André Niedostadek

BGB für Dummies


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      Mit der Privatautonomie und insbesondere der Rechtsgeschäftslehre haben Sie bereits zentrale Grundlagen des BGB kennengelernt. Sie haben damit einen ersten roten Faden aufgegriffen, um sich im BGB zurechtzufinden. Verfolgen Sie den roten Faden nun noch etwas weiter. Denn bei den Rechtsgeschäften ist noch zu differenzieren zwischen

       Verpflichtungsgeschäften und

       Verfügungsgeschäften.

      Das Verpflichtungsgeschäft

      Den Begriff Verpflichtungsgeschäft (oder Verpflichtungsvertrag) dürfen Sie wörtlich nehmen: Hier verpflichtet sich jemand gegenüber einem anderen dazu, eine Leistung zu erbringen. Eine solche Pflicht ergibt sich regelmäßig aus einem schuldrechtlichen Vertrag. Sie glauben das nicht? Sehen Sie sich einmal folgende Paragrafen an: § 433 BGB (Kaufvertrag), § 535 BGB (Mietvertrag), § 611 BGB (Dienstvertrag), § 631 BGB (Werkvertrag). Das sind nur einige Beispiele, aber fällt Ihnen hier etwas auf? Zugegeben: In den Details unterscheiden sich die Vorschriften deutlich voneinander, dennoch gibt es Verbindendes. Wenn Sie einen Blick in das BGB werfen, fällt Ihnen auf, dass sich in allen Paragrafen das Wort »verpflichtet« findet. Es handelt sich insoweit also um »Verpflichtungsgeschäfte«. Die Parteien verpflichten sich dazu, die jeweils vorgesehene Leistung zu erbringen. Oder um es etwas anders zu formulieren: Hier wird der »Fahrplan« dazu verabredet, was im Weiteren passieren soll.

      

Bei einem Kaufvertrag verspricht der Verkäufer, die Sache zu übergeben und Eigentum daran zu verschaffen (siehe § 433 Abs. 1 BGB). Der Käufer seinerseits verpflichtet sich, den Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen (siehe § 433 Abs. 2 BGB).

      

Stehen die vertraglichen Leistungspflichten (auch Hauptleistungspflichten genannt) in einem Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis, spricht man von einem Synallagma. Die eine Vertragspartei leistet, um die Gegenleistung zu erhalten, und umgekehrt. Oder wie schon die alten Römer zu sagen pflegten: »do ut des« – ich gebe, damit du gibst.

      

Das synallagmatische Leistungsverhältnis lässt sich wiederum gut am Kaufvertrag veranschaulichen. Sie hatten ja schon gesehen: Der Verkäufer verpflichtet sich dazu, die Kaufsache zu übergeben und dem Käufer das Eigentum daran zu verschaffen, gerade weil sich umgekehrt der Käufer seinerseits verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen (die Abnahme steht regelmäßig nicht im Synallagma, handelt es sich doch insofern regelmäßig um eine Nebenleistungspflicht!). Ähnliches gilt für andere Schuldverhältnisse wie Miet-, Dienst-, Werk- oder sonstige Verträge.

      Nun ist die Verpflichtung zu einer Leistung aber nur die eine Seite der Medaille. Damit die Parteien das bekommen, was vereinbart ist, muss der jeweils Verpflichtete auf der anderen Seite der Verpflichtung nachkommen: Er muss sie erfüllen. Um wieder beim Beispiel des Kaufs zu bleiben: Geht es um den Verkauf einer Sache und soll die in § 433 Abs. 1 BGB normierte Pflicht erfüllt werden, die Eigentumsverhältnisse zu ändern und das Eigentum zu übertragen, dann bedarf es noch eines weiteren Geschäfts: Das ist das sogenannte Verfügungsgeschäft.

      Das Verfügungsgeschäft

      Ein Verfügungsgeschäft (oder auch Verfügungsvertrag) wird regelmäßig abgeschlossen, um die aus einem zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft resultierenden Verbindlichkeiten zu erfüllen. Daher wird das Verfügungsgeschäft oft als Erfüllungsgeschäft bezeichnet.

      

Ein Verfügungsgeschäft ist unmittelbar darauf gerichtet, ein bestehendes Recht zu übertragen, zu belasten, aufzuheben oder seinen Inhalt zu ändern.

      Wie funktioniert das? Das kommt ganz darauf an, um was für eine Verpflichtung es sich handelt. Bleiben wir dazu beispielhaft wieder beim Kauf. Hier sind nicht nur mehrere, sondern zugleich unterschiedliche Verpflichtungen zu erfüllen, das heißt, Verfügungen vorzunehmen:

       Die Verpflichtung des Verkäufers bezieht sich darauf, Eigentum am Kaufgegenstand zu übertragen; dieser Pflicht kommt er nach, wenn er tatsächlich über das Eigentum verfügt.

       Die Verpflichtung des Käufers bezieht sich darauf, den Kaufpreis zu zahlen (und die gekaufte Ware abzunehmen). Um der Zahlungspflicht nachzukommen, muss er eine Verfügung vornehmen, nämlich das Eigentum an den Münzen oder Geldscheinen übertragen – jedenfalls, wenn er bar bezahlt.

      Wie ist das eigentlich …

      … führt jedes Verpflichtungsgeschäft zu einem Verfügungsgeschäft? Die Antwort: Nein. Nicht immer ist ein weiteres Rechtsgeschäft in Form eines Verfügungsgeschäfts erforderlich. Manchmal reicht es schon, eine tatsächliche Handlung vorzunehmen. Dann erfüllt der Verpflichtete seine Verbindlichkeit bereits ganz einfach dadurch, dass er entsprechend handelt.

      

Bei einem Mietvertrag ist der Vermieter nach § 535 BGB verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu gewähren – sprich, ihm die Sache ganz einfach tatsächlich zu überlassen. Ähnlich ist es bei einem Arbeitsvertrag (dabei handelt es sich um eine Form des Dienstvertrags gem. § 611 BGB; der Arbeitsvertrag ist seit 2017 eigens in einem neuen § 611a BGB geregelt). Hier erbringt der dienstverpflichtete Arbeitnehmer seine Leistung ganz einfach durch seine Arbeit.

      Sie werden zu alledem in den weiteren Kapiteln noch Genaueres erfahren. Hier sollte es ja erst einmal »nur« darum gehen, dass Sie zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zu unterscheiden wissen. Raucht der Kopf schon oder vertragen Sie noch etwas mehr? Wenn Sie die Aufspaltung in das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft kennen, ist es bis zum nächsten Prinzip, dem sogenannten Trennungsprinzip, nur noch ein Katzensprung.

      Das Trennungsprinzip

      Das Trennungsprinzip knüpft direkt an die Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft an. Es besagt ganz einfach, dass beide Geschäfte losgelöst voneinander zu sehen sind: Das Verpflichtungsgeschäft als Grundlage (daher auch Grund- oder Kausalgeschäft genannt) ist vom Verfügungsgeschäft als Erfüllungsgeschäft zu trennen.