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Grundwissen Stress


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Stressreaktion auf der Verhaltensebene gedeutet werden, aber auch als Bewältigungsvorsatz im Sinne davon, soziale Unterstützung zu erhalten, oder als Folge einer körperlichen Stressreaktion der „Energieabfuhr“ aufgrund körperlicher Erregung dienen. Damit stellt sich das Problem der Unterscheidung bzw. Abgrenzung:

       • Was sind unmittelbare Stressreaktionen und was sind kurzfristige bzw. langfristige Folgen?

      • Was sind Stressreaktionen und was ist schon mehr oder minder bewusste bzw. absichtliche Bewältigung?

      Diese Fragestellungen sind dabei nicht nur akademischer Natur, sondern erfahren ihre besondere Relevanz wenn systematisch interveniert wird. Dann kann es nämlich entscheidend sein, an welchem Punkt Stressbewältigung ansetzt. Eine reine Symptombehandlung kann zu Verschiebungseffekten oder nur scheinbar bewältigten Situationen führen. Im Beispiel des vermehrten Rededrangs würde ein angestrengtes Schweigen diese Reaktion sicherlich eindämmen, wäre aber kaum geeignet, das Erregungsniveau zu senken oder den Bedarf an sozialer Unterstützung zu decken. Gerade das Unterdrücken eines Rededrangs führt möglicherweise dazu, dass der erlebte Stress zunimmt, da man ein Verhalten, das einem subjektiv zu helfen scheint, nicht zeigen kann.

       4. Wie erkenne ich Stress?

      Wenn die Situation, in der Stress auftritt, der betroffenen Person besonders relevant und bedrohlich erscheint, dann wird diese Person ihren Wahrnehmungsfokus vor allem auf die Situation und ihre Anforderungen richten. Damit wird aber häufig auch der Blick auf den eigenen Systemzustand vernachlässigt, was paradox klingt: Einerseits ist man zwar den Stressreaktionen ausgesetzt und fühlt sich auch gestresst. Andererseits wird dieser Zustand der Person nicht in dem Maße oder der Art bewusst, dass sie ein absichtliches und bewusstes Gegensteuern, also Coping bzw. Stressbewältigungsmaßnahmen, einleitet. Weiterhin kann es notwendig oder hilfreich sein, bei anderen Personen, mit denen man zusammenarbeitet (Teamkollege, Streifenpartner, Mitarbeiter), Stress zu erkennen, um diese Kollegen zu unterstützen, sich auf ihr Verhalten einstellen zu können oder sie als Führungskraft nicht zu überfordern. Dabei sind verschiedene Stressreaktionen für andere nicht direkt wahrnehmbar (z. B. Herzschlag, Gedanken, Gefühle), sondern können mitunter nur über Indizien erschlossen oder erfragt werden. Das Erschließen kann dabei auch Stressfolgen, also unmittelbare oder verzögerte Konsequenzen der Stressreaktionen, beinhalten. Im Nachfolgenden wird deshalb nicht streng zwischen Folgen und Reaktionen getrennt.

      Als Heurismus zum Erkennen von Stressprozessen kann neben der Beobachtung von Stressreaktionen auch die Berücksichtigung der Situation genutzt werden. Sind hier potenzielle Stressoren abzusehen, können diese die Möglichkeit zu einer Stressepisode bieten. Da aber Stress aufgrund seiner Subjektivität und der individuellen Bewertungen nicht generell auftritt, sind entsprechende Ereignisse nur ein Indiz, das mehr oder minder wahrscheinlich Stress auslösen kann. Es kann dabei hilfreich sein, Ergebnisse von Studien zu kennen, die die Häufigkeit und die Bewertungen von Ereignissen durch betroffene Personen erfassten (siehe Kapitel zum Stresserleben von Polizeibeamten in diesem Band).

       4.1. Stressreaktionen in akuten Situationen

      Zunächst werden verschiedene Signale in Einsatzsituationen vorgestellt, die genutzt werden können, um das Auftreten von Stress leichter erkennen zu können.

       4.1.1. Bei Einsatz- und Verfolgungs fahrten

      Einsatz- und Verfolgungsfahrten sind Stresssituationen, die sich besonders durch Zeitdruck, hohe Geschwindigkeiten in der Informationsverarbeitung und Reaktion sowie hohe Bedeutung des Handelns hinsichtlich des Einsatzzieles auszeichnen. Ungerer & Ungerer (2008, S. 105) führen als Ursachen für Unfälle in solchen Situationen die eingeschränkte visuelle Informationsaufnahme (vor allem des peripheren Sehens), einen zu langsamen Abruf des notwendigen Fahrmanövers aus dem Gedächtnis oder zu geringe Ausführungsschnelligkeit der notwendigen Fahrfertigkeiten an. Neben der eingeschränkten bzw. verringerten Informationsaufnahme und -verarbeitung werden die beiden anderen Aspekte in der Praxis häufig als mangelnde Stressstabilität des Handelns bezeichnet. Dies bedeutet, dass in Ruhe und bei ausreichend Zeit ein der Situation entsprechendes Verhalten zwar gezeigt werden kann, dieses aber in einer Stresssituation nicht gezeigt wird, da hier entsprechende bewusste Steuerungs- und Regelungsmechanismen und Denkkapazitäten nicht mehr zur Verfügung stehen. Das Handeln kann dann nicht mehr bewusst durch nahezu vollständige Überlegungen gesteuert werden, sondern muss automatisch abgerufen und umgesetzt werden. Eine durch umfangreiches Training erreichte Stressstabilität von Maßnahmen ist deshalb für eine sichere Beherrschung in kritischen Situationen unumgänglich.

      In einer Einsatz- und Verfolgungsfahrt ist meist davon auszugehen, dass sich Fahrer und auch Beifahrer im Stress befinden. Die Stressreaktionen umfassen u. a. die Verschlechterung der Informationsverarbeitung (Ungerer & Ungerer, 2008, S. 108) und z. B. einen sehr hohen Puls. Dabei ist zu beachten, dass dieser Stress nicht plötzlich und in vollem Umfang auftritt, sondern ein ansteigendes Stressprofil darstellt. Dabei wird die volle Auswirkung dieser Stresssituation häufig erst ab einem kritischen Schwellenwert bemerkt (Ungerer & Ungerer, 2008, S. 109). Um aber zu intervenieren und den Anstieg des Stresses mit seinen Effekten zu überwachen, eigenen sich folgende Vorwarnzeichen, die teilweise bereits als Folgen der Stressreaktionen anzusehen sind (Ungerer & Ungerer, 2008, S. 109; Ergänzungen und Beispiele in Klammern vom Autor dieses Beitrages):

       • Häufung von Beinaheunfällen (ruckartige Fahrmanöver, Reagieren im letzten Moment, nur durch Zufall oder Eingreifen des Beifahrers verhinderte Unfälle)

       • vermehrt Verkehrszeichen übersehen

       • spätes Erkennen von Verkehrsteilnehmern (Wo kam denn der her? Was war denn das?)

       • zunehmende Unruhe, z. B. sich Kratzen

       • wiederholte Suchbewegungen bei der Fahrzeugbedienung, Bedienungselemente werden nicht auf Anhieb gefunden

       • Schwierigkeiten beim im Gedächtnis behalten von Verkehrsteilnehmern auf Kreuzungen, wiederholtes Nachschauen, Blickverunsicherung (Anfahren und wieder Stoppen, ständiges Hin- und Herschauen, Beifahrer aggressiv auffordern zu schauen)

       • mehr auf die Umgebung als auf das Täterfahrzeug achten

       • mit den Gedanken abschweifen (z. B. an angenehme Dinge denken)

       4.1.2. In unklaren oder chaotischen Polizeieinsätzen

      Unklare Polizeieinsätze im Streifenteam sind häufig durch angespannte und nicht eindeutige Situationen gekennzeichnet. Insbesondere ist dies der Fall, wenn die Lage zu eskalieren droht und sich in Richtung Gewalteinsatz hin entwickelt. Dabei ist jedoch nicht klar, ob diese potenzielle Gefahr sich auch realisiert, bzw. wie dies verhindert werden kann. Bei eher chaotischen Einsatzlagen stürzt eine Masse an Informationen auf die entscheidende Person ein. Sie soll davon die richtigen und bedeutenden auswählen und geeignete Maßnahmen ableiten. Beide Situationen erzeugen großen Stress. Die eine durch einen akuten Informationsentzug, die andere durch akute Informationsüberlast, was als häufige Stressursache für polizeiliche Einsätze anzusehen ist (Ungerer & Ungerer, 2008, S. 70). Dabei erhöht sich im Laufe der Lage zunehmend die Belastung der Polizeibeamten, bis deutliche Stressreaktionen und Einschränkungen auftreten (vgl. Ungerer & Ungerer, 2008, S. 71 f.). Als Vorwarnsymptome (nicht vollständig) für mögliche stressbedingte Einsatzfehler nennen Ungerer & Ungerer (2008, S. 72; Ergänzungen und Beispiele in Klammern vom Autor dieses Beitrages und Ungerer & Morgenroth, 2001, S. 101):

       • wiederholt hinschauen müssen (also auch Übersehen von gut sichtbaren Objekten, nicht Wahrnehmen von hinzukommenden Personen)

       • erst bei Wiederholung Sprechfunk verstehen (nachfragen, insbesondere nach schon Gesagtem)

       • sich vergreifen (Handlingsfehler, Waffe nicht mehr wegstecken können)

       • sich versprechen (falsche Wortwahl, übertrieben komplizierte Satzkonstruktionen)

       • Orientierungsschwierigkeiten