Positive Zentrale Selbstbewertungen helfen dann beim Umgang mit Stressoren (Best, Stapleton & Downey, 2005; Kammeyer-Mueller, Judge & Scott, 2009; Park, Monnot, Jacob & Wagner, 2011).
Fazit
In diesem Kapitel wurden zentrale und aktuelle Stresstheorien vorgestellt (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2
Übersicht über die aufgeführten Stress-Modelle
Modellname | Quelle |
Stress als Allgemeines Adaptionssyndrom | Selye (1956) |
Disstress vs. Eustress | Selye (1970) |
Transaktionales Stressmodell | Lazarus & Folkmann (1984) |
Stress als Angriff auf das Selbst | Semmer, Jacobshagen, Meier, & Elfering, 2007 |
Job Demands-Ressources Model | Bakker & Demerouti (2007), Demerouti, Bakker, Nachreiner, & Schaufeli (2001) |
Job-Demand-Control Modell | Karasek (1979) |
Erweiterung des Job-Demand-Control Models | Johnson & Hall (1988) |
Conservation of Ressources Modell | Hobfoll (1998, 2001) |
Effort-Reward-Imbalance Modell | Siegrist (1996) |
Der Zusammenhang zwischen arbeits- und aufgabenbezogenem Stress und physischer und psychischer Gesundheit ist dabei mittlerweile eine gesicherte empirische Evidenz (Marmot et al., 1999; Sonnentag & Frese, 2003). Zwar ist die physische und psychische Gesundheit eine Folge von sehr unterschiedlichen Einflussgrößen. So wird beispielsweise das Risiko für einen Herzinfarkt durch Zigarettenrauchen und Bluthochdruck, Persönlichkeitseigenschaften, psychische Störungen, Stress in Familie und Partnerschaft und dauerhafte finanzielle Sorgen bedingt. Ebenso leistet aber auch arbeitsbezogener Stress einen nicht unerheblichen Beitrag zum Risiko für einen Herzinfarkt. Siegrist (1996) zeigt in einer Studie, dass bei Kontrolle aller möglichen weiteren Variablen das relative Risiko für eine Herzerkrankung bei Personen mit einer hohen beruflichen Gratifikationskrise (also eine hohe Verausgabung bei gleichzeitig niedriger Belohnung) immer noch mehr als doppelt so hoch ist als bei Personen mit niedriger Gratifikationskrise (niedrige Verausgabung und hohe Belohnung). Die Forschung zu physiologischen Stressreaktionen zeigt, wie vor allem über die zentrale physiologische Stressachse (die Hypophyse-Hypothalamus-Nebennieren-Achse) wichtige Körperfunktionen beeinflusst und bei Dauerbelastung geschädigt werden können. Ausgangspunkt im Stressprozess, wie ihn das transaktionale Stressmodell von Lazarus und Folkman (1984) beschreibt, sind Stressoren. Stressoren sind Umweltstimuli, die den Stressprozess auslösen. Stress ist die physiologische und psychologische Reaktion des Individuums auf diesen Auslöser. So ist das physiologische Korrelat für Stress eine Erhöhung der Cortisolausschüttung und das psychologische Korrelat das Erleben eines unangenehmen Spannungszustandes. Chronischer Stress ist mit typischen physiologischen und psychologischen Stressfolgen (Strain) korreliert. In der Forschung wurden hier insbesondere die Folgen von chronischem Stress auf körperliche Folgen wie Irritation oder koronare Herzerkrankungen und psychische Folgen wie Burnout, Depression, Erschöpfung und Ängstlichkeit nachgewiesen (Kivimäki et al., 2012). Langfristig trägt eine dauerhafte Stresserfahrung und das Leiden an Stressfolgen (Strain) zur Reduzierung der Lebenszufriedenheit und dem allgemeinen Wohlbefinden bei (Warr, 2007).
Arbeitsbezogene Stressoren wie soziale Konflikte am Arbeitsplatz, Arbeitsdichte, Zeitdruck, arbeitsorganisatorische Probleme, ungünstige Arbeitszeiten usw. entfalten ihre negative Wirkung besonders dann, wenn sich in ihnen eine Geringschätzung und Respektlosigkeit des sozialen Kontextes für die persönliche Würde und das Selbstverständnis widerspiegelt und wenn Ressourcen zur Bewältigung dieser Adaptionsanforderungen fehlen. So werden illegitimes Verhalten von Kollegen und Vorgesetzen, illegitime Stressoren, in denen sich eine mangelnde Fürsorge der Führung zeigt und illegitime Aufgaben, die der zentralen beruflichen Identität der Beschäftigten widersprechen, negativer interpretiert und es folgen stärkere Stressreaktionen (Semmer et al., 2007). Ressourcen können auch außerhalb der Arbeit zur Verfügung stehen z. B. ein gutes privates Netzwerk oder finanzielle Absicherung (Demerouti, 2012; Hall, Dollard, Tuckey, Winefield & Thompson, 2010). Darüber hinaus wirken aber insbesondere arbeitsbezogene Ressourcen im Stressprozess (z. B. angemessene organisationale Gratifikationsleistungen) so, dass sie die potenzielle negative Wirkung von Stressoren reduzieren oder diese im günstigen Fall sogar nicht entfaltet wird, während fehlende Ressourcen die Wirkung der Stressoren erhöhen (Hobfoll, 2001; Siegrist, 1996).
Stress lässt sich auf Grundlage dieser Erkenntnisse definitiv nicht auf ein subjektives Phänomen, das vom Erleben und ideosynkratischen Eigenschaften jedes Einzelnen beliebig abhängig ist, reduzieren. Arbeitsbezogene Stressoren und der soziale Kontext, in dem sie auftreten, liegen im Verantwortungsbereich der Organisation. Daher ist es für Organisationen von entscheidender Bedeutung, die zentrale Rolle der sozialen und physischen Arbeitsbedingungen im Stressgeschehen zu erkennen. Hier liegen die Ansatzpunkte, um Arbeit und Aufgaben so zu gestalten, dass Stress und Folgeerkrankungen minimiert werden. Stressoren sollten auf den Umfang legitimer Stressoren minimiert werden. Gesundheitsförderliche Führung heißt in diesem Zusammenhang, notwendige Belastungen zu begründen und sie so für die Beschäftigten erkennbar zu legitimieren und so Wertschätzung und Respekt für die Bedürfnisse und Interessen jedes einzelnen Organisationsmitgliedes explizit zu leben. Organisationen und Führungspersonen müssen den Beschäftigten ausreichend Ressourcen zur Bewältigung von Arbeitsanforderungen und zur Kompensation von Verausgabung zur Verfügung stellen. Um beispielsweise eine besonders schwere Einsatzlage von der Polizei erfolgreich zu bewältigen, müssen Polizeibeamten sehr viele physiologische, emotionale und kognitive Ressourcen einsetzen. Dem muss durch entsprechende Kompensation (z. B. im Rahmen zur Möglichkeit einer Erholungsauszeit) und Belohnung (z. B. im Rahmen einer expliziten Würdigung der Verdienste der Mitarbeiter und ihrem Einsatz von Kraft, Engagement und emotionaler Energie) Rechnung getragen werden.
Die Forschung zu interindividuellen Unterschieden bei der Bewältigung von Stress macht deutlich, dass Personen mit bestimmten Grundvoraussetzungen, wie beispielsweise einer ressourcenreichen Grundeinstellung (positive zentrale Selbstbewertungen) und hohen sozialen und emotionalen Kompetenzen, arbeits- und lebensbezogene Stressoren günstiger bewältigen. Dabei ist zu beachten, dass diese Eigenschaften ein Ergebnis vorangegangener Erfahrungen sind, die sich beispielsweise neurobiologisch (Gunnar & Quevedo, 2007) und in der Persönlichkeitsentwicklung niederschlagen. Arbeitsbedingungen können hier Herausforderungen schaffen, zu lernen und sich weiterzuentwickeln (Hakanen, Perhoniemi & Toppinen-Tanner, 2008; Ohly, Sonnentag & Pluntke, 2006). Durch die Erfahrung von Leistungserfüllung bei herausfordernden Anforderungen kann die Selbstwirksamkeitserwartung, das Selbstwertgefühl und die Lebenszufriedenheit insgesamt gestärkt werden (Daw & Shohamy, 2008; Schultz, 2006). Eine respektvolle wertschätzende Führung wirkt positiv auf den Selbstwert und Handlungs- und Entscheidungsspielräume haben einen förderlichen Effekt für das Wohlbefinden der Beschäftigten (z. B. Stocker, Jacobshagen, Semmer & Annen, 2010). Wir sollten daher nicht voreilig den Schluss treffen, dass nur solche Personen für die Aufgaben der Organisation geeignet sind, die bestimmte Schutzfaktoren für den Umgang mit Stress mitbringen, sondern erkennen, dass Organisation und Führung solche Schutzfaktoren aktiv fördern oder eben auch mindern können, weil Stress, mangelnde Wertschätzung, fehlende Gratifikationen dauerhaft auch negativ auf diese persönlichen Schutzfaktoren wirken.
Dauerhafter Stress hat negative Konsequenzen für die physische und psychische Gesundheit. Dabei sind es vor allem die Hindrance Stressoren, die über ihre zusätzliche negative Wirkung auf Motivation und arbeitsbezogene Einstellungen wie Zufriedenheit und die Kündigungsabsicht auf Dauer bedeutsame negative Konsequenzen haben. Auch Challenge Stressoren, also die Bewertung eines aktuellen Stressors als potenziell förderlich für eigenes Wachstum und eigene Weiterentwicklung haben zunächst einmal eine negative Wirkung, die sich über die physiologische Erregung der Haupt-Stressachse HHNA gut erklären lässt. Darüber hinaus haben die Challenge Stressoren aber eine positive Wirkung auf Motivation, Anstrengung, den persönlichen Selbstwert und Well-Being. Unsere