;11 Jahre
PDSS: „Wortproduktion (WP) Nomen, WP Verben, WP Adjektive“ (Kauschke/Siegmüller 2010)2;0 bis 6;11 Jahre
AWST-R (Kiese-Himmel 2005)3;0 bis 5;5 Jahre
SET 3-5: „Bildbenennung“ (Petermann 2016)3;0 bis 5;11 Jahre
SET 5-10: „Bildbenennung” (Petermann 2012)5;0 bis 10;11 Jahre
WWT 6-10: „WWT expressiv” (Glück 2011a)5;6 bis 10;11 Jahre

      Wortschatzdiagnostik bei mehrsprachigen Kindern Die Auswahl des aktiven Wortschatz-Tests als erstes – und einzig obligatorisches – standardisiertes Testverfahren begründet sich dadurch, dass sämtliche Erscheinungsformen lexikalischer Störungen anhand von Auffälligkeiten im aktiven Wortschatzumfang deutlich werden. Dies bedeutet: unabhängig vom lexikalischen Störungsschwerpunkt (Kap. 2.2.2) zeigen alle lexikalisch gestörten Kinder Schwierigkeiten beim gezielten, produktiven Gebrauch von Wörtern (Rupp 2008, 2013; Glück 2011a; Motsch et al. 2016). Aus diesem Grund kann die Frage danach, ob ein Therapiebedarf im lexikalischen Bereich vorliegt, eindeutig auf der Basis eines standardisierten und normierten aktiven Wortschatztests beantwortet werden (Tab. 13). Die meisten sprachdiagnostischen Verfahren legen die T-Werte-Skala zugrunde, nach der ein T-Wert < 40 als unterdurchschnittlich (auffällig) gilt. Die eindeutige Therapieindikation auf der Basis eines standardisierten und normierten aktiven Wortschatztests gestaltet sich schwierig, wenn ein Kind mit mehr als einer Sprache aufwächst. Die meisten standardisierten Wortschatztests wurden an einer Stichprobe monolingual deutsch aufwachsender Kinder normiert, so dass der Vergleich mit einer Altersnorm grundsätzlich nur für diese Kinder zulässig ist. Bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern liegt der Umfang eines der beiden Lexika allein oftmals unterhalb des Umfangs monolingualer Kinder, ohne dass dies eine Störung darstellen würde. Es stellt sich somit die Herausforderung für zukünftige Forschungsbemühungen, Diagnostikverfahren zu entwickeln, mit denen der Umfang und die Qualität beider Lexika bzw. das beiden Lexika zugrundeliegende konzeptuelle Vokabular erfasst werden kann (Klassert / Kauschke 2014). Aktuell steht Praktikern zumindest für bilingual türkisch-deutsch aufwachsende Kinder eine türkische Version des WWTexpressiv und WWTrezeptiv mit Orientierungswerten zur Verfügung (Glück 2011a).

      Störungsschwerpunkt bestimmen Wurde die Frage nach der Therapiebedürftigkeit mit „Ja“ beantwortet (Abb. 9), ergeben sich nun unterschiedliche Möglichkeiten, um differenzialdiagnostisch den spezifischen Störungsschwerpunkt (oder das lexikalische Profil) zu bestimmen.

      passiver / rezeptiver Wortschatz Häufig entscheiden sich Sprachdiagnostiker in einem nächsten Schritt dafür, den rezeptiven Wortschatzumfang des Kindes zu bestimmen. Auch hier wird ein exemplarisches Itemset herangezogen, um die Wortverständnis-Fähigkeiten eines Kindes zu ermitteln (Tab. 14).

Passiver/rezeptiver Wortschatz
SETK 2: „Verstehen I Wörter“ (Grimm et al. 2016)2;0 bis 2;11 Jahre
PDSS: „Wortverstehen (WV) Nomen, WV Verben, WV Adjektive, WV Präpositionen“ (Kauschke/Siegmüller 2010)2;0 bis 6;11 Jahre
PPVT 4 (Lenhard et al. 2015)3;0 bis 16;11 Jahre
SET 3-5: „Bildersuche“ (Petermann 2016)3;0 bis 5;11 Jahre
MSVK: „Passiver Wortschatz“ (Elben/Lohaus 2000)5 bis 7 Jahre
WWT 6-10: „WWT rezeptiv“ (Glück 2011a)5;6 bis 10;11 Jahre

      In der Regel sollen die Kinder ein Bild (oder einen Gegenstand) aus einer Auswahlmenge zeigen, das zu dem vom Diagnostiker vorgesprochenen Wort passt. Für die Konzeption rezeptiver Testverfahren gelten selbstverständlich die gleichen Vorüberlegungen hinsichtlich der Testqualität wie zuvor bereits beschrieben. Anhand der Anzahl korrekt gezeigter Zielwörter ergibt sich ein quantitatives Maß für den Umfang des rezeptiven Wortschatzes. Dieser kann nun in Beziehung zum Umfang des expressiven Wortschatzes gesetzt werden. Fallen sowohl aktiver als auch passiver Wortschatzumfang unterdurchschnittlich aus, ist von einem quantitativen lexikalischen Defizit auszugehen. Sind die Leistungen im Wortverstehen jedoch deutlich besser als die in der Wortproduktion, spricht dies eher für eine qualitative Störung bzw. eine Abrufstörung (Kap. 2.2.2, Rupp 2008, 2013;