• an sich herumzerren (die Hand an der Waffe fasst ständig die Waffe neu, sich an die Nase fassen, Harre sortieren, Brille justieren)
• Ausrüstung und Kleidung drückt und ist unbequem
• jeder stört (übertriebene Härte oder Wortwahl gegen Unbeteiligte oder Zwischenfragen)
• Missmutigkeit (pampige Antworten, eskalierende Kommunikation)
• „mentales Fremdgehen“ (sich gedanklich von der Situation abwenden und sich mit anderen Dingen beschäftigen)
• Nebensächlichkeiten, die nicht zentral der Problembewältigung dienen, erledigen
• Aktivitätsüberschuss (zu schnelles Durchführen von Aufgaben, zu frühes Beginnen mit Aktionen, hektisches Hantieren)
• unerledigten Dingen mental nachhängen, bzw. darüber grübeln
4.1.3. In Führungssituationen
Ungerer (2003, S. 103) führt Verhaltensweisen (er nennt sie Symptome) von Führungskräften bei der Stabsarbeit an:
• in Lagen mit Informationsüberlast,
• in Lagen unter Bedrohungsbewertung,
• in Lagen unter Informationsentzug und
• in Lagen mit Ungewissheitsbewertung.
In Lagen, die durch einen Überfluss an Informationen gekennzeichnet sind, können folgende Verhaltensweisen und Reaktionen Ausdruck von massivem Stress sein (für die anderen Situationen sei auf Ungerer, 2003, verwiesen):
• Übersicht geht verloren
• Rückgang und zunehmend fehlerhafte Sprachverarbeitung
• Verstecken von Meldungen
• sinnloses Festhalten an Vorschriften, (insbesondere an Vorschriften für Dinge, die zur Lagebewältigung nicht zentral sind)
• Auftragstaktik weicht der Befehlstaktik
• taktische Verarmung
• zunehmende Missachtung der rechtlichen Vorschriften
• Entscheidungsverzögerungen
• Beratungsreserven für die zu führenden Einsatzkräfte schwinden
• Schrotschussverhalten (Aktions- und Redeschwall)
• kognitive Leistungen werden fehlerhaft (falsche Vorauskalkulationen)
• Falschbewertung von Lagen nimmt zu
• Schwierigkeiten werden nicht mehr erkannt (Tabuisierung, Maskierung und Ignorieren von kritischen Lagen)
• „mentales Fremdgehen“, Nebengedanken drängen sich auf
• Zunahme von Nebentätigkeiten (Aufträge werden nicht mehr ausgeführt und zunehmend anderweitige Dinge erledigt)
• Verantwortung wird delegiert
• Vertrauenskrise (anderen Personen, Mitarbeitern wird nicht mehr vertraut)
• individuelle Sinnkrise
4.2. Stressreaktionen und -folgen bei chronischem Stress
Bei chronischen, lang anhaltenden oder regelmäßig wiederholten Stressepisoden ohne hinreichende Erholung treten neben den aktuellen Stressreaktionen auch Stressfolgen auf. Diese finden sich vor allem im Bereich Gesundheit (siehe Kapitel Stress und Gesundheit in diesem Band) und auf der Leistungsebene (siehe Kapitel Stress & Leistung in diesem Band) wieder. Es wird an dieser Stelle deshalb nur kurz auf die Detektion anhand dieser Folgen eingegangen. Verschiedene Fragebögen mit unterschiedlicher Zielsetzung bezüglich der Diagnose Stress führen Litzcke & Schuh (2010, S. 36 ff.) auf. Besonders auffällig sollten als Folgen sein:
• häufige Erkrankungen (vor allem Infekte) durch geschwächtes Immunsystem
• Schlafstörungen
• längerfristige negative Leistungsentwicklung
• sozialer Rückzug
• Zynismus
• mangelndes Interesse an sonst beliebten Aktivitäten, Verlust des Spaßes oder der Freude
• Gefühl der geistigen Leere
• körperliche oder geistige Erschöpfung
• Zukunftsängste
• Konzentrationsschwierigkeiten
• anhaltende Gereiztheit
• anhaltende Verspannungen
• Gewichtsveränderungen (ohne Absicht)
• verstärktes Suchtverhalten (z. B. Rauchen, Trinken, Einkaufen, Naschen)
4.3. Stress erzeugende Lebensereignisse
Es gibt Ereignisse, auf die die meisten Menschen mit anhaltendem Stresserleben reagieren. Holmes & Rahe (1967) haben diese kritischen Lebensereignisse zusammengestellt und durch Befragung ihre Belastungsstärke in eine Rangreihe gebracht. Die Belastungswerte können kumulieren, wenn eine Person mehrere Ereignisse in einem Zeitraum erlebt. Damit wird entsprechend die Belastung umso ausgeprägter. Es kann allein die Kenntnis dieser Ereignisse ausreichen, um anzunehmen, dass diese Person belastet ist. Dies stellt natürlich keinesfalls sicher, dass ein entsprechendes Belastungserleben vorliegt und macht auch das Erkennen von Stressreaktionen und -folgen nicht unnötig, hilft aber dem Erkennen, da es als Faustregel dienen kann.
Für die Polizeiarbeit sind entsprechende Einsätze, Ereignisse und Umstände bekannt (siehe Kapitel in diesem Band), bei deren Erleben das Risiko steigt oder es sogar wahrscheinlich ist, dass ein Stresserleben auftritt. Ihre Kenntnis hilft Führungskräften und Kollegen, betroffene Polizeibeamte zu unterstützen und bieten Betroffenen die Chance, sich vorzubereiten und nachbereitend damit auseinanderzusetzen. Tabelle 3 zeigt eine Rangreihe von belastenden Ereignissen im Polizeidienst (nach Klemisch, Kepplinger & Muthny, 2005).
Fazit
Das Wissen um Stressreaktionen in Verbindung mit Bewältigungsstrategien kann helfen, den Kontrollverlust durch Stress aufzuheben. Damit werden Stress und seine Effekte auf das Verhalten und Erleben des Menschen berechenbarer. Vorbereitung auf Stresssituationen und professionelles Handeln unter Stress wird möglich. Ein absoluter Kontrollverlust tritt nicht notwendigerweise ein oder muss nicht lange anhalten. Hierdurch wird es möglich, anderen Personen, also sowohl Kollegen als auch „Bürgern“, bei der Situationsbewältigung zu helfen. Dies stellt in der Polizei eine sehr wichtige Fähigkeit dar. Kenntnisse um Stressreaktionen ermöglichen nämlich Perspektivenübernahme und Empathie. Letztlich kann sich der Beamte somit auf andere Personen einstellen, ihr Erleben und Verhalten ein Stück weit nachvollziehen und damit auch beeinflussen, wodurch er besser (und auch stress freier) seine Ziele erreicht.
Tabelle 2
Auszug aus der Liste kritischer Lebensereignisse nach Holmes & Rahe (1967) (Auszug).
Belastungswert | Lebensereignis |
100 | Tod
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