Kaufpreis zu zahlen, kann der Buchhändler Bert ihn vor dem zuständigen Gericht verklagen. Gewinnt er den Prozess und zahlt Simon immer noch nicht, kann Bert die sogenannte Zwangsvollstreckung betreiben und beispielsweise einen Gerichtsvollzieher beauftragen, Zwangsmaßnahmen (etwa Pfändungen) vorzunehmen.
Das materielle Recht nach dem BGB und das prozessuale Recht nach der ZPO stehen nicht isoliert nebeneinander. Sie sind vielmehr auf vielfältige Weise miteinander verbunden. Da ein paar zivilprozessuale Grundlagen dazu beitragen, das BGB besser zu verstehen, folgen hier im Überblick noch einige Hinweise dazu.
Zunächst einmal: Das Rechtssystem hierzulande kennt keine Selbstjustiz (sieht man einmal von ganz wenigen Ausnahmen ab, wie etwa die Selbsthilfe nach §§ 859, 860 BGB, die Sie genauer im 10. Kapitel kennenlernen werden). Wir leben schließlich in einem Rechtsstaat. Wer also seine (vermeintlichen) Rechte durchsetzen will, muss sich gegebenenfalls an die zuständigen Gerichte wenden und dort einen Prozess führen. Die Rechtsprechung liegt insoweit bei den Richterinnen und Richtern, die unabhängig und nur an Gesetz und Recht gebunden sind. Niemand kann ihnen vorschreiben, wie sie zu entscheiden haben.
Der Gerichtsaufbau
Sofern es um privatrechtliche Ansprüche nach dem BGB geht, sind die sogenannten ordentlichen Gerichte in Zivilsachen zuständig. Es gibt unterschiedliche Gerichte (bzw. Instanzen). Der Aufbau sieht dabei wie folgt aus:
Amtsgericht (kurz: AG),
Landgericht (kurz: LG),
Oberlandesgericht (kurz: OLG),
Bundesgerichtshof (kurz: BGH).
Welches Gericht ist nun wofür zuständig? Zunächst einmal gibt es zwei mögliche Eingangsinstanzen: entweder das Amtsgericht oder das Landgericht. Dort beginnt der Prozess. Die Amtsgerichte entscheiden dabei über Klagen mit einem Streitwert von bis zu 5.000 EUR (sowie unabhängig davon unter anderem bei Wohnraummietsachen, Reisestreitigkeiten, Familiensachen). Liegt der Streitwert höher, ist die Klage vor dem Landgericht zu erheben. Das bestimmen die §§ 23, 23a, 71 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Übrigens: Ab dem Landgericht besteht der sogenannte Anwaltszwang, das heißt, hier müssen sich die Parteien anwaltlich vertreten lassen (beim Amtsgericht ist das nicht zwingend erforderlich; Ausnahme: bei manchen Familiensachen).
Der Zivilprozess
Wie ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht durchgeführt wird, regelt das sogenannte Zivilprozessrecht. Grundlage dafür sind die Zivilprozessordnung (ZPO) sowie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Das Zivilprozessrecht regelt also kurz gesagt das Verfahren, auf welche Weise sich privatrechtliche Ansprüche durchsetzen lassen. Die an einem Zivilprozess beteiligten Parteien nennt man Kläger und Beklagter.
Egal vor welchem Gericht man sich »wiedersieht«, im Grunde genommen funktioniert ein zivilrechtliches Verfahren wie folgt: Der Kläger reicht zunächst bei dem zuständigen Gericht eine Klageschrift ein. »Zuständig« ist regelmäßig das Gericht, an dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat – bzw. bei einer Gesellschaft (etwa einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Aktiengesellschaft) deren Sitz. Die Klage wird dann dem oder der Beklagten zugestellt. Mit der Zustellung wird die Klage rechtshängig (Die Rechtshängigkeit sollten Sie sich merken, da sie im BGB verschiedentlich ebenfalls eine Rolle spielt!).
Sie hatten schon die Privatautonomie als ein grundlegendes Prinzip des BGB kennengelernt. Das wirkt bis in das Prozessrecht hinein. So kann ein Gericht nicht »von Amts wegen« ermitteln, was sich zugetragen hat (das heißt, um welchen Sachverhalt es konkret geht). Es obliegt vielmehr den beteiligten Parteien vorzutragen, auf welchen Sachverhalt sie sich stützen. Der Kläger wird regelmäßig vortragen, warum ein Anspruch aus seiner Sicht besteht, der Beklagte regelmäßig dagegenhalten, warum ein Anspruch nicht besteht. Das Gericht entscheidet letztlich auf Basis dieses Vorbringens der Parteien.
Es passiert immer wieder, dass Details zwischen den Parteien streitig sind (ansonsten träfe man sich ja kaum vor Gericht). Sind solche Details aus Sicht des Gerichts entscheidungserheblich, kommt es darauf an, inwieweit etwas bewiesen werden kann. Ein solcher Beweis kann beispielsweise durch Zeugen, mittels Urkunden oder durch Sachverständige erbracht werden.
In der Praxis spielt dabei eine große Rolle, wer überhaupt was zu beweisen hat. Das ist oftmals eine knifflige Frage, die schon so manchen Prozess entschieden hat. Gefordert ist die »beweisbelastete« Partei. Dabei gilt der Grundsatz, dass jede Partei die für sie günstigen Umstände zu beweisen hat. Das bedeutet konkret: Der Kläger hat normalerweise die Tatsachen zu beweisen, die seinen Anspruch begründen; umgekehrt hat der Beklagte die Tatsachen zu beweisen, die dem Anspruch entgegenstehen und ihn wieder vernichten.
Auf Basis des Vorbringens der Parteien sowie gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Beweislage, trifft das Gericht seine Entscheidung (durch Urteil oder Beschluss). Es stellt also fest, ob und inwieweit der vom Kläger gegen den Beklagten geltend gemachte Anspruch besteht oder nicht besteht. Dabei kann eine Entscheidung vollständig zugunsten des Klägers ausfallen. Nicht selten kommt es aber vor, dass eine Klage ganz oder teilweise abgewiesen wird.
Unterliegt eine Partei ganz oder teilweise, besteht regelmäßig die Möglichkeit, den Rechtsstreit noch einmal vor einer höheren Instanz zu bringen oder zumindest die rechtliche Bewertung des Gerichts noch einmal überprüfen zu lassen. Einige Rechtsbehelfe sind
die Berufung: Hier prüft das nächsthöhere Berufungsgericht den gesamten Stoff des vorangegangenen Prozesses erneut.
die Revision: Hier prüft das Revisionsgericht nicht mehr die Tatsachen (insofern wird von in den Vorinstanzen bereits festgestellten Tatsachen ausgegangen), sondern nur noch Rechtsfragen.
die Beschwerde: Hier geht es regelmäßig nur darum, einzelne Fragen zu klären.
Die Zwangsvollstreckung
Für den Kläger wird es in der Regel nicht ausreichend sein, ein Gerichtsurteil in den Händen zu halten, das ihm bestätigt, einen Anspruch in einer bestimmten Höhe zu haben. Er möchte diesen Anspruch obendrein vollstrecken, wenn die gegnerische Partei nicht freiwillig leistet. Das kann er im Wege der Zwangsvollstreckung durch einen Gerichtsvollzieher durchführen (lassen). Das Urteil bietet dafür die sogenannte Grundlage (man spricht hier von einem vollstreckungsfähigen Titel). Vollstreckt werden können rechtskräftig festgestellte Ansprüche 30 Jahre. Und das ist eine lange Zeit …
Das Mahnverfahren
In vielen Auseinandersetzungen geht es um Geldforderungen. Hier ist es nicht immer gleich erforderlich, ein gerichtliches Klageverfahren durchzuführen. Eine (einfache und preiswerte) Alternative bietet ein gerichtliches Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO). Der Anspruchsteller beantragt beim Amtsgericht seines Wohnsitzes einen Mahnbescheid. Dieser wird ohne aufwendige inhaltliche Prüfung erlassen und dem Antragsgegner zugestellt. Letzterer hat seinerseits die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einzulegen. Tut er das nicht, kann auf Grundlage des Mahnbescheids der Erlass eines Vollstreckungsbescheids beantragt werden, aus dem dann wie aus einem Urteil vollstreckt werden kann. Dem Antragsgegner bleibt dann nur noch die letzte Möglichkeit, Einspruch zu erheben, wodurch das Mahnverfahren in ein Klageverfahren überführt wird.
Kapitel 2
Wege durch den Paragrafendschungel
IN DIESEM KAPITEL
Sich mit der juristischen Methode vertraut machen
Gesetze verstehen
Anspruchsmethode beherrschen
Verschiedene