tatsächlich gelang es 2022, dieses Gegenmittel zu isolieren und einen Impfstoff herzustellen. Mit dem Einnahmen aus den Verkäufen des Impfstoffes wiederum wurden nun weitere Forschungen finanziert. Josefina machte sich dadurch in Deutschland und in Europa einen Namen. Sie hatte zwar nicht selbst geforscht, aber sie hatte auch hier für die Anschubfinanzierung gesorgt und ein paar entscheidende Ideen beigesteuert.In der Folge galt Josefina in Wissenschaftskreisen als Fachautorität und als eine Art Spürnase. Aus ihrer bisherigen Beschäftigung mit der Materie wusste sie allerdings, dass dies nur ein kleiner Baustein war, um der wachsenden Gefahr von neuen epidemischen Gefahren und einem möglichen ökologischen Kollaps zu begegnen. Da würde noch viel zu tun sein.Josefina schickte ihre Kinder auf Eliteschulen und schärfte ihnen ein, Liebeleien seien wichtig, aber Seilschaften und die Familie haben Vorrang. Josefina war eine Glucke und sie würde die Fäden für den Familienzusammenhalt nicht aus der Hand geben. In solchen Schulen schmiedet man Kontakte, dort werden aber auch Theorien gelehrt, die zwar viel mit Geldverdienen, aber eben nicht viel mit dem Umweltgedanken zu tun haben.Josefina teilte die Achtung der Indianer vor der Natur, aber sie wollte sich nicht der Gewalt ökonomischer Zwangsläufigkeiten ausliefern, und sie nutzte jede Gelegenheit ihre Kinder dahingehend zu beeinflussen, dass die Gesetze der Natur geachtet werden müssen, ohne selbst schutzlos zu werden.
7.
Josefina hatte längst Kontakte zu Politikern in der EU geschlossen, und jetzt löste sie ein Versprechen ein, das sie sich selbst gegeben hatte. Sie sprach mit EU-Abgeordneten und Politikern in Tschechien, und sie erreichte, dass Gelder locker gemacht wurden für einen geplanten Ausbau des Hochwasserschutzes im Prager Becken. Am Oberlauf der Moldau gab es bereits große Stauseen, um Prag vor Überflutungen zu schützen, aber die hatten im Ernstfall nie gereicht. Weil aber die Regenfälle rund um das Prager Becken sich in die Flüsse Moldau, Berunka und Sazava ergiessen, die alle in die Elbe fließen, erreichte Josefina, dass an all diesen Flüssen weitere Stau- und Rückhaltebecken mit Geldern der EU gebaut werden konnten. Das Bauvorhaben dauerte 10 Jahre. In drei der Rückhaltebecken, eins vor Budweis (Moldau), eins vor Pilsen und eins vor Kolin (an der Elbe) steckte Josefina sogar eigene Gelder der Stiftung, die sie vorher durch Aufrufe gesammelt hatte. Zu Ihren Ehren trug das Rückhaltebecken vor Pilsen jetzt den Namen Vargas-Staubecken.
Der Erfolg dieser Rückhaltebecken wirkte unmittelbar. Als wieder so eine Jahrhundertflut im Jahr 2032 ihren Lauf nahm, blieben die Städte Pilsen, Budweis, Prag, Melnik, Usti und Bad Schandau, Pirna und Dresden verschont. Erst ab Dessau, wo die Mulde in die Elbe fließt, aber auch an der Saale, an der Elster und anderen Nebenflüssen der Elbe gab es wieder extreme Hochwasser, und nun begriffen immer mehr Menschen, dass man viel großräumiger denken musste, um solche Katastrophen langfristig zu verhindern. Josefinas Ruf stieg und stieg, und weil sie über nationale Grenzen hinausdachte, wurde sie nun immer öfter um Rat gefragt. Warum, dachte sich Josefina, soll ich diesen Ruf nicht ausnutzen. Sie scharte ein Team aus Fachleuten um sich, nannte das neumodisch, aber ansonsten unverbindlich das „Vargas-Umwelt-Kompetenzteam“ und sie schloss nun einzelne Beraterverträge ab, deren Gelder sie wiederum in die Stiftungen steckte, um sie dem Umweltschutz zugute kommen zu lassen. Dieses Engagement brachte ihr im Jahr 2038 sogar das Bundesverdienstkreuz am Band ein. Das war ein Punkt, bei dem schon längst klar war, dass der ökologische Kollaps nicht mehr aufzuhalten war. Die Menschheit hatte angesichts der sich verschärfenden Umweltproblematik bereits angefangen umzudenken, aber wie so oft, war das Kind sinnbildlich schon längst in den Brunnen gefallen.Bei all diesem öffentlich zur Schau getragenen Engagement war Josefina eine geschickte Taktikerin. Einnahmen wurden in Stiftungsgeldern und Beteiligungsgesellschaften angelegt und so an der Steuer vorbei eingesetzt, vieles davon ganz legal.Über ein Netz aus Verflechtungen wurden die verschiedenen Konten rechtlich einwandfrei dem Zugriff der Finanzämter entzogen. Josefina beschäftigte zwei Handvoll guter Anwälte, damit das auch so bleibt. Sie führte das Geld einem guten Zweck zu. Sie machte sich aber auch Gedanken darüber, was passieren würde, wenn diese Machenschaften einmal aufgedeckt würden, obwohl das nicht sehr wahrscheinlich war, weil ihr guter Ruf allem vorauseilte, was Josefina anpackte. Im Sinne des Ganzen musste das alles unter der Decke des Schweigens bleiben. Jeder, der ihr da gefährlich werden würde, den würde sie unerbittlich verfolgen, und sie lernte auch solche Männer kennen, die ihr dabei helfen würden, dieses Interesse mit allen Mitteln durchzusetzen.
8.
Die Kinder wurden groß. Ihre Tochter Carmelita studierte Rechtswissenschaften, heiratete einen Bänker und kaufte sich eine angesehene Frankfurter Anwaltskanzlei für Wirtschaftsrecht ein. Lasse wurde Ingenieur für Wasserkraftwerke, Bernhard (Bernie) wurde Biochemiker und Lore wurde Biologin, wie ihre Mutter, und nun begann sich der kleine Familienclan unter der Leitung von Josefina zu entwickeln und zu verbreitern.Josefina achtete sehr darauf, dass die Familie zusammenhielt. Ihre Kinder, die Ehegatten und die Kinder ihrer Kinder. Als heimliche Eigentümerin der Stiftungen und der Beteiligungsgesellschaften, und als die Biologin, die sie war, wollte sie diesen Einfluss mehren. Umwelttechnologie war für Josefina kein Wort, das man nur als Alibi im Mund führte. Um den Kreis der engeren Familie hatte sich schon längst eine Schar aus Gleichgesinnten gesellt, die Josefina und ihre Familie bei ihren Projekten unterstützten.Josefina begann ihren Einfluss auszudehnen. Sie überzeugte Kapitalgeber und Politiker. Mit dem einen oder anderen teilte sie gelegentlich das Bett, selbst wenn sie manchmal nicht auf ihre Kosten kam. Sie hatte da keine Skrupel. Hauptsache, die Männer taten, um was Josefina sie bat. Macht macht schön, und weil sie selbst im Alter von 50 noch knackig aussah, hatte sie genug Verehrer.Horst wusste inzwischen davon, aber er war einer der Nutznießer, und er hatte längst ein Verhältnis mit einer Jüngeren, obwohl er Josefina verehrte, und obwohl die beiden das Bett von Zeit zu Zeit miteinander teilten.
9.
Energie ist eine der Schlüsselindustrien der modernen Industriegesellschaft. Bereits im Jahr 2022 waren Josefinas Beteiligungsgesellschaften in das Geschäft der Gezeitenkraftwerke eingestiegen. Das gab es ja bisher schon, aber der Bau war bis zu diesem Zeitpunkt einfach zu teuer gewesen. Die ersten Gezeitenmühlen waren sogar schon im 17. Jahrhundert entstanden, aber moderne Kraftwerke, wie es sie z.B. in Kanada oder China gab, standen im Ruf, höllisch teuer und vergleichsweise wenig effektiv zu sein. Es gab Kleine, die etwa 10 Megawatt im Jahr erzeugten, unter anderem in China und England. Das größte davon stand in St.Malo, an der Flussmündung der Rance, und erzeugte immerhin 240 Megawatt. Ein weiterer Gezeitenpark stand in Pentland Firth in Nord Schottland und erzeugte 200 Megawatt im Jahr. Das war wenig, etwa im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk, bei dem ein einziger Block mit viel weniger Anfangskosten problemlos 600 Megawatt erzeugen konnte.
Die Maierhauser Ingeniering hatte nach der Auswertung erster Versuchsanlagen schließlich 2029 ein neues Verfahren entwickelt, solche Kraftwerke kostengünstiger und zugleich noch viel effektiver zu errichten, so dass die 1000 Megawattgrenze nun deutlich überschritten wurde. Das waren zunächst noch Anfänge, aber das entwickelte sich wenige Jahre später zu einem gigantischen Geschäft, nachdem die Technologie ausgereift war. Es ist ja bekannt, dass Ebbe und Flut gewaltige Drücke und Söge erzeugen, und diese Kraft aus Tausenden von Megatonnen wurde in diesen Energieparks genutzt. Man verbaute in diesen Kraftwerken jetzt Hochgeschwindigkeitsrotoren aus deutscher Produktion in einer bisher nicht gekannten Effizienzklasse. Sie unterschieden sich schon technisch völlig von allen bisherigen Anlagen. Es war ein Quantensprung in der Energieerzeugung. Spätestens, seit diese veränderte Kraftwerkstechnologie reibungslos funktionierte, waren Kernkraftwerke überflüssig geworden. Man schaltete die letzten Atom-Meiler jetzt Stück für Stück ab. Was blieb, war die Gefahr der legalen und der illegalen Endlagerung des Atommülls. Daran würde man noch Jahrtausende knabbern.
Man musste den Strom von den Küsten zu den Verbrauchern befördern, und dafür brauchte man neue Überlandleitungen und Umspannwerke, viel mehr noch als von den Windparks vor den Küsten. Das erste dieser neuen Kraftwerke hatte man vor der französischen Küste gebaut, um die nordfranzösische Industrie zu versorgen. Weitere waren gefolgt, zunächst in England, in Kanada, in den USA, in Australien und in China.
Nur ein paar Jahre später hatte man bei Maierhauser Ingeniering neue Technologien für Wellenkraftwerke und leistungsfähige Meerwasserentsalzungsanlagen erfunden, auch das mit