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Neulateinische Metrik


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Frater fratris mucrone, vah, confoditur. Erecta signa utrinque picta convolant Cruce, auspicem et Christum miles exercitu Utroque sperat partibus suis fore, Saevis cadunt cives suis vulneribus32. 10

      Für die meisten Menschen gibt es eine Streitfrage, und es ist noch nicht entschieden oder zu Ende gedacht, ob es Christen erlaubt ist, die Waffen zu ergreifen. Die Welt ist der Raserei verfallen, und es gilt nicht als Sünde, gegen jedermann sein ruchloses Schwert zu zücken. Der Bruder wird, ach, vom Dolch des Bruders durchbohrt. Von beiden Seiten stürmen die Fahnen mit aufgemaltem Kreuz heran, und in beiden Heeren hofft der Soldat, dass Christus seiner Partei den Segen gibt. Bürger fallen von eigenen grausamen Wunden.

      Das erreichte Niveau war jedoch mangels geeigneter Metrikhandbücher und der sehr beschränkten Möglichkeit, sich Handschriften der Vorgänger zu beschaffen, nicht selbstverständlich. Der am Anfang dieses Beitrags erwähnte TelesioTelesio, AntonioImber aureus hat sich 1529 in seinem Imber Aureus, der Tragödie der Danae, die von ihrem grausamen Vater Acrisius in einem eisernen Turm gefangen und von Juppiters goldenem Regen gerettet wird, offenbar weniger als LoschiLoschi, Antonio und CorrerCorrer (Corrarius), Gregorio von der NachahmungImitation SenecasSeneca leiten lassen. Seine iambischen TrimeterIambusTrimeter – die er in den Marginalnotizen gelegentlich auch IambusSenarSenare nennt, wovon sich noch der Herausgeber Jan-Wilhelm Beck 2000 hat irreführen lassen – sind zwar an vielen Stellen ungefüge. Außer den schon erwähnten zahlreichen über die Wortenden geteilten LongaLongum, geteiltes“ und BreviaBreve, geteiltes“ fallen zäsurlose VerseZäsurTelesio, AntonioImber aureus33 und positionsbildende muta cum liquida über die Wortgrenze auf, die sonst vermieden werden, z.B. 70 funeré tristem, 71 velleré sparsas, 72 tunderé plangoribus. Falsche Prosodien sind immerhin sehr selten.

      Im Sprachstil ist TelesioTelesio, AntonioImber aureus weit von SenecaSeneca entfernt, ist aber andererseits erfolgreich in dem Versuch, dem antiken, bisher nicht dramatisch behandelten Mythenstoff eine ungewöhnliche Form zu geben. Er hat zwar die Standardrollen wie den Boten und die Amme und den Wechsel zwischen Monologen und Dialogen beibehalten und in den Chören wenig metrische Variation gesucht: Es sind PherekrateenPherecrateus, iambischeIambus Mono- und DimeterIambusDimeter und trochäische DimeterTrochaeusDimeter. Der Chor nimmt, wie Horaz (Ars poetica 193HorazArs poetica) empfohlen hatte, an der Handlung teil: Er ruft am Ende des 1. Aktes Juno zu Hilfe für Danae, im 2. Akt nimmt er am Dialog teil, im 3. Akt führt er ansatzweise einen Dialog mit den Zyklopen, die ihren Lohn für die schnelle Erbauung des eisernen Turmes verlangen, in dem Danae bereits eingekerkert ist.34

      Aber vor allem hat TelesioTelesio, AntonioImber aureus zugunsten wirksamer Szenen die Einheit von Ort und Zeit und im langen 3. Akt die Gattungsidentität aufgelöst. Dieser vielteilige 3. Akt entwickelt sich zu einem kleinen Drama in sich: Am Anfang staunt Acrisius über die Schnelligkeit, mit der sein Wunsch nach einem unbezwinglichen Kerker für seine Tochter erfüllt wurde, dankt überschwänglich Vulkan und lädt die Zyklopen ein, sich ihren Lohn für die harte Bauarbeit abzuholen. Aber dann beginnt eine burleske Szene, wie sie der antiken und bisherigen neulateinischen Tragödie fremd war: Das Festgelage der Zyklopen geht in ein wüstes Bacchanal über, das mit dem Tod des Polyphemus und seiner Verhöhnung in einem anapästischenAnapaestus Amoibaion endigt. Als der vor Entsetzen geflohene Acrisius zurückkehrt, erkennt er zusammen mit dem Chor, dass er durch seinen Wunsch aus dem Glück ins Unglück gestürzt ist. Das Ende dieses Aktes bilden der Monolog des verzweifelten Acrisius und ein ChorliedChor über die Macht der Fortuna in katalektischen trochäischen DimeternTrochaeusDimeterkatalektisch. Diese Struktur ist ohne Vorbild in der senecanischen TragödieSeneca, aber auch in der antiken Komödie.

      Das Versmaß wechselt mehrere Male, aber immer entsprechend der Handlung oder der Stimmung. In einer Randbemerkung weist der Verfasser selbst darauf hin, dass der HinkiambusIambusCholiambus passend ist für das Dankgebet an den hinkenden Gott Vulcanus. Aber gleichzeitig ist dieses Metrum das der Spottgedichte, weil hier die Dankbarkeit des Acrisius im Widerspruch zu dem Erfolg seines Wunsches steht.

      Den Weg zur Gattungskreuzung ist der Elsässer Johannes SapidusSapidus, JohannesAnabion (Witz) in seinem mit 1915 Versen überlangen Lazarus-Drama Anabion von 1540 weitergegangen.Sapidus, Johannes35 Die Episode von der Krankheit und Auferweckung des Lazarus, die schon im Johannes-Evangelium (Joh. 11) personenreich ist, hat Sapidus selbst nicht ganz zutreffend als Komödie oder Tragikomödie bezeichnet.36 Denn die Handlung ist außerdem mit Elementen des Passionsspiels angereichert. Aus der Komödie stammen besonders die Intrigenhandlung, das Sklavenpersonal, die Schimpfdialoge und die Drastik in Handlung und Sprache. Die komischen Elemente mit ihrer Verspottung des Teufels vertragen sich jedoch mit der mittelalterlichen fabula sacra, der man dieses Stück zurechnen kann.

      SapidusSapidus, Johannes verwendet zwar iambische TrimeterIambusTrimeter, die er wie TelesioTelesio, AntonioImber aureus bisweilen auch iambische SenareIambusSenar nennt und mit den gleichen Lizenzen wie alle seine Vorgänger verwendet, zeigt aber durch die Verwendung typischer Komödienmetra wie des trochäischen SeptenarsTrochaeusSeptenar und des iambischen OktonarsIambusOktonar, dass er PlautusPlautus und TerenzTerenz kennt – schon der Vorspann ist nach dem Vorbild der Terenz-Handschriften angelegt. Dass SapidusSapidus, Johannes auf einen ChorChor verzichtete, könnte zwei Gründe haben: ein Chor passt weder zur Gattung des Passionsspiels noch zur antiken Komödie.

      George BuchananBuchanan, George, der große schottische Gelehrte, Theologe und Dichter (1506–1582), lehrte zwischen 1539 und 1544 in Toulouse am Collège de Guienne.Buchanan, GeorgeJephthes37 Als Lehrer war er verpflichtet, jedes Jahr eine Tragödie in lateinischer Sprache für das alljährliche Schulfest zu verfassen und aufzuführen. Außer zwei Übersetzungen von Tragödien des Euripides (Medea und Alcestis) verfasste er den Jephthes (1450 Verse) über einen Stoff aus dem Alten Testament (nach Richter 11) und Baptistes Buchanan, GeorgeBaptistes(1360 Verse) über den Tod Johannes des Täufers (nach Matth. 14).Buchanan, GeorgeJephthes38 Für ihr klassisches Latein, das von der gesamten klassischen Latinität inspiriert ist,PlautusAmphitruoBuchanan, ሴiሴGeorgeJephthesሴiሴ39 aber ohne gelehrte Anspielungen auskommt, für die Flüssigkeit der Verse, die zwar noch die bekannten metrischen Lizenzen nutzen, aber viel seltener als alle Vorgänger, und die elegante Rhetorik sind sie zu Recht berühmt. Vgl. den von einem Engel gesprochenen Prolog des Jephthes (aufgeführt 1542):

Magni tonantis huc minister aliger,
Coelo relicto, mittor Isaci ad lares,
Sŏlumque promissum Isaci nepotibus,
Sŏlum regendis destinatum gentibus,
Si pacta sacri intaminata foederis 5
Servasset: arma sed modò quod Ammonia
Expavit arcto servitutis sub iugo,
Tulitque, quicquid triste, crudele, asperum,
Iratus audet victor, aut victus timet.
Hac clade fracta gens rebellis vix Deum 10
Agnoscere patrum coepit […]

      Ich, der geflügelte Diener des großen Donnerers, habe den Himmel verlassen und werde hierher zum Hause Isaaks und in das Land gesandt, das den Enkeln Isaaks verheißen war, und in das Land, das der Herrschaft über die Völker bestimmt war – wenn es den Vertrag des heiligen Bündnisses unversehrt bewahrt hätte. Aber weil es vor kurzem die Waffen des