Donata Elschenbroich

Weltwissen der Siebenjährigen


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niemand mehr. Basic skills zu vermitteln, Schlüsselqualifikationen – jeder ahnt, was mit diesen Begriffen gemeint sein könnte, und niemand hat etwas dagegen. Nur: bei welchen Gelegenheiten, und wie baut man solche Fähigkeiten auf? Da braucht es konkrete Anregungen für spontane und geplante Bildungsgelegenheiten, Bilder, Beispiele, die das Mögliche als das Realisierbare vorstellen.

      Für solche Beispiele und Anregungen danken wir den Gesprächspartnern. Und noch etwas haben sie beigesteuert: überraschende Wendungen. Da wünscht sich eine Vierzehnjährige, dass jedes Kind Verantwortung für ein Tier übernehmen kann: »Weil man lernt vom Tier zum Menschen«. Eine Großmutter: »Die Kinder, wenn sie heute so lange vor dem Fernseher sitzen, dann verpassen sie so viel Zeit für sich selbst«. Ein Betriebswirtschaftsstudent sagt es ähnlich wie Goethe: »Je mehr man von der Welt weiß, um so interessanter wird sie«. Und eine Urgroßmutter: »Uber meine Urenkelin Rebecca wollen Sie mit mir sprechen? Die ist nun schonfünf Jahre sehr klug.«

      Nach hundertfünfzig Gesprächen (1996-1999) haben wir die erste Liste erweitert:

       Was Siebenjährige können/erfahren haben sollten.

       Bildungsgelegenheiten – Anregungen – Erfahrungen – Ahnungen – Fragen

       die eigene Anwesenheit als positiven Beitrag erlebt haben. »Wenn du nicht wärst…«. »Da hast du uns gefehlt…«

       gewinnen wollen und verlieren können

       wissen, was »schlecht drauf sein« bedeutet. (Theory of mind) Hunger nicht mit Ärger verwechseln, Müdigkeit nicht mit Traurigkeit. Elementare psychosomatische Zusammenhänge ahnen: Bettnässen z.B. hat mit Gemütsbewegung zu tun

       einem Erwachsenen eine ungerechte Strafe verziehen haben

       Bilder für seelische Bewegung kennen. »Wie wenn ein Luftballon platzt…«, »ein Fass überläuft«

       eine Erinnerung daran haben, dass ein eigener Lernfortschritt in anderen Behagen auslöste

       dem Vater beim Rasieren zugeschaut haben

       mit dem Vater gekocht, geputzt, Betten bezogen, gewerkelt, ganze Tage verbracht haben. Von ihm während einer Krankheit gepflegt worden sein

       die Erfahrung machen können, dass Wasser den Körper trägt

       schaukeln können: Was tut mein Körper mit der Schaukel, was tut die Schaukel mit meinem Körper

       eine Kissenschlacht gemacht haben

       einen Schneemann gebaut haben. Eine Sandburg. Einen Damm im Bach. Ein Feuer im Freien anzünden und löschen können. Windlicht, Windrad erproben

       Butter machen. Sahne schlagen. (Elementare Küchenchemie, Küchenphysik kennen: Schimmel, schädlicher und pikanter. Rühren, schnipseln, schälen, kneten, durchs Sieb passieren. Knusprig/angebrannt! Roh/gekocht! Versalzen: »eine Prise«)

       Reise: die Familie, die Eltern in einer anderen Umgebung wahrnehmen. Den Gegensatz Komfort/Robinson erleben. Zuhause/unterwegs, on the road. Erste Konzepte von Heimweh, Migration, »Herberge«, Obdachlosigkeit

       in einer anderen Familie übernachten. Mit anderen Familienkulturen, Codes in Berührung kommen. Einen Familienbrauch kennen, der nur in der eigenen Familie gilt

       wer gehört zur »weiteren Familie«: unterschiedliche Verwandtschaftsbeziehungen kennen … Onkel, Vetter, Patin …

       spenden. Dem Bettler in den Hut, in den Geigenkasten. In eine Sammelbüchse

       die Erfahrung, dass ein eigener Verbesserungsvorschlag in die Tat umgesetzt wurde. Eine Erinnerung: Ich als die Weltverbesserin, der Weltverbesserer

       elementare Krankenpflege: hochlagern, Eis oder Wärme? Atmen, »Schmerz annehmen«. Ruhe oder Bewegung? Handberührung tut gut, wo? (in der Ellenbeuge, am Haaransatz?) Erste Massage-Handgriffe. Sich ausruhen können. Was gut tut: meinen Augen. Den Ohren. Der Haut. Den Füßen. Was ist Gänsehaut? Stolz auf überwundene Krankheiten und: »Krankheit gehört zum Leben«

       das Märchen vom Holzlöffel kennen und andere elementare Stoffe/Gleichnisse von Aussetzung und Geborgenheit

       Wunderkammer Museum: die Botschaft der Dinge. Ihre Aura, ihr Altern, ihr Fortbestehen nach unserem Tod. Eine Burg kennen. Ein Gefühl haben dafür, dass sich die Welt verändert. Dass die Großmutter anders aufgewachsen ist. Ein Ding aussondern zum Behalten und Weitergeben, an die eigenen Kinder

       eine Sammlung angelegt haben (wollen)

       eine Ahnung von Weiträumigkeit, von anderen Kontinenten haben

       den Unterschied zwischen Essen und Mahl wahrnehmen. Bewegung und Gebärde. Geruch und Duft. Geräusch und Klang. Sehen, blicken, schauen. Gehen, schreiten…

       Notfalltelefonnummer kennen. Hilfssysteme, Wächtersysteme. Es gibt ein Kindernotruftelefon

       ein Geheimnis für sich behalten können. »Nur du und ich«, »es bleibt unter uns«, diesen Wunsch kennen

       die Erinnerung an ein gehaltenes Versprechen

       die Erfahrung, dass eigene Interessen delegiert, durch andere geregelt, vertreten werden können

       eine Methode des Konservierens gegen Verfall kennen. Etwas repariert haben, und die Frage beim Kaufen wichtig finden: Kann man das reparieren?

       den Unterschied zwischen Markt und Supermarkt kennen

       seinem Alter voraus gewesen sein (z.B. auf der Bastelanleitung). Einem Erwachsenen etwas erklärt haben

       mit einem Erwachsenen eine ungelöste Frage geteilt haben (»das weiß niemand«)

       auf einen Baum geklettert sein

       in einen Bach gefallen sein

       gesät und geerntet haben

       einen Reißverschluss, einen Klettverschluss untersucht haben. Mit Riegeln, Schlüsseln umgehen können. Sich nicht aus Versehen einschließen.

       Geräte anschließen und umstecken können (Recorder…)

       typisches Jungen- und Mädchenspielzeug kennen. Nach der eigenen Meinung dazu gefragt worden sein

       sich selbst schön machen wollen, Stilgefühl, »dieser Pullover steht mir nicht«

       eine Botschaft geschrieben haben, von einer schriftlichen Botschaft getröstet, erwartungsvoll geworden sein. Eine e-mail empfangen oder gesendet haben

       wie sieht der eigene Name in Sand geschrieben aus? Im Schnee, auf dem Waldboden, an der beschlagenen Fensterscheibe?

       die Spannung und Vorfreude empfunden haben, die von einem unbeschriebenen, unbemalten Blatt ausgehen kann

       ein Buch von Deckel zu Deckel »kennen«, wie auch immer der blaue Schatten – auf einem Gemälde, in der Winterlandschaft …

       heute habe ich geträumt…

       in einem Streit vermittelt haben. Einem Streit aus dem Weg gegangen sein

       Ich, ein Ankunftswesen: die Monate und Wochen vor der Geburt – phantasiert, »erinnert« eine Frucht bewusst geschält, »freigelegt«, einen Kern gespalten haben

       die Adern des Blattes und die Adern der eigenen Hand studieren

       Obstsorten, und wie sie sich im Duft unterscheiden. Drei Lieblingsdüfte

       die eigene Singstimme finden. Den eigenen Namen gesungen haben. Vogelstimmen, Tierstimmen imitieren können. Kanon singen – Verwirrspiel und Ordnungserlebnis. Einen Dialog auf Instrumenten (Duett) inszenieren, ein